Schlagwortarchiv für: Denken

Den­ken heißt zer­stö­ren. Der Denk­vor­gang opfert den Gedan­ken, denn Den­ken heißt aus­ein­an­der­neh­men. Könn­ten die Men­schen das Geheim­nis des Lebens sin­nend erfah­ren, könn­ten sie die tau­send Ver­stri­ckun­gen erah­nen, die der See­le bei der gerings­ten Regung dro­hen, sie wür­den nicht einen Fin­ger rüh­ren, geschwei­ge­denn leben. Sie wür­den vor Schreck ver­ge­hen, wie all jene, die Selbst­mord bege­hen, um nicht anderen­tags unter der Guil­lo­ti­ne zu enden.
(Fer­nan­do Pes­soa – Das Buch der Unruhe)

Um ver­ste­hen zu kön­nen, habe ich mich zer­stört. Ver­ste­hen heißt das Lie­ben ver­ges­sen. Ich ken­ne nichts, was zugleich fal­scher und bedeut­sa­mer wäre als der Aus­spruch Leo­nar­do da Vin­cis, dem­nach wir etwas nur lie­ben oder has­sen kön­nen, wenn wir es ver­stan­den haben.
Fer­nan­do Pes­soa – Das Buch der Unruhe

Die Welt gehört dem, der nicht fühlt. Die Grund­vor­aus­set­zung, um ein prak­ti­scher Mensch zu wer­den, ist ein Man­gel an Sen­si­bi­li­tät. Die bes­te Vor­be­din­gung für die Pra­xis des Lebens ist die Trieb­kraft, die zum Han­deln führt, das heißt der Wil­le. Nun gibt es aber zwei Din­ge, die das Han­deln beein­träch­ti­gen – die Sen­si­bi­li­tät und das ana­ly­ti­sche Den­ken, das letzt­lich nichts ande­res ist als ein Den­ken mit Sen­si­bi­li­tät. Jedes Han­deln ist sei­ner Natur nach die Pro­jek­ti­on der Per­sön­lich­keit auf die Außen­welt, und da die Außen­welt zur Haupt­sa­che von mensch­li­chen Wesen bestimmt wird, folgt dar­aus, daß die­se Pro­jek­ti­on der Per­sön­lich­keit vor allem bedeu­tet, daß wir uns auf dem Weg unse­rer Mit­men­schen quer­le­gen, ihn hin­der­lich gestal­ten und sie je nach Art unse­res Vor­ge­hens ver­let­zen und erdrücken.
Fer­nan­do Pes­soa – Das Buch der Unruhe