Schlagwortarchiv für: Arbeit

»Ich würde sagen, die Menge an Langeweile, falls Langeweile meßbar ist, ist heute viel größer als früher. Weil die damaligen Berufe, jedenfalls zu einem großen Teil, nicht ohne eine leidenschaftliche Neigung denkbar waren: die Bauern, die ihr Land liebten; mein Großvater, der schöne Tische zauberte; die Schuster, die die Füße aller Dorfbewohner auswendig kannten; die Förster; die Gärtner; ich vermute, sogar die Soldaten töteten damals mit Leidenschaft. Der Sinn des Lebens stand nicht in Frage, er begleitete sie, in ihren Werkstätten, auf ihren Feldern. Jeder Beruf hatte seine eigene Mentalität, seine eigene Seinsweise geschaffen. Ein Arzt dachte anders als ein Bauer, ein Soldat verhielt sich anders als ein Lehrer. Heute sind wir alle gleich, alle durch die gemeinsame Gleichgültigkeit für unsere Arbeit geeint. Diese Gleichgültigkeit ist eine Leidenschaft geworden. Die einzige große kollektive Leidenschaft unserer Zeit.«
Chantal sagte: »Aber sag mir doch: du selbst, als du Skilehrer warst, als du in Zeitschriften über Innenarchitektur geschrieben hast oder später über Medizin, oder als du als Zeichner in einer Tischlerei gearbeitet hast …«
»… ja, das habe ich am liebsten gemacht, aber es ist nicht gelaufen …«
»… oder als du arbeitslos warst und gar nichts getan hast, da hättest du dich doch auch langweilen müssen!«
»Alles hat sich verändert, als ich dich kennengelernt habe. Nicht, weil meine kleinen Arbeiten spannender geworden sind. Sondern weil ich alles, was um mich herum geschieht, in Stoff für unsere Gespräche verwandle.«
»Wir könnten von etwas anderem sprechen!«
»Zwei Menschen, die sich lieben, allein, von der Welt abgeschieden, das ist sehr schön. Aber womit würden sie ihr Tête-à-Tête ausfüllen? So verächtlich die Welt auch sein mag, sie brauchen sie, um miteinander reden zu können.«
Milan Kundera – Die Identität

»Vergiß nicht, ich habe zwei Gesichter. Ich habe gelernt, eine gewisse Freude daran zu haben, aber trotzdem ist es nicht leicht, zwei Gesichter zu haben. Das erfordert Anstrengung, das erfordert Disziplin! Du mußt verstehen, daß ich alles, was ich, gern oder ungern, tue, mit dem Ehrgeiz tue, es gut zu machen. Und sei es nur, um meine Stelle nicht zu verlieren. Es ist sehr schwer, perfekt zu arbeiten und diese Arbeit gleichzeitig zu verachten.«
»Oh, du kannst es, du bist dazu imstande, du bist genial«, sagt Jean-Marc.
»Ja, ich kann zwei Gesichter haben, aber ich kann sie nicht gleichzeitig haben. Bei dir habe ich das Gesicht, das sich lustig macht. Wenn ich im Büro bin, trage ich das seriöse Gesicht. Ich bekomme die Unterlagen der Leute vorgelegt, die sich bei uns um eine Stelle bewerben. Ich muß sie empfehlen oder ein negatives Votum abgeben. Manche drücken sich in ihrem Brief in einer so perfekt modernen Sprache aus, mit all den Klischees, mit dem Jargon, mit dem ganzen obligatorischen Optimismus. Ich brauche sie nicht zu sehen oder mit ihnen zu sprechen, um sie zu verabscheuen. Ich weiß aber, daß sie gut und eifrig arbeiten werden. Und dann gibt es jene, die sich unter anderen Umständen sicherlich der Philosophie, der Kunstgeschichte, dem Französischunterricht gewidmet hätten, heute aber, in Ermangelung von etwas Besserem, fast aus Verzweiflung, suchen sie bei uns Arbeit. Ich weiß, daß sie die Stelle, um die sie sich bewerben, insgeheim verachten und daß sie also meine Brüder sind. Und ich muß entscheiden.«
»Und wie entscheidest du?«
»Einmal empfehle ich den, der mir sympathisch ist, einmal den, der gut arbeiten wird. Ich handle halb als Verräter an meiner Firma, halb als Verräter an mir selbst. Ich bin ein doppelter Verräter. Und diesen doppelten Verrat betrachte ich nicht als Niederlage, sondern als tolle Leistung. Wie lange denn werde ich noch in der Lage sein, meine zwei Gesichter zu wahren? Das ist sehr anstrengend. Der Tag wird kommen, an dem ich nur ein einziges Gesicht haben werde. Das schlechtere von beiden natürlich. Das seriöse. Das zustimmende. Wirst du mich dann noch lieben?«
Milan Kundera – Die Identität

