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Der Erfolg der »Realisten« beruht nicht nur auf ihrer Kunst, sich als Führer unentbehrlich zu machen, sondern auch auf der Natur des Gehorsams jener, die solche Führer benötigen, um ihr Selbst abgeben zu können. Deren Bedürfnis nach Anpassung richtet ihr gesamtes Sein danach aus, daß sie Regeln erfüllen. Sie hängen an den Buchstaben des Gesetzes und der Verordnungen und zerstören so die Realität unserer Gefühlswelt. Auf diese Weise brauchen sie ihre eigenen zerstörerischen Impulse nicht zu erkennen. Sie finden oft ihren Ort in der Bürokratie, wo sie im Namen von Gesetz und Ordnung Gefühle niederwalzen und sich selbst dabei völlig im Recht fühlen können.
Diese Konformisten sind die Fußsoldaten der psyopathischen Führernaturen und helfen ihnen, die Welt in den Abgrund zu treiben. Diese Kollaboration erst macht die Lage so bedrohlich. 1940 schrieb ein Beamter des deutschen Justizministeriums an seinen Minister im Hinblick auf die Euthanasie, daß dieser doch seinen ganzen Einfluß geltend machen solle, um endlich dem gesetzlosen Töten von Geisteskranken und Behinderten eine gesetzliche Basis zu geben. Die Ehre der gesamten Justiz stehe auf dem Spiel.
Das Gewissen bedeutet hier nichts, einzig die Gewissenhaftigkeit, wie Roland Kirbach diese Haltung bitter kommentierte. Die Bereitschaft, die Regeln höher zu achten als das Leben, macht die unheilige Allianz von Konformist und Psychopath möglich.
(Arno Gruen – Der Wahnsinn der Normalität)