What if you had one day per­fect­ly healt­hy, I asked? What would you do?
„Twen­­ty-four hours?“
Twen­­ty-four hours.
„Let’s see… I’d get up in the mor­ning, do my exer­ci­s­es, have a love­ly break­fast of sweet rolls and tea, go for a swim, then have my fri­ends come over for a nice lunch. I’d have them come one or two at a time so we could talk about their fami­lies, their issues, talk about how much we mean to each other.
„Then I’d like to go for a walk, in a gar­den with some trees, watch their colors, watch the birds, take in the natu­re that I haven’t seen in so long now.
„In the evening, we’d all go tog­e­ther to a restau­rant with some gre­at pas­ta, may­be some duck – I love duck – and then we’d dance the rest of the night. I’d dance with all the won­derful dance part­ners out the­re, until I was exhaus­ted. And then I’d go home and have a deep, won­derful sleep.“
That’s it?
„That’s it.“
It was so simp­le. So avera­ge. I was actual­ly a litt­le dis­ap­poin­ted. I figu­red he’d fly to Ita­ly or have lunch with the Pre­si­dent or romp on the seashore or try every exo­tic thing he could think of. After all the­se months, lying the­re, unable to move a leg or a foot – how could he find per­fec­tion in such an avera­ge day?
Then I rea­li­zed this was the who­le point.
(Mitch Albom – Tues­days with Morrie)

Plötz­lich Angst und vie­le Trä­nen,
ging doch schnel­ler als erdacht:
Ist ihr Dasein schon am Ende?
Haben nie­mals mit­ge­macht.
Schau’n sich um, erken­nen trüb:
All die Zeit, da fehl­te was;
Arbeit, Auto und ein Haus:
Die­ses „Leben“ – war es das?

(2007)

Here was a man who, if he wan­ted, could spend every waking moment in self-pity, fee­ling his body for decay, coun­ting his breaths. So many peo­p­le with far smal­ler pro­blems are so self-absor­­bed, their eyes gla­ze over if you speak for more than thir­ty seconds. They alre­a­dy have some­thing else in mind – a fri­end to call, a fax to send, a lover they’­re day­d­re­a­ming about. They only snap back to full atten­ti­on when you finish tal­king, at which point they say „Uh-huh“ or „Yeah, real­ly“ and fake their way back to the moment. (…) We are gre­at at small talk: „What do you do?“ „Whe­re do you live?“ But real­ly lis­tening to someone – wit­hout try­ing to sell them some­thing, pick them up, recruit them, or get some kind of sta­tus in return – how often do we get this any­mo­re? I belie­ve many visi­tors in the last few months of Morrie’s life were drawn not becau­se of the atten­ti­on they wan­ted to pay to him but becau­se of the atten­ti­on he paid to them. Despi­te his per­so­nal pain and decay, this litt­le old man lis­ten­ed the way they always wan­ted someone to listen.
(Mitch Albom – Tues­days with Morrie)

Sel­ten unter­neh­me ich etwas mit mehr als drei Men­schen auf ein­mal. Viel­leicht mag das unso­zi­al erschei­nen, doch für mich ist es genau das Gegen­teil. Ich mei­de Mas­sen­ver­an­stal­tun­gen und blei­be Tref­fen fern, wenn abseh­bar ist, dass am Ende mehr Men­schen anwe­send sein wer­den als ich für ange­nehm befin­de. Das liegt vor allem dar­an, dass jedes Tref­fen von mehr als vier Per­so­nen für mich schon eine Grup­pe dar­stellt und ich Grup­pen nicht beson­ders lei­den kann – beson­ders dann nicht, wenn dar­un­ter Men­schen sind, die ich mag.

