Die Wahr­schein­lich­keit einer Hand­lung oder eines Phä­no­mens zu ken­nen, kann auch hei­ßen, die Chan­cen jener Aktio­nen zu ver­grö­ßern, die dar­auf abzie­len, die Rea­li­sie­rung eben die­ses Phä­no­mens zu ver­hin­dern. Aber das ist nicht alles. Vie­le sozia­le Mecha­nis­men sind nur des­halb so wirk­sam, weil sie ver­kannt und unter­schätzt wer­den. Das ist zum Bei­spiel bei den »Mecha­nis­men« der Fall, die die Kin­der aus den­je­ni­gen Fami­li­en, die öko­no­misch und kul­tu­rell am stärks­ten benach­tei­ligt sind, aus der Schu­le her­aus­drän­gen: Man beob­ach­tet, wie gera­de die Fami­li­en, die kul­tu­rell benach­tei­ligt und Opfer der sozia­len Ungleich­heit sind, am stärks­ten dar­an glau­ben, daß Bega­bung und Tüch­tig­keit die ein­zig aus­schlag­ge­ben­den Fak­to­ren für den Schul­erfolg sind. Man sieht also, daß fei­ne Wis­sen­schaft, die ent­hüllt und demas­kiert – »es gibt nur eine Wis­sen­schaft, und das ist die Wis­sen­schaft vom Ver­bor­ge­nen«, sagt Bachel­ard – aus sich her­aus wich­ti­ge Ver­än­de­run­gen bewir­ken kann. Dies gilt natür­lich nur unter der Bedin­gung, daß die Betrof­fe­nen, deren Inter­es­se am stärks­ten auf die­se Ver­än­de­run­gen drän­gen, auch an die­sen wis­sen­schaft­li­chen Ein­sich­ten teilhaben.
(Pierre Bour­dieu – Poli­tik, Bil­dung und Spra­che, in: Die ver­bor­ge­nen Mecha­nis­men der Macht)

Wenn ich dich frage,
ob wir etwas unter­neh­men wollen,
dann fra­ge ich nicht jemanden,
ich fra­ge dich.
Ich hoffe,
du ver­stehst mich.

(2010)

Es ist so uner­hört lächer­lich, daß alle die Län­der, die von sich behaup­te­ten, sie sei­en die frei­es­ten Län­der, in Wahr­heit ihren Bewoh­nern die gerings­te Frei­heit gewäh­ren und sie das gan­ze Leben hin­durch unter Vor­mund­schaft hal­ten. Ver­däch­tig ist jedes Land, wo soviel von Frei­heit gere­det wird, die angeb­lich inner­halb sei­ner Gren­zen zu fin­den sei. Und wenn ich bei einer Ein­fahrt in den Hafen eines gro­ßen Lan­des eine Rie­sen­sta­tue der Frei­heit sehe, so braucht mir nie­mand zu erzäh­len, was hin­ter der Sta­tue los ist. Wo man so laut schrei­en muß: Wir sind ein Volk von frei­en Men­schen!, da will man nur die Tat­sa­che ver­de­cken, daß die Frei­heit vor die Hun­de gegan­gen ist oder daß sie von Hun­dert­tau­sen­den von Geset­zen, Ver­ord­nun­gen, Ver­fü­gun­gen, Anwei­sun­gen, Rege­lun­gen und Poli­zei­knüp­peln so abge­nagt wor­den ist, daß nur noch das Geschrei, das Fan­fa­ren­ge­schmet­ter und die Frei­heits­göt­tin­nen übrig­ge­blie­ben sind.
(B. Tra­ven – Das Totenschiff)