Ich begrei­fe mein Ver­har­ren in die­sem immer glei­chen Leben, die­sem Staub, die­sem Schmutz an der Ober­flä­che des Nie-Ver­än­derns ein­zig als ein Feh­len per­sön­li­cher Hygiene.
So wie wir unse­ren Kör­per waschen, soll­ten wir auch unser Schick­sal waschen, das Leben wech­seln wie Wäsche – nicht, um uns am Leben zu erhal­ten, wie durch Nah­rung oder Schlaf, son­dern aus jener wert­frei­en Selbst­ach­tung, die genau wir Hygie­ne nennen.
Bei vie­len Men­schen ist die­ser Man­gel an Hygie­ne nicht etwa als bewußt gewollt zu ver­ste­hen, son­dern viel­mehr als ein Ach­sel­zu­cken ihres Intel­lekts. Und bei vie­len ist ein immer glei­ches stumpf­sin­ni­ges Leben nicht auf eine freie Ent­schei­dung zurück­zu­füh­ren oder auf ein natür­li­ches Sich-Schi­cken in eine unge­woll­te Exis­tenz, son­dern auf eine getrüb­te Wahr­neh­mung ihrer selbst, auf einen iro­ni­schen Auto­ma­tis­mus ihres Intellekts.
Man­chen Schwei­nen wider­strebt die eige­ne Schwei­ne­rei, den­noch las­sen sie nicht ab von ihr, und zwar aus dem glei­chen über­stei­ger­ten Gefühl her­aus, aus dem ein ver­ängs­tig­ter Mensch die Gefahr nicht flieht. Wie ich suh­len sich man­che Schwei­ne in ihrem Schick­sal und las­sen, fas­zi­niert vom eige­nen Unver­mö­gen, nicht ab von der Bana­li­tät ihres Lebens. Sie sind wie Vögel, die allein der Gedan­ke an die Schlan­ge fes­selt, wie Flie­gen, die blind­lings Baum­stäm­me umkrei­sen, bis sie in die kleb­ri­ge Reich­wei­te einer Cha­mä­le­on­zun­ge geraten.
Fer­nan­do Pes­soa – Das Buch der Unruhe

Die Welt gehört dem, der nicht fühlt. Die Grund­vor­aus­set­zung, um ein prak­ti­scher Mensch zu wer­den, ist ein Man­gel an Sen­si­bi­li­tät. Die bes­te Vor­be­din­gung für die Pra­xis des Lebens ist die Trieb­kraft, die zum Han­deln führt, das heißt der Wil­le. Nun gibt es aber zwei Din­ge, die das Han­deln beein­träch­ti­gen – die Sen­si­bi­li­tät und das ana­ly­ti­sche Den­ken, das letzt­lich nichts ande­res ist als ein Den­ken mit Sen­si­bi­li­tät. Jedes Han­deln ist sei­ner Natur nach die Pro­jek­ti­on der Per­sön­lich­keit auf die Außen­welt, und da die Außen­welt zur Haupt­sa­che von mensch­li­chen Wesen bestimmt wird, folgt dar­aus, daß die­se Pro­jek­ti­on der Per­sön­lich­keit vor allem bedeu­tet, daß wir uns auf dem Weg unse­rer Mit­men­schen quer­le­gen, ihn hin­der­lich gestal­ten und sie je nach Art unse­res Vor­ge­hens ver­let­zen und erdrücken.
Fer­nan­do Pes­soa – Das Buch der Unruhe