Vier­ter Ankla­ge­punkt [im Pro­zess gegen das Leben]: Wo war die Liebe?

(…) Die­se Ant­wort inter­es­sier­te mich sehr. Lie­be, ja, was hat­te das Leben mit der Lie­be getan? Ver­scheucht, ver­gru­selt, ent­fernt, mich nicht gelas­sen, mir neh­mend, nie gebend. Das Leben woll­te nicht, dass ich geliebt wer­de, leg­te mir Mut­lo­sig­keit und Angst in den Weg, nahm mir mein Selbst­wert­ge­fühl, schubs­te mich zu Boden. Sau­k­erl! Das hat­te ich nicht ver­dient. Ich hat­te dar­um gebe­ten, glück­lich zu sein, lie­ben zu dür­fen, doch stän­dig misch­te es sich ein, mein größ­ter Geg­ner, mein Feind, die­ses Leben, von dem ande­re sagen, es sei schön, lie­bens­wert und mache Spaß. Welch eine Lüge, damit wäre nach die­sem Pro­zess Schluss. Für immer. Die Wahr­heit muss­te auf den Tisch, die Men­schen muss­ten erken­nen, dass sie es nicht ver­dient hat­ten, dass das Leben ihnen einen Strich durch die Rech­nung macht. War­um hat­te ich so wenig gelacht, hat­te so wenig Freu­de, wur­de nicht geliebt, und immer, wenn ich lie­ben woll­te, wur­de mir wie­der ein Stein hin­ge­schmis­sen? Los, sprich, schnell, ich hol dich sonst hin­ter dem Vor­hang vor, du elen­der Gau­ner, du Dieb mei­ner Lie­be. Schämst du dich end­lich, du Leben, das ich nicht woll­te? Los, komm end­lich raus!

Was hast du erwartet?

Lie­be!

War­um hast du es nicht zugelassen?

Weil du mich nicht gelas­sen hast!

War­um warst du so feige?

Weil du mir den Mut nicht gabst!

Wie­so hast du ihn dir nicht ein­fach genommen?
(Mia Bern­stein – Erdbeerflecken)

Der poli­ti­sche Akti­vist soll­te nicht jemand sein, der Pla­ka­te klebt oder vor­ge­form­te Paro­len ver­brei­tet. Es soll­te jemand sein, der sei­ne Spra­che spricht, um etwas zu sagen, und der dies dann auch sagt. Der sich aus­drückt und der sich dafür ein­setzt, daß Bedürf­nis­se aus­ge­drückt wer­den. Und es muß jemand sein, der das was er sagt, das was er tut und das was man ihn tun läßt, selbst in der Hand hat.
(Pierre Bour­dieu – Poli­tik, Bil­dung und Spra­che, in: Die ver­bor­ge­nen Mecha­nis­men der Macht)