Je mehr von ihnen ich mag oder je mehr ich ein­zel­ne dar­un­ter mag, des­to weni­ger möch­te ich sie zeit­gleich mit ande­ren in eine Grup­pe ste­cken. Es ist nicht unbe­dingt so, dass ich mich in einer Grup­pe unwohl füh­le, denn oft ver­spricht eine Grup­pe und ihre spe­zi­el­le Dyna­mik gro­ßen Spaß, doch ist es der Man­gel an Nähe und Exklu­si­vi­tät, der mich Grup­pen in der Regel eher mei­den lässt. Es geht mir hier­bei nicht um Nähe und Exklu­si­vi­tät, die ich von ande­ren erwar­ten, ein­for­dern oder gar ver­lan­gen wür­de, son­dern um Nähe und Exklu­si­vi­tät, die ich selbst ger­ne den­je­ni­gen Men­schen zukom­men las­sen möch­te, die ich mag. Ich möch­te mei­ne Auf­merk­sam­keit gegen­über die­sen Men­schen nicht hin und her sprin­gen las­sen müs­sen, will mein Inter­es­se nicht spal­ten und mei­ne Gedan­ken nicht het­zen, son­dern will mich auf ein Gegen­über kon­zen­trie­ren und für die­se eine Per­son in die­sem Augen­blick voll und ganz da sein, ein­zig und allein, abso­lut und ungeteilt.

Ein­mal saß ich mit fünf­zehn wei­te­ren Per­so­nen zum Abend­essen an einem lan­gen Tisch und fei­er­te den Geburts­tag einer Freun­din – nur eine von vie­len Situa­tio­nen, die aber exem­pla­risch ist für das, was ich zum Aus­druck brin­gen möch­te. Links von mir konn­te ich Gesprä­che ver­fol­gen, rechts von mir konn­te ich Gesprä­che ver­fol­gen, und ich selbst unter­hielt mich mit mei­nen Nach­barn über die­ses und über jenes.

Es war, wie es immer ist, wenn eine grö­ße­re Anzahl von Men­schen auf­ein­an­der­trifft: Man steigt aus Gesprä­chen aus und in ande­re ein, man wech­selt den Gesprächs­part­ner, wenn es lang­wei­lig zu wer­den droht, man teilt die Auf­merk­sam­keit. Man rast hin und her, zumin­dest in Gedan­ken, man ver­liert Fokus und Kon­zen­tra­ti­on, man frag­men­tiert die Anteil­nah­me. Alle Unter­hal­tun­gen sind gleich, indem sie unper­sön­lich blei­ben: Man begnügt sich mit Smalltalk.

Je mehr Men­schen sich zusam­men­fin­den, umso grö­ßer die Wahr­schein­lich­keit unglei­cher Freund­schafts­be­zie­hun­gen. Wenn wie in die­sem Bei­spiel sechs­zehn Per­so­nen an einem Tisch sit­zen, ist es recht unwahr­schein­lich, dass alle die­se Per­so­nen das glei­che Freun­d­­schafts- und Ver­trau­ens­ver­hält­nis tei­len oder alle­samt unter­ein­an­der bes­te Freun­de sind. Viel­leicht sind eini­ge sich völ­lig fremd und noch nicht ein­mal sym­pa­thisch. In der­lei Kon­stel­la­tio­nen unter­hält man sich not­ge­drun­gen nicht über all­zu Per­sön­li­ches, weil Ohren anwe­send sind, die es ver­mut­lich nichts angeht. Was man dem bes­ten Freund oder der Freun­din erzählt, das teilt man hier nicht allen mit. Der Aus­weg ist das ober­fläch­li­che Gespräch oder das seich­te Amü­se­ment. Bei­des gibt mir nichts, mit bei­dem kann ich nichts anfan­gen, bei­des ist für mich sozi­al ungenügend.