Warum der Arbeit nachlaufen? Da steht man vor dem, der die Arbeit zu vergeben hat, und wird behandelt wie ein zudringlicher Bettler. »Ich habe jetzt keine Zeit, kommen Sie später wieder.« Wenn der Arbeiter aber einmal sagt: »Ich habe jetzt keine Zeit oder keine Lust, für Sie zu arbeiten«, dann ist es Revolution, Streik, Rüttelung an den Fundamenten des Gemeinwohls, und die Polizei kommt, und ganze Regimenter von Miliz rücken an und stellen Maschinengewehre auf. Fürwahr, es ist manchmal weniger beschämend, um Brot zu betteln, als um Arbeit zu fragen. Aber kann der Skipper seinen Eimer allein fahren, ohne den Arbeiter? Kann der Ingenieur seine Lokomotiven allein bauen, ohne den Arbeiter? Aber der Arbeiter hat mit dem Hute in der Hand um Arbeit zu betteln, muß dastehen wie ein Hund, der geprügelt werden soll, muß zu dem blöden Witz, den der Arbeitvergebende macht, lachen, obgleich ihm gar nicht zum Lachen zumute ist, nur um den Skipper oder den Ingenieur oder den Meister oder den Vorarbeiter oder wer immer das Machtwort ›Sie werden eingestellt!‹ zu sagen die Befugnis hat, bei guter Laune zu halten.
Wenn ich so untertänig um Arbeit betteln muß, um sie zu erhalten, kann ich auch um übriggebliebenes Mittagessen in einem Gasthof betteln. Der Hotelkoch behandelt mich nicht so wegwerfend, wie mich schon Leute behandelt haben, bei denen ich um Arbeit nachfragte.
B. Traven – Das Totenschiff

Arbeit verhöhnt die Freiheit. Offiziell können wir uns glücklich schätzen, von Rechtsstaat und Demokratie umgeben zu sein. Andere arme Unglückliche, die nicht so frei sind wie wir, müssen in Polizeistaaten leben. Diese Opfer folgen Befehlen, egal wie willkürlich sie sind. Die Behörden halten sie unter dauernder Aufsicht. Staatsbeamte kontrollieren sogar kleinste Details ihres Alltagslebens. Die Bürokraten, die sie herumschubsen, müssen sich nur nach oben verantworten, in öffentlichen wie in Privat-Angelegenheiten. So und so werden Abweichung und Auflehnung bestraft. Regelmäßig leiten Informanten Berichte an die Behörden weiter. Das alles gilt als sehr schlecht.
Und das ist es auch, obwohl es nichts weiter darstellt als eine Beschreibung eines modernen Arbeitsplatzes. Die Liberalen und Konservativen und Freiheitlichen, die sich über Totalitarismus beschweren, sind Schwindler und Heuchler. (…) In einem Büro oder einer Fabrik herrscht dieselbe Art von Hierarchie und Disziplin wie in einem Kloster oder einem Gefängnis. Tatsächlich haben Foucault und andere gezeigt, daß Gefängnisse und Fabriken etwa zur gleichen Zeit aufkamen, und ihre Betreiber entliehen sich bewußt Kontrolltechniken voneinander. Ein Arbeiter ist ein Teilzeitsklave. Der Chef sagt, wann es losgeht, wann gegangen werden kann und was in der Zwischenzeit getan wird. Er schreibt vor, wieviel Arbeit zu erledigen ist und mit welchem Tempo. Es steht ihm frei, seine Kontrolle bis in demütigende Extreme auszuweiten, indem er festlegt (wenn ihm danach ist), welche Kleidung vorgeschrieben wird und wie oft die Toilette aufgesucht werden darf. Mit wenigen Ausnahmen kann er jeden aus jedem Grund feuern, oder auch ohne Grund. Er läßt bespitzeln und nachschnüffeln, er legt Akten über jeden Angestellten an. Widersprechen heißt „Unbotmäßigsein“, als wäre der Arbeiter ein ungezogenes Kind, und es sorgt nicht nur für sofortige Entlassung, es verringert auch die Chancen auf Arbeitslosenunterstützung. Ohne es unbedingt gutzuheißen, ist es wichtig anzumerken, daß Kinder zu Hause und in der Schule die gleiche Behandlung erfahren, bei ihnen durch die angenommene Unreife gerechtfertigt. Was sagt uns das über ihre Eltern und Lehrer, die arbeiten?
(Bob Black – Die Abschaffung der Arbeit; im Original: The Abolition of Work)