Er erwach­te völ­lig ent­kräf­tet in einem Kran­ken­haus­bett und konn­te sich weder dar­an erin­nern wie noch war­um er hier­her­ge­kom­men war. Hat­te er einen Unfall gehabt, war er ein­fach bloß umge­kippt oder hat­te er viel­leicht einen Schlag­an­fall erlit­ten? Sei­ne Arme und sei­ne Bei­ne schmerz­ten ihn, und als er ver­such­te, sie mehr als ein paar Zen­ti­me­ter zu bewe­gen, gab er nach kur­zer Zeit erschöpft auf. Sei­ne Augen ver­nah­men eine mensch­li­che Sil­hou­et­te neben dem Bett, doch noch erkann­te er dar­in kein Gesicht. Ver­wirrt und ohne die­sen Schat­ten direkt anzu­spre­chen, stam­mel­te er bloß: „Wo… wo bin ich hier? Was ist mit mir pas­siert?“
„Pssst“, flüs­ter­te eine Frau­en­stim­me zärt­lich. „Sei unbe­sorgt, mein Schatz, alles wird wie­der gut. Hab kei­ne Angst. Du bist hier in den bes­ten Hän­den. “
Er erkann­te die­se Stim­me sofort. Sie gehör­te sei­ner Freun­din, genau­ge­nom­men sei­ner ehe­ma­li­gen Freun­din, die­ser Frau aus ver­gan­ge­nen Zei­ten, die ihn, wie er es aus­drü­cken wür­de, vor drei elend lan­gen Jah­ren aus Grün­den ver­las­sen hat, die er nie ver­ste­hen wird, nach­dem sie bei­de für fünf gute Jah­re eine Bezie­hung mit­ein­an­der geführt hat­ten. Als es zum Ende kam, ging sie fort und warf nie einen Blick zurück, doch er kam nie­mals über sie hin­weg. Er dach­te immer noch an sie und er ver­miss­te sie an jedem Mor­gen, wenn er auf­wach­te, an jedem Abend, wenn er ein­schlief, in jedem Bett, in dem er lag. Am Anfang glaub­te er, das gin­ge bald vor­bei, er wür­de das Ver­mis­sen hin­ter dem All­tag leicht ver­ber­gen kön­nen, und wäre erst etwas Zeit ver­gan­gen, dann wür­de er sie irgend­wann ver­ges­sen, doch es ver­strich erst ein Jahr, dann zwei Jah­re und schließ­lich drei, ohne dass es ihm gelang, sie aus sei­nen Gedan­ken und vor allem aus sei­nen Gefüh­len zu ver­ban­nen. Mehr­mals hat­te er in die­ser Zeit ver­sucht, eine Bezie­hung mit einer ande­ren Frau auf­zu­bau­en, also wei­ter­zu­ma­chen, die Wun­den der Ver­gan­gen­heit wenn schon nicht zu hei­len, dann doch wenigs­tens zu ver­bin­den, aber kei­nem die­ser Ver­su­che war letz­ten Endes ein lan­ger Bestand gegönnt. Er muss­te sich irgend­wann ein­ge­ste­hen, dass kei­ne die­ser Bezie­hun­gen einen Wert für sich hat­te, son­dern sie in Wahr­heit nur ein unbe­wuss­ter und ver­zwei­fel­ter Ver­such waren, sei­ne ehe­ma­li­ge Freun­din zu erset­zen, die für ihn so uner­setz­bar war. Kei­ne die­ser Ersatz­be­zie­hun­gen konn­te er für all­zu lan­ge Zeit auf­recht­erhal­ten, kei­ne die­ser Frau­en konn­te ihn ver­zau­bern, denn jede von ihnen ver­glich er mit ihr und kei­ne war für ihn so gut wie sie, kei­ne genüg­te sei­nem Ver­gleich, kei­ne war ein Dupli­kat sei­ner ein­zi­gen gro­ßen Lie­be.
„Du? Wie­so bist du hier? Und… du nennst mich Schatz? War­um? Wir sind… schon so lan­ge nicht mehr zusam­men.“
„Ich dach­te, es wür­de dir gefal­len. Ich weiß, wie sehr du mich ver­misst.“
„Was weißt du schon“, seufz­te er.
„Ich kann es dir nicht ver­übeln“, ergänz­te sie kokett, beug­te sich zu ihm hin­un­ter und flüs­ter­te in sein Ohr: „Ich war das Bes­te, das dir je pas­siert ist, und ich wer­de es für immer sein.“
„War­um bist du hier?“ wie­der­hol­te er sei­ne Fra­ge.
„Freust du dich denn nicht? Ich weiß, dass du bis heu­te stän­dig an mich denkst, selbst nach all den Jah­ren. Ich weiß, wie sehr du mich brauchst, jetzt noch mehr denn je, und dass du mich nicht los­las­sen kannst, selbst wenn du woll­test. Du ver­misst mich, du hast dich in dei­ner Sehn­sucht ein­ge­mau­ert und du kommst dort nicht her­aus. Kann es einen grö­ße­ren Lie­bes­be­weis geben als jenen, wel­chen du mit dir her­um­trägst? Ich bin hier, weil ich das weiß, und weil ich schät­zen gelernt habe, wie sehr du wirk­lich an mir hängst.“
Unter gro­ßer Anstren­gung dreh­te er sich in sei­nem Bett von ihr weg und ver­barg sein Gesicht, damit sie dar­in nicht sehen konn­te, wie sehr sie ihn mit die­sen Wor­ten erwischt hat­te.
„Ent­schul­di­ge, mein Schatz, ich lass dich erst ein­mal allein. Du bist noch sehr schwach und sicher auch sehr müde. Wir reden spä­ter. Nimm die hier, die hel­fen dir“, sag­te sie und zeig­te auf zwei Pil­len und ein Glas mit Was­ser, das direkt dane­ben stand. Dann ging sie zur Tür, dreh­te sich noch ein­mal um, pus­te­te ihm einen Luft­kuss zu und ver­ließ den Raum.
