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Die moderne Geschichte hat, denke ich, hinreichend bewiesen, dass jeder Mensch, oder fast jeder, unter gewissen Voraussetzungen das tut, was man ihm sagt; und, verzeiht mir, die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass ihr die Ausnahme seid – so wenig wie ich. Wenn ihr in einem Land und in einer Zeit geboren seid, wo nicht nur niemand kommt, um eure Frau und eure Kinder zu töten, sondern auch niemand, um von euch zu verlangen, dass ihr die Frauen und Kinder anderer tötet, dann danket Gott und ziehet hin in Frieden. Aber bedenkt immer das eine: Ihr habt vielleicht mehr Glück gehabt als ich, doch ihr seid nicht besser. Denn solltet ihr so vermessen sein, euch dafür zu halten, seid ihr bereits in Gefahr. Gern stellen wir dem Staat – ob er totalitär ist oder nicht – den gewöhnlichen Menschen gegenüber, die Laus oder das kleine Licht. Dabei vergessen wir jedoch, dass der Staat aus Menschen besteht, mehr oder weniger gewöhnlichen Menschen, ein jeder mit seinem Leben, seiner Geschichte, jeder mit seiner Verkettung von Zufällen, die dafür gesorgt haben, dass er sich eines Tages auf der richtigen Seite des Gewehrs oder Dokuments wiederfindet, während andere auf der falschen stehen. Dieser Gang der Ereignisse ist in den seltensten Fällen das Ergebnis einer Entscheidung oder gar einer charakterlichen Veranlagung. Und die Opfer sind in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht deshalb gefoltert oder getötet worden, weil sie gut waren, ebenso wenig wie ihre Peiniger sie aus Bosheit gequält haben. Das zu glauben wäre reichlich naiv; man braucht sich nur in einer beliebigen Bürokratie umzusehen, und sei es die des Roten Kreuzes, um sich davon zu überzeugen. (…) Die Maschinerie des Staates nun ist aus dem gleichen Sand gebacken wie das, was sie Korn für Korn zu Staub zermahlt. Es gibt sie, weil alle damit einverstanden sind, dass es sie gibt, sogar – und häufig bis zum letzten Atemzug – ihre Opfer. Ohne die Höß, Eichmanns, Goglidzes, Wyschinskis, aber auch ohne die Weichensteller, die Betonfabrikanten und die Buchhalter in den Ministerien wäre ein Stalin oder ein Hitler nur einer jener von Hass und ohnmächtigen Gewaltfantasien aufgeblähten Säcke gewesen.
Jonathan Littell – Die Wohlgesinnten

Wir brechen in den Kosmos auf, wir sind auf alles vorbereitet, das heißt, auf die Einsamkeit, auf den Kampf, auf Martyrium und Tod. Aus Bescheidenheit sprechen wir es nicht laut aus, aber wir denken uns manchmal, daß wir großartig sind. Indessen, indessen ist das nicht alles, und unsere Bereitschaft erweist sich als Theater. Wir wollen gar nicht den Kosmos erobern, wir wollen nur die Erde bis an seine Grenzen erweitern. Die einen Planeten haben voll Wüste zu sein, wie die Sahara, die anderen eisig wie der Pol oder tropisch wie der brasilianische Urwald. Wir sind humanitär und edel, wir wollen die anderen Rassen nicht unterwerfen, wir wollen ihnen nur unsere Werte übermitteln und, als Gegengabe, ihrer aller Erbe annehmen. Wir halten uns für die Ritter vom heiligen Kontakt. Das ist die zweite Lüge. Menschen suchen wir, niemanden sonst. Wir brauchen keine anderen Welten. Wir brauchen Spiegel. Mit anderen Welten wissen wir nichts anzufangen. Es genügt unsere eine, und schon ersticken wir an ihr. Wir wollen das eigene idealisierte Bild finden; diese Globen, diese Zivilisationen haben vollkommener zu sein als die unsere, in anderen wiederum hoffen wir das Abbild unserer primitiven Vergangenheit zu finden. Indessen ist auf der anderen Seite etwas, was wir nicht akzeptieren, wogegen wir uns wehren, und schließlich haben wir von der Erde nicht nur das pure Destillat aus lauter Tugenden mitgebracht, das heroische Standbild des Menschen! Wir sind so hierhergeflogen, wie wir wirklich sind, und wenn die andere Seite uns diese Wahrheit zeigt, diesen Teil von ihr, den wir verschweigen, – dann können wir das nicht hinnehmen!
Stanislaw Lem – Solaris

Angesichts der ernüchternden Ergebnisse der unter den gegebenen gesellschaftlichen Umständen durchgeführten Bemühungen, die sozialen Chancenungleichheiten im Bildungssystem abzubauen, ist der Frage nachzugehen, welche Funktion das Schulsystem innerhalb dieser gesellschaftlichen Umstände einnimmt und ob diese Funktion einen Abbau sozialer Ungleichheiten prinzipiell überhaupt fördern kann oder soll.

