Schlagwortarchiv für: Liebe

I want someone who is fier­ce and will love me until death and know that love is as strong as death, and be on my side for ever and ever. I want someone who will des­troy and be des­troy­ed by me. The­re are many forms of love and affec­tion, some peo­p­le can spend their who­le lives tog­e­ther wit­hout kno­wing each other’s names. Naming is a dif­fi­cult and time-con­sum­ing pro­cess; it con­cerns essen­ces, and it means power. But on wild nights who can call you home? Only the one who knows your name. Roman­tic love has been diluted into paper­back form and has sold thou­sands and mil­li­ons of copies. Some­whe­re it is still in the ori­gi­nal, writ­ten on tablets of stone. I would cross seas and suf­fer sun­stro­ke and give away all I have, but not for a man, becau­se they want to be the des­troy­er and never be des­troy­ed. That is why they are unfit for roman­tic love. The­re are excep­ti­ons and I hope they are happy.
(Jea­nette Win­ter­son – Oran­ges Are Not The Only Fruit)

Lie­be soll bekannt­lich Ber­ge ver­set­zen kön­nen, doch manch­mal schei­tert sie bereits an einem Kie­sel­stein. Seit knapp sechs Mona­ten waren sie ein Paar. Sie hat­ten sich in einem Bis­tro ken­nen­ge­lernt, die Num­mern getauscht und bald dar­auf eini­ge Dates gehabt. Es war ihr Lachen, in das er sich zuerst ver­liebt hat, und ihr gefiel, wie er sich gab. An einem küh­len Diens­tag im Dezem­ber, kurz vor ihrem halb­jäh­ri­gen Jubi­lä­um, sag­te er zu ihr: „Du bist die, nach der ich gesucht habe“. Dann ging er zur Arbeit. Auf dem Nach­hau­se­weg wür­de er ihr Blu­men mit­brin­gen, ein­fach so, weil er wuss­te, wie sehr sie sich doch jedes Mal dar­über freu­te. Sie war die Frau, mit der er alt wer­den, eine Fami­lie grün­den woll­te, und er lieb­te sie von gan­zem Herzen.

Sie hin­ge­gen saß noch eine Wei­le am Küchen­tisch sei­ner Woh­nung, in der sie über­nach­tet hat­te, und dach­te über sei­ne Wor­te nach. Was woll­te er ihr damit sagen? Er hat­te sie gesucht. Woher woll­te er das wis­sen? Wenn sie bei­de in einem Jahr nicht mehr zusam­men wären, so wäre sie für ihn wohl nicht mehr die Gesuch­te. Nie gewe­sen. Dann wäre es eine neue. Such­te er also immer, was er gera­de gefun­den hat­te? Was für eine beque­me Lebens­phi­lo­so­phie! Sucht man nach Gold und fin­det bloß Eisen, so dekla­riert man die­se Suche ein­fach um. Schon immer habe man nach Eisen gesucht, sagt man dann. Etwas ande­res als Eisen wol­le man gar nicht haben, behaup­tet man mit erns­ter Mie­ne. Das Eisen wür­de sich geschmei­chelt füh­len, wäre es zu Emo­tio­nen in der Lage, und es wür­de nie infra­ge stel­len, ob die Suche wirk­lich ihm galt. Eine ange­neh­me Illu­si­on mit einer har­ten Wahr­heit auf die Pro­be stel­len? Nein!

