Es ist eine ebenso überraschende und merkwürdige wie wertvolle Erfahrung, sich im Walde zu irgendeiner Zeit zu verirren. Oft kommt man in einem Schneesturm selbst bei Tage auf eine wohlbekannte Straße und ist nicht imstande zu sagen, in welcher Richtung das Dorf liegt. Obgleich man tausendmal hier gegangen ist, kann man nichts Bekanntes daran erkennen, und die Straße ist einem so fremd, als ob sie in Sibirien wäre. Bei Nacht ist die Verwirrung natürlich unendlich größer. Auf unsern alltäglichen Gängen steuern wir beständig, wenn auch unbewußt, gleich Lotsen mit Hilfe von wohlbekannten Leuchtfeuern und Vorgebirgen. Gehen wir über unsern gewöhnlichen Kurs hinaus, so haben wir immer noch die Lage irgendeines benachbarten Kaps im Sinn. Erst bis wir uns ganz verirrt oder umgedreht haben – denn der Mensch braucht nur einmal in dieser Welt mit geschlossenen Augen herumgedreht zu werden, um verirrt zu sein -, lernen wir die Weite und Fremdartigkeit der Natur schätzen. Jedesmal wenn der Mensch aus dem Schlaf oder aus der Versunkenheit erwacht, muß er die Himmelsrichtungen von neuem kennenlernen. Nicht eher, als bis wir verloren sind – mit andern Worten: bis wir die Welt verloren haben -, fangen wir an, uns selbst zu finden und gewahr zu werden, wo wir sind und wie endlos ausgedehnt unsere Verbindungen sind.
(Henry David Thoreau – Walden)
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