Wenn ich fünfundzwanzig Jahre lang keinen Cent ausgäbe, jede Monatsheuer sorgfältig auf die andre legte, während der ganzen Zeit nie ohne Arbeit wäre, dann könnte ich nach Ablauf jener fünfundzwanzig Jahre unermüdlichen Arbeitens und Sparens mich zwar nicht zur Ruhe setzen, könnte aber nach weiteren fünfundzwanzig Jahren Arbeitens und Sparens mich mit einigem Stolz zur untersten Schicht der Mittelklasse zählen. Zu jener Schicht, die sagen darf: Gott sei gelobt, ich habe einen kleinen Notpfennig auf die Seite gelegt für Regentage. Und da diese Volksschicht jene gepriesene Schicht ist, die den Staat in seinen Fundamenten erhält, so würde ich dann ein wertvolles Mitglied der menschlichen Gesellschaft genannt werden können. Dieses Ziel erreichen zu können, ist fünfzig Jahre Sparens und Arbeitens wert. Das Jenseits hat man sich dann gesichert und das Diesseits für andre.
(B. Traven – Das Totenschiff)

Das Gegenteil von Arbeit ist nicht bloß Faulheit. (…) So sehr ich das Vergnügen der Trägheit schätze, ist sie doch wohl am lohnendsten, wenn sie anderen Genuß und Zeitvertreib unterbricht. Genausowenig werbe ich für das gelenkte und zeitlich festgelegte Notventil namens „Freizeit“; nichts läge mir ferner. Freizeit ist Nicht-Arbeit zum Nutzen der Arbeit. Freizeit ist die Zeit, die man damit verbringt, sich von der Arbeit zu erholen und verzweifelt zu versuchen, die Arbeit zu vergessen. Viele Leute kommen aus den Ferien so zerschlagen wieder, daß sie sich darauf freuen, wieder arbeiten zu gehen. Der wesentliche Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit besteht darin, daß man bei der Arbeit wenigstens für die Entfremdung und Entnervung bezahlt wird. (…)
Tun wir mal für einen Moment so, als würde Arbeit aus Leuten keine verblödeten Untertanen machen. Tun wir auch so, entgegen jeder nachvollziehbaren Psychologie und der Ideologie ihrer Förderer, daß sie keinen Effekt auf die Charakterbildung hat. Und tun wir so, als wäre Arbeit nicht so langweilig und ermüdend und entwürdigend, wie sie es ist. Auch dann würde sie alle humanistischen und demokratischen Bemühungen verspotten, einfach weil sie so viel Zeit beansprucht. Sokrates beharrte, daß Handarbeiter schlechte Freunde und schlechte Staatsbürger abgäben, da ihnen die Zeit mangele, die Verantwortlichkeiten einer Freundschaft und ihrer Staatsbürgerschaft auszufüllen. Er hatte Recht. Wegen der Arbeit schauen wir dauernd auf die Uhr. Das einzig „freie“ an der sogenannten Freizeit ist, daß sie den Boss von der Lohnfortzahlung befreit. Die Freizeit wird hauptsächlich genutzt, um sich auf die Arbeit vorzubereiten, zur Arbeit zu gehen, von der Arbeit zu kommen und sich von ihr zu erholen. Freizeit ist ein Euphemismus für die besondere Art, mit der die Arbeitskraft als ein Produktionsfaktor nicht nur sich selbst zum und vom Arbeitsplatz transportiert, sondern auch die Hauptverantwortung für die eigene Versorgung und Wiederherstellung übernimmt.
(Bob Black – Die Abschaffung der Arbeit; im Original: The Abolition of Work)