Das seich­te Amü­se­ment in der Grup­pe, der ober­fläch­li­che Spaß, das unbe­schwer­te Lachen für Zwi­schen­durch, wenn tie­fe Gesprä­che nicht zur Debat­te ste­hen und gro­ße Nähe nicht in Fra­ge kommt, ist in jenen Momen­ten, in denen es statt­fin­det, für mich so schön wie für jeden ande­ren Betei­lig­ten auch, doch neh­me ich dar­aus nichts mit. Ich habe mit Leu­ten eine schö­ne Zeit, ja, mit Freun­den gar, doch wenn ich dann nach Hau­se kom­me, bleibt in mir ein unbe­frie­di­gen­des Gefühl zurück, der Wunsch nach mehr – nicht an Quan­ti­tät, son­dern an Qualität.

Es kommt mir wie Ver­schwen­dung vor, wenn da jemand ist, mit dem ich ger­ne in die Tie­fe abtau­chen wür­de, aber es nicht kann, weil wir in einer Grup­pe gefan­gen sind, die auf der Ober­flä­che des größ­ten gemein­sa­men Tei­lers treibt. Es erscheint mir wie Ver­geu­dung von Freund­schaft, bloß Spaß mit ihnen zu haben. Ent­schei­dend ist das »bloß«. Nicht: Spaß mit ihnen zu haben, son­dern: bloß Spaß mit ihnen zu haben. Die Reduk­ti­on auf eine Dimen­si­on, wo doch so vie­le sind, wo doch so vie­le sein soll­ten. Auf die Spit­ze getrie­ben: Für Spaß allein, da rei­chen schon Bekann­te, ja sicher­lich schon Unbe­kann­te, denn es steckt Unver­bind­lich­keit und Aus­tausch­bar­keit dar­in. Die ober­fläch­li­che „gute Zeit“, der spa­ßi­ge Abend, die kurz­wei­li­ge Unter­hal­tung ver­hält sich zur wirk­li­chen guten Zeit wie die Pro­sti­tu­ier­te zur gro­ßen Lie­be, da die­se „gute Zeit“ so ein­fach, so belie­big, so auf­wands­los zu haben ist, wäh­rend die ech­te gute Zeit, die nicht in Anfüh­rungs­zei­chen steht, für mich ganz ande­re Qua­li­tä­ten hat, die Nähe, Offen­heit und Exklu­si­vi­tät vereint.

Auf der ande­ren Sei­te bleibt als Mög­lich­keit nur das ober­fläch­li­che Gespräch, das sich am Level des Freund­schafts­ver­hält­nis­ses ori­en­tiert, den die gesam­te Grup­pe gemein hat und der folg­lich meist recht klein ist. Es mün­det letzt­lich in Small­talk. Was jemand macht, was er am Tag geges­sen hat, wel­che Möbel er erwarb, wie viel Geld er ver­dient oder wel­ches Auto er fährt, das alles inter­es­siert mich nicht. Ich stel­le die­se Fra­gen nicht, weil mich die Ant­wor­ten nicht küm­mern. Gesprä­che die­ser Art beläs­ti­gen mich nicht, doch hal­te ich mich dann zurück und gebe den Beob­ach­ter, neh­me alles in mich auf und zie­he mei­ne Schlüs­se, möch­te aber nicht mitreden.

Was mich wirk­lich inter­es­siert, das ist die Per­son, wer jemand ist, und wie es dem­je­ni­gen gera­de geht. Über­haupt: Die Fra­ge, wie es jeman­dem geht – wer beant­wor­tet sie denn schon ehr­lich? Die meis­ten erzäh­len dar­auf­hin, wie sie mit ihrer Arbeit zurecht­kom­men, was das Finanz­amt von ihnen ver­langt oder dass sie sich schon wie­der einen neu­en Fern­se­her gekauft haben. Ant­wor­ten auf Fra­gen, die gar nicht gestellt wur­den, wäh­rend die gestell­ten völ­lig unbe­ant­wor­tet blei­ben. Auf die­se Fra­gen bekommt man sel­ten eine wah­re Ant­wort, noch sel­te­ner so unter Vie­len, und wenn, dann nur unter vier Augen.

