Hoff­nung ist Fluch

So tief kann kein Mensch sin­ken, als daß er nicht immer noch tie­fer sin­ken könn­te, so Schwe­res kann kein Mensch erdul­den, als daß er nicht noch Schwe­re­res ertra­gen könn­te. Hier ist es, wo der Geist des Men­schen, der ihn angeb­lich über das Tier erhebt, ihn tief unter das Tier ernied­rigt. Ich habe Pack­zü­ge von Kame­len, von Lamas, von Eseln und von Maul­tie­ren getrie­ben. Ich habe Dut­zen­de unter die­sen Tie­ren gese­hen, die sich hin­leg­ten, wenn sie nur mit drei Kilo­gramm über­la­den waren, die sich hin­leg­ten, wenn sie sich schlecht behan­delt glaub­ten, und die sich klag­los hät­ten zu Tode peit­schen las­sen – und auch das habe ich gese­hen -, als auf­zu­ste­hen, die Last zu über­neh­men oder die schlech­te Behand­lung wei­ter zu erdul­den. Ich habe Esel gese­hen, die zu Leu­ten ver­kauft wor­den waren, die Tie­re schänd­lich pei­nig­ten, und die Esel hör­ten auf zu fres­sen und star­ben weg. Nicht ein­mal Mais ver­moch­te ihren Ent­schluß zu ändern. Aber der Mensch? Der Herr der Schöp­fung? Er liebt es, Skla­ve zu sein, er ist stolz, Sol­dat sein zu dür­fen und nie­der­kar­tätscht zu wer­den, er liebt es, gepeitscht und gemar­tert zu wer­den. War­um? Weil er den­ken kann. Weil er sich Hoff­nung den­ken kann. Weil er hofft, daß es auch wie­der bes­ser­ge­hen wird. Das ist sein Fluch und nie sein Segen.
(B. Tra­ven – Das Totenschiff)

1 Kommentar
  1. Pipip
    Pipip sagte:

    Dan­ke für die­se Schlüs­sel­stel­le aus dem Toten­schiff!! Ich habe das Buch als Jugend­li­cher ver­schlun­gen, es ver­schwand dann irgend­wann aus mei­nem Bestand und ward ver­ges­sen. Aber oft in den fol­gen­den 40 Jah­ren habe ich an die­se Stel­le gedacht, als Gales, (Pipip nennt er sich auf dem Toten­schiff, glau­be ich) und Kowal­ski beim Asche­zie­hen an der Reling ste­hen und dar­über spre­chen, ob sie sprin­gen sol­len. Natür­lich tun sie es nicht. Ihre Hoff­nung, und die Hoff­nung aller ande­ren Tot­ge­weih­ten, ist der Treib­stoff mit der die Toten­schif­fe die­ser Welt fahren.
    Heu­te abend habe ich in einem Gespräch ver­sucht, die Stel­le zu repro­du­zie­ren, es ist mir nur ansatz­wei­se gelun­gen. Wie­der zu Hau­se, gegoo­gelt, und schon wird sie mir mund­ge­recht prä­sen­tiert. Wie groß­ar­tig ist das Inter­net! Und wie groß­ar­tig ist es, dass es Men­schen gibt, die es mit solch her­aus­ra­gen­den Inhal­ten füllen.
    Danke!

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