Sag ja zum Leben, sag ja zum Job, sag ja zur Karriere, sag ja zur Familie. Sag ja zu einem pervers großen Fernseher. Sag ja zu Waschmaschinen, Autos, CD-Playern und elektrischen Dosenöffnern. Sag ja zur Gesundheit, niedrigem Cholesterinspiegel und Zahnzusatzversicherung. Sag ja zur Bausparkasse, sag ja zur ersten Eigentumswohnung, sag ja zu den richtigen Freunden. Sag ja zur Freizeitkleidung mit passenden Koffern, sag ja zum dreiteiligen Anzug auf Ratenzahlung in hunderten von Scheiß-Stoffen. Sag ja zu Do-It-Yourself und dazu, auf deiner Couch zu hocken und dir hirnlähmende Gameshows reinzuziehen und dich dabei mit scheiß Junkfraß vollzustopfen. Sag ja dazu, am Schluss vor dich hinzuverwesen, dich in einer elenden Bruchbude vollzupissen und den missratenen Ego-Ratten von Kindern, die du gezeugt hast, damit sie dich ersetzen, nur noch peinlich zu sein. Sag ja zur Zukunft, sag ja zum Leben. (…) Bald bin ich genau wie ihr: Job, Familie, pervers großer Fernseher, Waschmaschine, Auto, CD und elektrischer Dosenöffner, Gesundheit, niedriger Cholesterinspiegel, Krankenversicherung, Eigenheim-Finanzierung, Freizeitkleidung, dreiteiliger Anzug, Heimwerkertum, Gameshow, Junkfraß, Kinder, Spazierengehen im Park, geregelte Arbeitszeit, Fitnesscenter, Autowaschen, ‘ne Menge Pullover, traute Weihnacht mit der Familie, inflationssichere Rente, Steuerfreibeträge, Abfluss sauber machen, über die Runde kommen, mich auf den Tag freuen, an dem ich sterbe.
(Trainspotting)