In den dar­auf­fol­gen­den Tagen ver­bes­ser­te sich sein Zustand ein wenig, doch fiel es ihm noch immer schwer, Arme und Bei­ne zu bewe­gen, sodass an Auf­ste­hen noch lan­ge nicht zu den­ken war. Das Zim­mer, in dem er sich befand, war rela­tiv klein, er sah zwei Schrän­ke, ein Fens­ter und einen beschei­de­nen Tisch mit einem Stuhl. Jeden Tag besuch­te ihn sei­ne ehe­ma­li­ge Freun­din und umsorg­te ihn lie­be­voll. Sie brach­te ihm Bücher, Zeit­schrif­ten und Mahl­zei­ten, sie unter­hielt sich mit ihm über die alten, gemein­sa­men Zei­ten, erzähl­te ihm von den neu­es­ten Ereig­nis­sen und ver­sorg­te ihn mit neu­en Medi­ka­men­ten. Er fühl­te sich in ihren Hän­den gebor­gen und konn­te bei wei­tem nicht ver­heh­len, sich über ihre Anwe­sen­heit mehr als nur zu freu­en. Die Zeit ver­ging jedoch, ohne dass sich sein Zustand wesent­lich ver­bes­sert hät­te, doch was ihn viel mehr ver­wun­der­te, war die merk­wür­di­ge Tat­sa­che, dass er wäh­rend sei­nes Auf­ent­halts bis­lang kein Pfle­ge­per­so­nal oder einen Arzt zu Gesicht bekom­men hat­te. Selbst als er den klei­nen Knopf drück­te, um jeman­den an sein Bett zu rufen, kam nie­mand, es geschah nichts. Ein­zig sei­ne Ex-Freun­­din erschien mit einer gewis­sen Regel­mä­ßig­keit, also sprach er sie dar­auf an:
„Ich habe hier noch nie eine Schwes­ter gese­hen, geschwei­ge denn einen Arzt.“
„Sei unbe­sorgt, mein Schatz, man küm­mert sich sehr gut um dich. Ich habe dem Per­so­nal klar­ge­macht, dass ich mich, soweit es geht, allei­ne um dich küm­mern wer­de und man dein Zim­mer wirk­lich nur im Not­fall zu betre­ten hat. Ich will kei­ne Leu­te hier um dich her­um, die dich stän­dig stö­ren oder mit irgend­was beläs­ti­gen, wenn du dich doch scho­nen musst.“
„Aber nicht ein­mal ein Arzt war hier…“
„Doch, doch“, beru­hig­te sie ihn, „der Arzt war ges­tern Abend bei dir, als du schon tief und fest geschla­fen hast. Ich war dabei. Du hast geschla­fen wie ein Stein, aber dei­nen Schlaf hast du auch bit­ter nötig. Der Arzt woll­te dich auf­we­cken, aber ich hab ihn ange­faucht, er soll dich bloß in Ruhe las­sen, solan­ge es kein Not­fall ist. Da ist er gegan­gen.“ Sie fing an zu lachen. „Du weißt, ich kann sehr über­zeu­gend sein.“
Als sie nach ein wenig Plau­de­rei schließ­lich ging, nahm er sich vor, an die­sem Abend ein­fach so lan­ge es ihm mög­lich sein wür­de wach zu blei­ben, soll­te der Arzt erneut nach sei­nem Zustand sehen wol­len. Er rang mit der Müdig­keit, aber er ließ sich von ihr nicht über­man­nen, und so war­te­te er bis in die frü­hen Mor­gen­stun­den. Es erschien weder ein Arzt noch sonst irgend­je­mand. Schließ­lich schlief er ein und wur­de eini­ge Stun­den spä­ter von sei­ner ein­zi­gen, treu­en Besu­che­rin geweckt, die ihm sein Früh­stück ans Bett ser­vier­te.
An die­sem Mor­gen jedoch war er auf­grund des weni­gen Schlafs völ­lig aus­ge­laugt, und als er die Pil­len zu sich neh­men woll­te, die schon seit dem ers­ten Tag jede sei­ner Mahl­zei­ten beglei­te­ten, ver­lor er sie aus den Fin­gern. Sie schie­nen unter sein Bett zu rol­len, aber so genau konn­te er das nicht beob­ach­ten. Sei­ne ehe­ma­li­ge Freun­din stand wäh­rend­des­sen am Fens­ter und bekam von alle­dem nichts mit, also beließ er es dabei. In den fol­gen­den Stun­den bemerk­te er, dass das Gefühl in sei­nen Armen und Bei­nen mehr und mehr zurück­kehr­te und es ihm zuneh­mend leich­ter fiel, sie zu bewe­gen. Er wuss­te nicht, ob er das als Zufall abtun oder auf das Aus­las­sen der Medi­ka­men­te zurück­füh­ren soll­te, also sprach er die­se Fra­ge am Abend an:
„Was sind das eigent­lich für Pil­len, die du mir jedes Mal mit­bringst?“
„Die sind für dei­ne Schmer­zen, mein Schatz“, ent­geg­ne­te sie mit einem Lächeln auf den Lip­pen, in das er sich damals sofort ver­liebt hat­te, „die sol­len dich beru­hi­gen.“
Unter Schmer­zen jedoch litt er nur, wenn er die­se Mit­tel zu sich nahm, doch dass er zu die­ser Erkennt­nis gekom­men war, woll­te er ihr nicht mit­tei­len. Er ent­schloss sich dazu, die Pil­len in Zukunft heim­lich zu mei­den. Irgend­et­was stimmt hier nicht, dach­te er bei sich, erst sah er weit und breit kein Per­so­nal und nun die­ser… Zufall.
