Kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem Unaussprechlichen

Kann man schrei­ben, ohne eine Rol­le zu spie­len? Man will sich selbst ein Frem­der sein. Nicht in der Rol­le, wohl aber in der unbe­wuß­ten Ent­schei­dung, wel­che Art von Rol­le ich mir zuschrei­be, liegt mei­ne Wirk­lich­keit. Zuwei­len habe ich das Gefühl, man gehe aus dem Geschrie­be­nen her­vor wie eine Schlan­ge aus ihrer Haut. Das ist es; man kann sich nicht nie­der­schrei­ben, man kann sich nur häu­ten. Aber wen soll die­se tote Haut noch inter­es­sie­ren! Die immer wie­der ein­mal auf­tau­chen­de Fra­ge, ob denn der Leser jemals etwas ande­res zu lesen ver­mö­ge als sich selbst, erüb­rigt sich: Schrei­ben ist nicht Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Lesern, auch nicht Kom­mu­ni­ka­ti­on mit sich selbst, son­dern Kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem Unaus­sprech­li­chen. Je genau­er man sich aus­zu­spre­chen ver­möch­te, um so rei­ner erschie­ne das Unaus­sprech­li­che, das heißt die Wirk­lich­keit, die den Schrei­ber bedrängt und bewegt. Wir haben die Spra­che, um stumm zu wer­den. Wer schweigt, ist nicht stumm. Wer schweigt, hat nicht ein­mal eine Ahnung, wer er nicht ist.
(Max Frisch – Stiller)

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert