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Will man sich davon über­zeu­gen, daß die ver­bor­gens­te und spe­zi­fischs­te Funk­ti­on des Bil­dungs­sys­tems in der Tar­nung sei­ner objek­ti­ven Funk­ti­on, das heißt der objek­ti­ven Wahr­heit sei­ner Rela­ti­on zur Struk­tur der Klas­sen­be­zie­hun­gen steht, braucht man nur einem kon­se­quen­ten Bil­dungs­pla­ner zuzu­hö­ren, wenn er nach dem sichers­ten Mit­tel fragt, um von vorn­her­ein die Schü­ler aus­zu­le­sen, die schu­li­schen Erfolg ver­spre­chen, und dadurch die tech­ni­sche Ren­ta­bi­li­tät des Bil­dungs­sys­tems zu stei­gern. Er muß sich die Fra­ge nach den Cha­rak­te­ris­ti­ka der betref­fen­den Kan­di­da­ten stel­len: „In einer Demo­kra­tie kön­nen die mit öffent­li­chen Mit­teln unter­hal­te­nen Insti­tu­tio­nen nicht unmit­tel­bar und offen auf­grund bestimm­ter Cha­rak­te­ris­ti­ka aus­le­sen. Sinn­vol­ler­wei­se müß­te man Cha­rak­te­ris­ti­ka wie Geschlecht, sozia­le Her­kunft, Dau­er der Schul­zeit, Aus­se­hen, Aus­spra­che und Into­na­ti­on, den sozio-öko­no­mi­schen Sta­tus der Eltern und das Pres­ti­ge der zuletzt besuch­ten Schu­le berück­sich­ti­gen (…). Aber selbst wenn man zei­gen könn­te, daß die Stu­den­ten nie­de­rer sozia­ler Her­kunft mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit schlech­te Stu­di­en­re­sul­ta­te erzie­len, wäre eine offen und unmit­tel­bar gegen die­se Kan­di­da­ten gerich­te­te Aus­le­se­po­li­tik untrag­bar. Den­noch weiß man, daß die­ser Fak­tor indi­rekt einen Ein­fluß aus­übt, der in den schlech­ten Ergeb­nis­sen der Abschluß­ex­ami­na oder in ande­ren Eigen­schaf­ten zum Aus­druck kommt“ (R. K. Kel­sall). Kurz, die ver­geu­de­te Zeit (und das ver­geu­de­te Geld) ist zugleich der Preis für die Ver­schleie­rung der Rela­ti­on zwi­schen sozia­ler Her­kunft und Stu­di­en­erfolg; denn, woll­te man bil­li­ger und schnel­ler voll­zie­hen, was das Sys­tem ohne­hin leis­tet, wür­de man eine Funk­ti­on offen­le­gen und damit hin­fäl­lig machen, die nur im ver­bor­ge­nen wir­ken kann. Das Bil­dungs­we­sen legi­ti­miert die Macht­über­ga­be von einer Gene­ra­ti­on auf die ande­re immer um den Preis einer Ver­geu­dung von Geld und Zeit, indem es die Rela­ti­on zwi­schen dem sozia­len Aus­gangs- und End­punkt des Bil­dungs­gangs mit­tels eines Berech­ti­gungs­ef­fekts kaschiert, der durch die demons­tra­ti­ve und oft hyper­bo­li­sche Län­ge des Bil­dungs­gangs ermög­licht wird. Die ver­lo­re­ne Zeit ist kein blo­ßes Ver­lust­ge­schäft, da sie einer Trans­for­ma­ti­on der Ein­stel­lung zum Sys­tem und sei­nen Sank­tio­nen dient, die uner­läß­lich ist, damit das Sys­tem funk­tio­nie­ren und alle sei­ne Funk­tio­nen erfül­len kann.
(Pierre Bour­dieu / Jean-Clau­de Pas­se­ron – Die Illu­si­on der Chancengleichheit)

Damit die am meis­ten Begüns­tig­ten begüns­tigt und die am meis­ten Benach­tei­lig­ten benach­tei­ligt wer­den, ist es not­wen­dig wie hin­rei­chend, dass die Schu­le beim ver­mit­tel­ten Unter­richts­stoff, bei den Ver­mitt­lungs­me­tho­den und ‑tech­ni­ken und bei den Beur­tei­lungs­kri­te­ri­en die kul­tu­rel­le Ungleich­heit der Kin­der (…) igno­riert. Anders gesagt, indem das Schul­sys­tem alle Schü­ler, wie ungleich sie auch in Wirk­lich­keit sein mögen, in ihren Rech­ten wie Pflich­ten gleich behan­delt, sank­tio­niert es fak­tisch die ursprüng­li­che Ungleich­heit gegen­über der Kul­tur. Die for­ma­le Gleich­heit, die die päd­ago­gi­sche Pra­xis bestimmt, dient in Wirk­lich­keit als Ver­schleie­rung und Recht­fer­ti­gung der Gleich­gül­tig­keit gegen­über der wirk­li­chen Ungleich­heit in Bezug auf den Unter­richt und der im Unter­richt ver­mit­tel­ten oder, genau­er gesagt, ver­lang­ten Kul­tur. (…) Indem die Schu­le den Indi­vi­du­en nur deren Posi­ti­on in der sozia­len Hier­ar­chie genau ent­spre­chen­de Erwar­tun­gen an die Schu­le zuge­steht und unter ihnen eine Aus­wahl trifft, die unter dem Anschein der for­ma­len Gleich­heit die exis­tie­ren­den Unter­schie­de sank­tio­niert und kon­se­kriert, trägt sie ineins zur Per­p­etu­ie­rung wie zur Legi­ti­mie­rung der Ungleich­heit bei. Indem sie gesell­schaft­lich beding­ten, von ihr aber auf Bega­bungs­un­ter­schie­de zurück­ge­führ­ten Fähig­kei­ten eine sich »unpar­tei­isch« geben­de und als sol­che weit­hin aner­kann­te Sank­ti­on erteilt, ver­wan­delt sie fak­ti­sche Gleich­hei­ten in recht­mä­ßi­ge Ungleich­hei­ten, wirt­schaft­li­che und gesell­schaft­li­che Unter­schie­de in eine qua­li­ta­ti­ve Dif­fe­renz und legi­ti­miert die Über­tra­gung des kul­tu­rel­len Erbes. (…) Indem [das Bil­dungs­sys­tem] den kul­tu­rel­len Ungleich­hei­ten eine for­mell mit den demo­kra­ti­schen Idea­len über­ein­stim­men­de Sank­ti­on erteilt, lie­fert es die bes­te Recht­fer­ti­gung für die­se Ungleichheiten.
(Pierre Bour­dieu – Die kon­ser­va­ti­ve Schu­le, in: Wie die Kul­tur zum Bau­ern kommt)

Edu­ca­ti­on… now seems to me per­haps the most aut­ho­ri­ta­ri­an and dan­ge­rous of all the social inven­ti­ons of man­kind. It is the deepest foun­da­ti­on of the modern slave sta­te, in which most peo­p­le feel them­sel­ves to be not­hing but pro­du­cers, con­su­mers, spec­ta­tors, and ‘fans,’ dri­ven more and more, in all parts of their lives, by greed, envy, and fear. My con­cern is not to impro­ve ‘edu­ca­ti­on’ but to do away with it, to end the ugly and anti­hu­man busi­ness of peo­p­le-sha­ping and to allow and help peo­p­le to shape themselves.
(John Holt zum The­ma Un-/Deschoo­ling)