Am nächs­ten Mor­gen fühl­te er sich wesent­lich bes­ser, sehr zu sei­ner Ver­wun­de­rung. Arme und Bei­ne konn­te er nun frei bewe­gen, so als sei nie­mals irgend­was gesche­hen. War denn je irgend­was gesche­hen? Er rich­te­te sich zunächst im Bett auf, schwang dann die Bei­ne her­aus und stand schließ­lich auf, ohne jene Glie­der­schmer­zen zu ver­spü­ren, die ihn seit sei­nem Auf­wa­chen ans Bett gefes­selt hat­ten. Nach kur­zem Zögern ging er zur Tür, doch als er die Klin­ke her­un­ter­drück­te, geschah gar nichts. Sie ließ sich nicht öff­nen. Und da ver­stand er. Die Pil­len soll­ten ihm nicht hel­fen, sie soll­ten ihn im Bett hal­ten. Sie woll­te ihn nicht gehen las­sen.
Sein Blick fiel auf das Fens­ter, das der ein­zi­ge Aus­weg zu sein schien. Er zog den Vor­hang zur Sei­te, öff­ne­te es und muss­te fest­stel­len, dass er sich hier wohl im vier­ten oder fünf­ten Stock befand. Ein Sprung wür­de wahr­schein­lich töd­lich enden, und irgend­et­was, an dem er sich hät­te fest­hal­ten, an dem er nach unten hät­te klet­tern kön­nen, konn­te er nicht sehen. Er war gefan­gen. Plötz­lich hör­te er ein Geräusch an der Tür, und bevor er sich zurück ins Bett legen konn­te, stand sie schon im Raum und warf ihm einen über­rasch­ten Blick zu.
„Dein Zustand hat sich end­lich gebes­sert“, sag­te sie und ver­such­te, sich ihre Über­ra­schung nicht anmer­ken zu las­sen. „Ich bin so glück­lich, ich dach­te schon, du wür­dest für immer dort lie­gen blei­ben.“
„Die Tür war abge­sperrt“, bemerk­te er knapp. „War­um?“
„Ach, mein Schatz, das ist nur zu dei­nem Bes­ten.“
„Erklär mir das! Wie zum Teu­fel soll das denn zu mei­nem Bes­ten sein?“
„Ver­traust du mir nicht mehr?“
„Es fällt mir zuneh­mend schwer, jeman­dem zu ver­trau­en, der mich ein­sperrt und mit irgend­wel­chem Zeug voll­pumpt, das mir jede Hand­lung unmög­lich macht.“
„Reg dich bit­te nicht auf.“
„Bring mir einen Arzt!“
„Es gibt hier kei­ne Ärz­te. Ich küm­me­re mich um dich, nur ich.“
„Du bist ver­rückt!“
„Leg dich wie­der hin, mach es dir gemüt­lich und lass dich ein­fach von mir ver­sor­gen. Ich habe dich in den letz­ten drei Jah­ren im Stich gelas­sen, das tut mir leid, aber alles kann wie­der so wer­den, wie du es dir wünschst. Wir blei­ben zusam­men, nur wir bei­de. Du brauchst sonst nie­man­den. Nie­man­den!“
Er sah sie an und blick­te dann zum Fens­ter, das immer noch geöff­net war. Ihr über­rasch­tes Gesicht wich einem Aus­druck der Ver­zweif­lung, dann purer Wut. Als sie eini­ge Schrit­te auf ihn zuging, stieg er in das Fens­ter, hielt sich am Rah­men fest und sprach zu ihr, sie sol­le zurück­blei­ben, sie sol­le ihn nicht anrüh­ren, sonst wür­de er sprin­gen. Sie blieb ste­hen und setz­te wie­der ihr berau­schen­des Lächeln auf.
„Ich weiß, du ver­misst mich an jedem ein­zel­nen Tag, seit­dem ich dich ver­las­sen habe.“ Ihre Stim­me war süß und gleich­zei­tig vol­ler Ero­tik, so als wol­le sie ihn ver­füh­ren. „Ich weiß, du liebst mich heu­te noch genau wie vor drei Jah­ren, und ich weiß, dass du auch immer noch die Hoff­nung hegst, mit mir dein gan­zes Leben zu ver­brin­gen. Wir könn­ten zusam­men noch ein­mal anfan­gen, das hast du dir doch all die Jah­re gewünscht. Nur du und ich, für immer. Bleib bei mir, mein Schatz. Willst du dein Leben denn ein­fach weg­schmei­ßen, wenn du los­lässt und springst?“
„Du bist nicht mein Leben!“, schrie er sie an, blick­te in ihre Augen, lös­te die Fin­ger vom Rah­men und ließ sich aus dem Fens­ter fal­len. „Du warst es viel zu lang.“
Völ­lig benom­men wach­te er in einem Kran­ken­haus­bett auf und konn­te sich weder dar­an erin­nern wie noch war­um er hier­her­ge­kom­men war. Neben dem Bett erkann­te er eine mensch­li­che Sil­hou­et­te, die irgend­et­was zu irgend­je­man­dem sag­te, den er nicht sehen konn­te. Plötz­lich erschien eine zwei­te Gestalt, die sich ihm als Arzt vor­stell­te und ihm erklär­te, es habe lan­ge Zeit nicht gut für ihn aus­ge­se­hen: „Sie waren für eini­ge Zeit im Koma, aber nun haben Sie ja doch noch den Sprung zurück ins Leben geschafft.“