Das ist die Art von Gespräch, die ich füh­ren möch­te, denn nichts ist so befrie­di­gend, erkennt­nis­reich, offen, ein­fühl­sam und ver­bin­dend wie die­se. Jedes Mal ist es für mich daher sehr ent­täu­schend, wenn jemand, mit dem ich mich ver­ab­re­det habe, plötz­lich unge­fragt noch irgend­wel­che Drit­te hin­zu­holt. Nicht bloß ist es unhöf­lich, es war auch nicht abge­macht, und hät­te ich es im Vor­aus gewusst, ich hät­te ver­mut­lich abge­sagt, nicht weil ich die Freun­de mei­ner Freun­de nicht mag, son­dern weil es die Grund­la­gen des Tref­fens maß­geb­lich ver­än­dert, denn es gewinnt dadurch an Belie­big­keit und ver­liert an poten­ti­el­ler Tie­fe, büßt Nähe ein zuguns­ten einer grö­ße­ren Teil­neh­mer­zahl und zer­stört die Zwei­sam­keit, die vor allem, aber eben nicht allein nur fürs Roman­ti­sche so wich­tig ist.

Wenn ich mich mit jeman­dem tref­fen oder gene­rell unter­hal­ten möch­te, dann tue ich das in der Regel, um den Men­schen, die ich mag, im dop­pel­ten Wort­sinn nah zu sein. Das geht nicht, wenn man unter Vie­len ist.

Als ich klein war und mir das für Kin­der nach­er­zähl­te Alte Tes­ta­ment anschau­te, das mit Radie­run­gen von Gust­ave Doré illus­triert war, sah ich den lie­ben Gott auf einer Wol­ke sit­zen. Er war ein alter Mann, hat­te Augen, eine Nase und einen lan­gen Bart, und ich sag­te mir, wenn er einen Mund hat, muß er auch essen. Und wenn er ißt, muß er auch Där­me haben. Die­ser Gedan­ke jedoch hat mich erschreckt, denn ich fühl­te, obwohl ich aus einer eher ungläu­bi­gen Fami­lie stamm­te, daß die Vor­stel­lung von gött­li­chen Där­men Blas­phe­mie ist.
Ohne jeg­li­che theo­lo­gi­sche Vor­bil­dung habe ich schon als Kind ganz spon­tan die Unver­ein­bar­keit von Schei­ße und Gott begrif­fen und folg­lich auch die Frag­wür­dig­keit der Grund­the­se christ­li­cher Anthro­po­lo­gie, nach der der Mensch als Eben­bild Got­tes geschaf­fen wur­de. Ent­we­der oder: ent­we­der wur­de der Mensch als Eben­bild Got­tes geschaf­fen und dann hat Gott Där­me, oder aber Gott hat kei­ne Där­me und der Mensch gleicht ihm nicht.
Die alten Gnos­ti­ker haben das genau­so klar gese­hen wie ich mit mei­nen fünf Jah­ren: um die­ses ver­zwick­te Pro­blem end­gül­tig zu lösen, hat Valen­tin, ein gro­ßer Meis­ter der Gno­sis im zwei­ten Jahr­hun­dert, behaup­tet: »Jesus hat geges­sen und getrun­ken, nicht aber defä­kiert.«
Die Schei­ße ist ein schwie­ri­ge­res theo­lo­gi­sches Pro­blem als das Böse. Gott hat dem Men­schen die Frei­heit gege­ben, und so kann man anneh­men, daß er nicht für die Ver­bre­chen der Mensch­heit ver­ant­wort­lich ist. Doch die Ver­ant­wor­tung für die Schei­ße trägt ein­zig und allein der­je­ni­ge, der den Men­schen geschaf­fen hat.
(Milan Kun­de­ra – Die uner­träg­li­che Leich­tig­keit des Seins)