War sie etwa sein Eisen? Er hat­te sie gefun­den, das stand außer Fra­ge, aber hat­te er sie auch gesucht? Sie? Wirk­lich sie? Sie begann zu zwei­feln. Er hat­te ihr nie erzählt, wie sei­ne Freun­din­nen vor ihr gewe­sen sind. Pass­te sie in ein Mus­ter, frag­te sie sich. Dann hat­te er viel­leicht wirk­lich nach ihr gesucht und alle Frau­en vor ihr waren fehl­ge­schla­ge­ne Ver­su­che in einer Art von Annä­he­rungs­ver­fah­ren. Bloß woher soll­te sie dann wis­sen, wirk­lich am Ende die­ser Suche zu ste­hen. War es nicht viel wahr­schein­li­cher, dass auch sie nur eine Annä­he­rung an die Frau war, die er wirk­lich such­te? Sie hat­te Eigen­schaf­ten, die er nicht moch­te. Was soll­te ihr das bedeu­ten? War sie von die­ser Frau, die er such­te, so weit ent­fernt? Er nahm sie hin, die­se Eigen­schaf­ten, sehr gedul­dig sogar, aber tat er das viel­leicht nicht nur, weil es bes­ser ist, anstel­le gar kei­ner wenigs­tens eine hal­be Ver­si­on der Frau zu haben, die man sucht? War sie eine Kom­pro­miss­lö­sung, ein Zwi­schen­schritt in der Evo­lu­ti­on sei­ner Beziehungen?

Was wäre wie­der­um, wenn sie und die Frau­en sei­ner frü­he­ren Bezie­hun­gen nicht in ein sol­ches Mus­ter pass­ten? Dann wäre sei­ne Aus­wahl doch recht belie­big. Sie wäre nicht ein­mal ein evo­lu­tio­nä­rer Zwi­schen­schritt auf dem Weg zu der von ihm gesuch­ten Frau, son­dern aus­tausch­bar. Völ­lig aus­tausch­bar. Wenn er wirk­lich sie gesucht hät­te, war­um wäre er dann mit Frau­en zusam­men gewe­sen, die ihr so unähn­lich waren? Da gab es kei­ne Linie, kei­ne Annä­he­rung, nur aus­tausch­ba­re Part­ner. Jede hat­te er gefun­den. Hat­te er auch jede gesucht? Hat­te er über­haupt eine von ihnen gesucht?

Was soll­te das über­haupt hei­ßen, sie sei die, nach der er gesucht habe? Er sprach in der Ver­gan­gen­heit. Wenn es also stim­men soll­te, hie­ße es dann, er such­te sie gar nicht mehr? Glaub­te er, er hat­te sie gefun­den? Ein­mal, und dann für immer und ewig? Wenn man etwas fin­det, hört man auf, danach zu suchen, dach­te sie. Wenn man weiß, wo etwas liegt, beach­tet man es kaum, es liegt dort schließ­lich immer. Nahm er sie also für selbst­ver­ständ­lich? Er hat­te sie gefun­den und nun war die Suche vor­bei. Sie war für ihn nichts mehr, das er erkun­den woll­te. Konn­te das sein? War das nicht gera­de das Gegen­teil von Lie­be, jeman­den ein­mal zu fin­den und dann auf­zu­hö­ren, in ihm zu suchen – nach ihm selbst. „Ich habe dich gefun­den“ redu­zier­te doch die Lie­be auf „Ich möch­te, dass du für immer so bleibst“. Das war kei­ne Lie­be. Jeman­den zu fin­den, ein für alle Mal, das ist unmög­lich, so wie es doch unmög­lich ist, sich jemals selbst zu fin­den, ohne sich dabei zu ver­lie­ren. In der Suche steckt die Lie­be und in der Suche steckt die Selbst­er­kennt­nis. Wer fin­det, der hat nichts mehr zu ent­de­cken, mit dem Fin­den stirbt das Leben, das Stre­ben und die Lie­be. Wie also konn­te er allen Erns­tes behaup­ten, er habe sie gefun­den? Sie kann­ten sich doch gera­de erst ein hal­bes Jahr! Wie ver­mes­sen es war, bereits nach die­ser kur­zen Zeit nichts mehr an ihr ent­de­cken zu wol­len. Er war fer­tig mit ihr, dach­te sie. Schade.

Sie pack­te alles ein, was ihr gehör­te, und ver­ließ sei­ne Woh­nung. Dies­mal wür­de er sie suchen, ja, aber fin­den wür­de er sie nicht mehr.