Die Ewi­ge Wie­der­kehr ist ein geheim­nis­vol­ler Gedan­ke, und Nietz­sche hat damit man­chen Phi­lo­so­phen in Ver­le­gen­heit gebracht: alles wird sich irgend­wann so wie­der­ho­len, wie man es schon ein­mal erlebt hat, und auch die­se Wie­der­ho­lung wird sich unend­lich wie­der­ho­len!
(…)
Wenn sich jede Sekun­de unse­res Lebens unend­li­che Male wie­der­holt, sind wir an die Ewig­keit gena­gelt wie Jesus Chris­tus ans Kreuz. Eine schreck­li­che Vor­stel­lung. In der Welt der Ewi­gen Wie­der­kehr las­tet auf jeder Ges­te die Schwe­re einer uner­träg­li­chen Ver­ant­wor­tung. Aus die­sem Grund hat Nietz­sche den Gedan­ken der Ewi­gen Wie­der­kehr »das schwers­te Gewicht« genannt.
Wenn die Ewi­ge Wie­der­kehr das schwers­te Gewicht ist, kann unser Leben vor die­sem Hin­ter­grund in sei­ner gan­zen herr­li­chen Leicht­heit erschei­nen.
Ist aber das Schwe­re wirk­lich schreck­lich und das Leich­te herr­lich?
Das schwers­te Gewicht beugt uns nie­der, erdrückt uns, preßt uns zu Boden. In der Lie­bes­ly­rik aller Zei­ten aber sehnt sich die Frau nach der Schwe­re des männ­li­chen Kör­pers. Das schwers­te Gewicht ist also gleich­zei­tig ein Bild inten­sivs­ter Lebens­er­fül­lung. Je schwe­rer das Gewicht, des­to näher ist unser Leben der Erde, des­to wirk­li­cher und wah­rer ist es.
Im Gegen­satz dazu bewirkt die völ­li­ge Abwe­sen­heit von Gewicht, daß der Mensch leich­ter wird als Luft, daß er empor­schwebt und sich von der Erde, vom irdi­schen Sein ent­fernt, daß er nur noch zur Hälf­te wirk­lich ist und sei­ne Bewe­gun­gen eben­so frei wie bedeu­tungs­los sind.
Was also soll man wäh­len? Das Schwe­re oder das Leichte?
(Milan Kun­de­ra – Die uner­träg­li­che Leich­tig­keit des Seins)

I have clai­med that Escape is one of the main func­tions of fairy-sto­ries, and sin­ce I do not dis­ap­pro­ve of them, it is plain that I do not accept the tone of scorn or pity with which »Escape« is now so often used. Why should a man be scor­ned if, fin­ding hims­elf in pri­son, he tri­es to get out and go home? Or if he can­not do so, he thinks and talks about other topics than jai­lers and prison-walls?
(J. R. R. Tol­ki­en – On Fairy-Stories)