Niemand sollte jemals arbeiten.
Arbeit ist die Ursache nahezu allen Elends in der Welt. Fast jedes erdenkliche Übel geht aufs Arbeiten oder auf eine fürs Arbeiten eingerichtete Welt zurück. Um das Leiden zu beenden, müssen wir aufhören zu arbeiten.
Das bedeutet nicht, daß wir aufhören sollten, Dinge zu tun. Vielmehr sollten wir eine neue Lebensweise schaffen, der das Spielen zugrundeliegt; sozusagen eine spielerische Revolution.
Spielerisches Leben ist völlig inkompatibel zur bestehenden Wirklichkeit. Das sagt alles über die „Wirklichkeit“, das Schwerkraftloch, das dem Wenigen im Leben, das es noch vom bloßen Überleben unterscheidet, die Lebenskraft absaugt. Seltsamerweise – oder vielleicht auch nicht – sind alle alten Ideologien konservativ, weil sie an die Arbeit glauben.
Die Liberalen fordern ein Ende der Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. Ich fordere ein Ende des Arbeitsmarktes. Die Konservativen unterstützen das Recht auf Arbeit. Mit Karl Marx‘ eigensinnigem Schwiegersohn Paul Lafargue unterstütze ich das „Recht auf Faulheit“. So wie die Surrealisten – abgesehen davon, daß ich es ernst meine – fordere ich volle Arbeitslosigkeit. Die Trotzkisten agitieren für die permanente Revolution. Ich agitiere für permanentes Feiern. Aber wenn alle Ideologen die Arbeit verteidigen, was sie ja tun, und das nicht nur, weil sie andere dazu bringen wollen, ihren Teil mitzumachen, geben sie es doch ungern zu. Sie führen endlose Debatten über Löhne, Arbeitsstunden, Arbeitsbedingungen, Ausbeutung, Produktivität und Gewinnchancen. Sie reden gern über alles – außer über die Arbeit selbst. Diese Experten, die sich anbieten, uns das Denken abzunehmen, teilen selten ihre Erkenntnisse über die Arbeit mit uns, trotz der Bedeutung für unser aller Leben. Untereinander streiten sie sich ein bißchen über die Einzelheiten. (…) All diese Ideologen haben ernste Differenzen über die Verteilung der Macht. Genauso klar ist, daß sie der Macht als solcher nicht widersprechen und daß sie uns alle am Arbeiten halten wollen.
Die Entwürdigung, die die meisten Arbeitenden bei ihren Jobs erleben, entspringt der Summe der verschiedensten Demütigungen, die unter dem Begriff „Disziplin“ zusammengefaßt werden können. Foucault hat dieses Phänomen komplexer dargestellt, aber es ist eigentlich ganz einfach. Disziplin besteht aus der Absolutheit der totalitären Kontrolle am Arbeitsplatz – Überwachung, Fließband, vorgegebenes Arbeitstempo, Produktionsziffern, Stechuhr usw. Disziplin ist das, was Fabrik, Büro und Geschäft mit dem Gefängnis, der Schule und dem Irrenhaus gemein haben. Es ist etwas historisch Einzigartiges und Furchtbares. Es überstieg die Fähigkeiten solch teuflischer Diktatoren wie weiland Nero oder Dschingis Khan oder Iwan des Schrecklichen. So schlecht ihre Absichten auch gewesen sein mögen, ihnen fehlte die Maschinerie, um ihre Untertanen so gründlich zu kontrollieren, wie es moderne Despoten vermögen. Disziplin ist die charakteristisch moderne Funktionsweise der gesellschaftlichen Kontrolle, es ist ein innovatives Eintrichtern, gegen das bei der ersten sich bietenden Gelegenheit eingeschritten werden muß.
So steht es mit der Arbeit. Spielen ist das gerade Gegenteil. Spielen ist immer freiwillig. Was ansonsten Spiel wäre, wird zur Arbeit, sobald es erzwungen wird.
Wir haben jetzt die Möglichkeit, die Arbeit abzuschaffen und den notwendigen Anteil Arbeit durch eine Vielfalt an neuen freien Aktivitäten zu ersetzen. Die Abschaffung der Arbeit erfordert eine Annäherung von zwei Seiten, einer quantitativen und einer qualitativen. Auf der einen, der quantitativen Seite, müssen wir die Menge geleisteter Arbeit massiv reduzieren. Gegenwärtig ist die meiste Arbeit einfach nutzlos und wir sollten sie loswerden. Auf der anderen Seite – und ich denke, diese qualitative Annäherung ist der Knackpunkt und der wirklich revolutionäre Aufbruch – müssen wir die wenige nutzbringende Arbeit in verschiedenste spielerische und handwerkliche Freuden verwandeln, nicht unterscheidbar von anderen freudvollen Tätigkeiten, außer dadurch, daß sie nebenbei nützliche Endprodukte hervorbringen. Das sollte sie aber keinesfalls weniger verlockend machen. In der Folge könnten alle künstlichen Schranken von Macht und Besitz fallen. Schöpfung wäre nicht mehr Erschöpfung. Und wir könnten alle aufhören, voreinander Angst zu haben.
Ich unterstelle nicht, daß diese Verwandlung bei jeder Art von Arbeit möglich ist. Aber dann ist die meiste Arbeit auch nicht wert, erhalten zu werden. Nur ein kleiner und sich noch verkleinernder Ausschnitt der Arbeitswelt dient letztlich einem Zweck, den nicht erst die Verteidigung und Reproduktion des Arbeitssystems und seiner politischen und rechtlichen Anhängsel nötig machen (…): die meiste Arbeit dient direkt oder indirekt der wirtschaftlichen oder sozialen Kontrolle. Es wäre also einfach so möglich, Millionen von Verkäufern, Soldaten, Managern, Polizisten, Börsianern, Priestern, Bankiers, Anwälten, Lehrern, Vermietern, Wachen und Werbeleuten von der Arbeit zu befreien, nebst allen, die für sie arbeiten.
(Bob Black – Die Abschaffung der Arbeit; im Original: The Abolition of Work)