Geliebt wirst du ein­zig, wo du schwach dich zei­gen darfst, ohne Stär­ke zu provozieren.
(Theo­dor W. Ador­no – Mini­ma Moralia)

Das Ende des Jah­res. Mit eini­gen Freun­den und Bekann­ten ging ich auf eine der vie­len Sil­ves­ter­par­tys in die­ser Nacht und die Stim­mung war super. Irgend­wann im Lau­fe des Abends saß ich mit eini­gen Leu­ten her­um und unter­hielt mich mit ihnen. Ein Freund aus frü­he­ren Zei­ten, den wir zufäl­lig dort getrof­fen hat­ten, sah uns dasit­zen, kam zu mir her­über und meinte:

„Willst du dich nicht ran­ma­chen? Irgend­ei­ne kriegt man auf jeden Fall…“

Das Inter­es­san­te an sei­ner Aus­sa­ge ist unter ande­rem, dass er Recht hat. Irgendeine(n) fin­det man bei sol­chen Gele­gen­hei­ten auf jeden Fall, wenn man das möch­te. Je spä­ter der Abend, des­to höher die Wahr­schein­lich­keit – das liegt nicht ein­mal haupt­säch­lich am Alko­hol. Und ohne Fra­ge ist das auch völ­lig legi­tim, wenn bei­de Sei­ten nur genau das erwar­ten: Irgendeine(n).

Für mich war die­ser Kom­men­tar jedoch einer jener Momen­te, in denen mir klar wird, dass das, was er aus­drück­te, nicht mei­ne Welt ist. Und dass ich nicht irgend­ei­ne möchte.

Unser Bewusst­sein hat sich im Lau­fe eini­ger Jahr­hun­der­te sehr ver­än­dert, unser Gefühls­le­ben sehr viel weni­ger. Daher eine Dis­kre­panz zwi­schen unse­rem intel­lek­tu­el­len und unse­rem emo­tio­na­len Niveau. Die meis­ten von uns haben so ein Paket mit fleisch­far­be­nem Stoff, näm­lich Gefüh­le, die sie von ihrem intel­lek­tu­el­len Niveau aus nicht wahr­ha­ben wol­len. Es gibt zwei Aus­we­ge, die zu nichts füh­ren; wir töten unse­re pri­mi­ti­ven und also unwür­di­gen Gefüh­le ab, soweit als mög­lich, auf die Gefahr hin, daß dadurch das Gefühls­le­ben über­haupt abge­tö­tet wird, oder wir geben unse­ren unwür­di­gen Gefüh­len ein­fach einen ande­ren Namen. Wir lügen sie um. Wir eti­ket­tie­ren sie nach dem Wunsch unse­res Bewusst­seins. Je wen­di­ger unser Bewusst­sein, je bele­se­ner, um so zahl­rei­cher und um so nobler unse­re Hin­ter­tü­ren, um so geist­vol­ler die Selbst­be­lü­gung! Man kann sich ein Leben lang damit unter­hal­ten, und zwar vor­treff­lich, nur kommt man damit nicht zum Leben, son­dern unwei­ger­lich in die Selbst­ent­frem­dung. (…) Es ist merk­wür­dig, was sich uns, sobald wir in der Selbst­über­for­de­rung und damit in der Selbst­ent­frem­dung sind, nicht alles als Gewis­sen anbie­tet. Die inne­re Stim­me, die berühm­te, ist oft genug nur die koket­te Stim­me eines Pseu­do-Ich, das nicht dul­det, daß ich es end­lich auf­ge­be, daß ich mich selbst erken­ne, und es mit allen Lis­ten der Eitel­keit, nöti­gen­falls sogar mit Falsch­mel­dun­gen aus dem Him­mel ver­sucht, mich an mei­ne töd­li­che Selbst­über­for­de­rung zu fes­seln. Wir sehen wohl unse­re Nie­der­la­ge, aber begrei­fen sie nicht als Signa­le, als Kon­se­quen­zen eines ver­kehr­ten Stre­bens, eines Stre­bens weg von unse­rem Selbst.
(Max Frisch – Stiller)