An die Lieblosen

Ihr seid die lieb­lo­ses­ten Men­schen, die ich ken­ne. Ihr schaut euch Sen­dun­gen an, in denen Ande­re, die in ihrem Leben noch nie eine ernst­haf­te Part­ner­schaft erlebt haben, ein­mal von der Lie­be spre­chen, von dem, was das nun für sie ist, und ihr, ihr macht euch lus­tig über sie, weil sie in euren Augen so unglaub­lich pein­lich sind. Sie mögen pein­lich sein, doch noch viel pein­li­cher seid letzt­lich ihr, die ihr euch hämisch über das klei­ne und gro­ße Glück ande­rer Men­schen amü­siert, auf sie her­ab­blickt, um ihre Vor­stel­lung von Lie­be und Gebor­gen­heit mit zyni­scher Auf­ge­bla­sen­heit in den Dreck zu zie­hen und das biss­chen Glück, das ein Mensch für sich fin­det, erst auf den Boden zu wer­fen und dann mit Füßen zu tre­ten, bis jeder Ansatz von Zufrie­den­heit verstirbt.

Ihr wen­det euch ange­ekelt ab, wenn sich zwei Men­schen lie­be­voll küs­sen und ihr das unmit­tel­bar beob­ach­ten müsst. Ihr ver­ab­scheut jeg­li­ches Ver­hal­ten, das ande­ren zeigt, dass man ein Pär­chen ist. Ihr wür­det sie am liebs­ten alle­samt tren­nen, wollt ihrem Glück so schnell es geht ein Ende berei­ten, denn für euch ist das kein Glück, was ihr da seht, also kann es das für ande­re doch auch nicht sein. Ihr seid Gefühls­spie­ßer – wenn ihr nicht könnt, sol­len alle ande­ren auch nicht dürfen.

Ihr wollt sie nicht, die Lie­be, sagt ihr dann und wie­der­holt das wie ein Man­tra. Wen wollt ihr damit über­zeu­gen, den Rest der Welt oder am Ende bloß euch selbst? Anstatt sie als Geschenk anzu­neh­men, wollt ihr die Quit­tung sehen oder blockt sie ab, zer­re­det sie und macht sie klein. Wer immer euch mal liebt, den stoßt ihr eis­kalt weg. Das Übel, sagt ihr, wollt ihr an der Wur­zel aus­ra­die­ren. Hört ihr euch eigent­lich manch­mal selbst beim Reden zu?

Ihr ver­schanzt euch hin­ter bei­ßen­dem Zynis­mus, der bequem ist, hin­ter Traum­ge­bil­den, die naiv sind, oder hin­ter dem, was ihr Ver­nunft nennt, was doch in Wahr­heit dann bloß Angst in lis­ti­ger Ver­klei­dung ist. Ihr fin­det so vie­le gute Grün­de, euch nicht auf jeman­den ein­zu­las­sen, so vie­le schlaue Ratio­na­li­sie­run­gen, die ihr euch zurecht­biegt, aber nicht einen ein­zi­gen Grund dafür. Ihr begreift nicht, dass ihr umsonst sucht, denn es gibt gar kei­nen Grund dafür, weil das Dafür doch eines Grun­des nicht bedarf: „Ich lie­be dich, weil…“, das sagt kein Mensch, der wahr­haft liebt. Auf der ande­ren Sei­te ver­ste­cken sich Mil­lio­nen Grün­de dage­gen und ihr, ihr fin­det sie alle. Ihr wollt sie unbe­dingt fin­den, ihr wollt Vor­wän­de, Aus­flüch­te, Not­aus­gän­ge. Dann wägt ihr ab: Kein Grund dafür, so vie­le dage­gen, ihr zieht Bilanz und rech­net aus, als ob es um den Ein­kauf geht. Und ihr, die ihr so lieb­los sprecht, ihr wagt es dann, ganz laut­hals über jene her­zu­zie­hen, die glück­lich in Gefüh­len baden?

Wenn es nicht Lie­be auf den ers­ten Blick ist, die euch umhaut, die von euch Besitz ergreift, dann wollt ihr sie nicht haben. Seid ehr­lich zu euch selbst: Wie oft habt ihr das schon erlebt? Für euch ver­hält sich Lie­be wie die magi­sche Boh­ne, aus der ganz plötz­lich eine Ran­ke bis zum Him­mel wächst. Dass es auch anders geht, dass Lie­be auch als zar­tes Pflänz­chen rei­fen kann, das reich­lich Zeit zum Wach­sen braucht, das kommt euch gar nicht in den Sinn, denn wenn dann doch mal etwas keimt, stürmt ihr gleich mit der Sichel an.

Ihr seid so abge­brüht. Ihr wollt Pär­chen im Park ver­gif­ten und amü­siert euch übers Glück der ande­ren. Wie kann man da Respekt vor euch haben? Ihr seid umge­ben von Lie­be, sie klopft sogar von Zeit zu Zeit an eure Tür, und alles, was ihr dafür übrig habt, ist Hohn aus eurer Burg. Wenn uner­war­tet Lie­be zu euch kommt, dann schlagt und tre­tet ihr sie, bis sie stirbt, weil ihr doch lie­ber wei­ter­hin in eurer kal­ten Fes­tung wohnt. Ist es da ein Wun­der, wenn die Lie­be euch nichts gibt?

Ihr infor­miert euch über bio-che­mi­sche Pro­zes­se, ihr theo­re­ti­siert und ana­ly­siert das Gefühl, doch Theo­rie wird euch nicht küs­sen, nie umar­men oder Wär­me spen­den kön­nen. Ihr phan­ta­siert so gern von rie­si­gen Gefüh­len, jagt Schi­mä­ren hin­ter­her, die ihr aus Lie­bes­fil­men kennt, ihr lest in Büchern über sie, von denen ihr in Wahr­heit kei­ne Ahnung habt, weil ihr noch nicht ein­mal die klei­nen schätzt. Ihr lehnt sie ab, ihr macht sie schlecht, stets wollt ihr sie zer­stö­ren, ihr unter­grabt und ihr ver­schan­delt sie, wo immer ihr sie seht, ihr gönnt den ande­ren kein Glück.

Sind eure Abge­brüht­heit, euer Hass, die zyni­sche Ver­bit­te­rung, die ihr mit eis­ge­kühl­ter Brust dem Rest der Welt ent­ge­gen­stellt, die gan­ze Miss­gunst und das kal­te Herz denn nicht bloß Aus­druck eige­ner Ent­täu­schung? Wie wollt ihr jemals glück­lich sein, wenn ihr den Schmerz so konserviert?

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