Viel liest man über die negativen Auswirkungen, die es haben kann, füttert man soziale Netzwerke, die eigene Homepage oder Blogs mit persönlichen Informationen. Wenngleich vieles davon auch zutreffend ist und die optimierte Selbstinszenierung oder Öffentlichmachung intimster Details bisweilen ins Pathologische abdriftet, so ist ein immer wieder erwähnter Punkt doch unter Umständen auch nützlich: Schnüffelei durch den aktuellen oder einen potentiellen Arbeitgeber.

Das Profil in sozialen Netzwerken, die eigene Homepage und Aussagen in Blogs werden mit der Schere im Kopf verfasst oder in vorauseilendem Gehorsam zensiert, um der Angst zu begegnen, der tatsächliche oder potentielle Arbeitgeber könnte Details über Privatleben, politische oder sexuelle Orientierung, Vorlieben und Abneigungen oder persönliche Meinungen erfahren und als – natürlich inoffizielle – Grundlage für negative Konsequenzen heranziehen, sei es das Ablehnen einer Bewerbung und Nichteinstellung, das Übergehen bei einer Beförderung oder in Extremfällen die Kündigung. Warum?

Genauso, wie diese dreiste Schnüffelei durch wenig Vertrauen verdienende Unternehmen, denen das Privatleben ihrer Mitarbeiter, solange es die Arbeit selbst nicht beeinträchtigt, nicht Grund für negative Sanktionen sein darf, soll und muss, in die eine Richtung funktioniert, wirkt sie auch in die andere, nämlich als vorzüglicher Arbeitgeberfilter. Möchte man für eine Firma arbeiten, die herumschnüffelt und einen Menschen nicht einstellt, weil er persönliche, vielleicht sogar peinliche Partyfotos in ein soziales Netzwerk geladen hat? Möchte man für eine Firma arbeiten, die eine politische Meinung jenseits der eigens propagierten als Knock-Out-Kriterium betrachtet? Wenn man nicht eingestellt wird, weil man sich in dieser oder jener Organisation engagiert, ist das dann, abseits vom Ökonomischen, wirklich ein Grund zur Trauer oder nicht eher zur Freude darüber, dass man nicht Teil eines Unternehmen mit solchen Praktiken geworden ist? Was für ein Zustand ist das, wenn man vorsichtig sein muss, welche politischen oder persönlichen Aussagen man trifft?

„Selbst schuld“, hört man süffisant von denjenigen, die sich entsprechend solcher an sie gestellten Erwartungen zensieren und die eigene Persönlichkeit demütig verstecken. „Selbst schuld“, kann man ihnen eigentlich nur antworten.

Zugweisheiten – Gesammeltes aus dem ÖPNV. Repräsentative Zitate, die die gesamte Gesellschaft widerspiegeln.

Moderne Kommunikationsmittel:

Du bist ja im ICQ auch immer away…
– Jo klar, ich bin auch so ein Away-Faker. Nur ‘online’ ist irgendwie Scheiße. Das macht so einen Noob-Eindruck, die kennen nur ‘ein’ und ‘aus’.

Siehe da, die Situation am Lohnsklavenmarkt scheint sich deutlich verändert zu haben:

Ich hab’ jetzt eine Bewerbung abgeschickt. Wenn die mich nich’ nehmen, bin ich voll im Arsch, dann reicht die Zeit nich’ mehr für noch ‘ne Bewerbung…

Oder ist das Gegenteil der Fall und der Kampf um Arbeitsplätze wird immer härter?

Ich würde ja echt gerne mal mit ‘ner Walther PPK bei uns durch die Abteilung gehen…
– Ja, ja, das sind so Allmachtsphantasien…
Nein, das wäre eine gute Methode zur Effizienzsteigerung der Firma.

In dieser Frage wird weitere empirische Forschung nötig sein.