Zunächst steht der Behauptung, Kinder und Jugendliche bedürften einer einheitlich regulierten Institution, um am gesellschaftlichen Leben erfolgreich teilzunehmen sowie die kulturellen Umgangsformen und Errungenschaften zu erlernen oder zu inkorporieren, die empirische Aussagekraft von knapp einhunderttausend Jahren menschlicher Kulturgeschichte entgegen (vgl. Bock, 2008; zur radikalen Schulkritik exemplarisch Holt, 1976; Illich, 1995), sodass als einzig genuine Legitimation des Bestehens einer Institution Schule nur die Selektionsfunktion in Hinblick auf die Verwertbarkeit ihrer Schüler am Arbeitsmarkt bestehen bleibt[1] – zusätzlich zur Funktion der Reproduktion sozialer Ungleichheit, die als zu überwindendes Defizit verschleiert ist, womit deren systemimmanenter Charakter überspielt wird. Institutionalisierte, formalisierte, standardisierte Bildung war seit ihrer Entstehung immer ein Herrschaftsinstrument, das das Exkludieren und Festlegen von Regeln erlaubt und zu einer kulturellen wie Bildungsselektion führt, „die dem eigentlichen Ziel von ‚Bildung‘, nämlich für das Leben zu lernen, entgegensteht“ (Bittlingmayer & Grundmann, 2006, S. 94):

„Wenn wir auf allen Gebieten das Verlangen nach der Einführung von geregelten Bildungsgängen und Fachprüfungen laut werden hören, so ist selbstverständlich nicht ein plötzlich erwachender ‚Bildungsdrang‘, sondern das Streben nach Beschränkung des Angebots für die Stellungen und deren Monopolisierung zugunsten der Besitzer von Bildungspatenten der Grund“ (Weber, 1980, S. 577).

Schulische Bildungsprozesse legen weniger Wert auf Bildung an sich, als vielmehr auf Bildungszertifikate, die „über herrschaftsabhängige Zertifizierungsprozesse“ (Solga, 2005, S. 28) erworben werden müssen. Das Schulsystem bezieht sich folglich in erster Linie auf einen systemfunktionalen Bildungsbegriff und weniger auf eine individuell-lebensweltliche und gesamtgesellschaftlich-emanzipative Ebene, fungiert mit seiner „bedarfsangemessenen Begrenzung höherer Bildung“ (Büchner, 2003, S. 9) somit „als Akteur der Produktion der Produzenten“ (Hepp, 2009, S. 30). Was innerhalb des Schulsystems stattfindet, orientiert sich nur vordergründig an den Bedürfnissen der Schüler und stellt vielmehr „dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt für die Zuordnung von Personen zu Positionen Qualifikations- bzw. Kompetenzsignale zur Verfügung“ (Solga, 2005, S. 27; vgl. Huisken, 2005). Diese systemfunktionale, dem Primat des Arbeitsmarkts unterworfene Perspektive, die die Verwertbarkeit von Bildung in den Fokus rückt, nicht die Alltagsrelevanz, wird von einem Großteil der Erziehungs- und Bildungsforschung übernommen, die damit ihrerseits – bewusst oder unbewusst – zur Reproduktion sozialer (Bildungs-)Ungleichheiten beiträgt:

„In den meisten Arbeiten zur Bildungsungleichheit wird das leistungsfixiert hierarchisierende Bildungssystem nicht in Frage gestellt, obwohl es selbst in einem vergleichsweise egalitär ausgerichteten sozialen Gefüge notwendig Bildungshierarchien erzeugt“ (Grundmann, Dravenau, & Bittlingmayer, 2006, S. 250; vgl. Grundmann, 2011).

Die Analyse der Bildungsprozesse und -ungleichheiten, selbst die kritische, orientiert sich häufig ergo zu sehr an den hegemonialen normativen Grundannahmen und den faktischen Gegebenheiten, ohne diese in Frage zu stellen, was aber gerade kritische Wissenschaft auszeichnen würde[2]. Da Schule als solche unhinterfragt übernommen wird und sich die Bildungsforschung an ihr orientiert, „kommen nur diejenigen individuellen Kompetenzentwicklungen in den Blick, die in gewisser Hinsicht schulbildungskonform sind“ (Grundmann, Bittlingmayer, Dravenau, & Edelstein, 2006, S. 16; vgl. Grundmann, Dravenau, & Bittlingmayer, 2006), d.h. „alle nicht schulkonformen Wissensbestände [werden] bildungssoziologisch abgewertet“ (Bittlingmayer, 2006, S. 53). Solange die das Schulsystem rahmenden gesellschaftliche Verhältnisse, die Arbeitsmarktorientierung und die kulturelle Hierarchisierung an sich nicht in Frage gestellt werden, „darf auch der Suche nach neuen, den gesellschaftlichen Verhältnissen angepassten Erziehungsidealen eine gesunde Skepsis entgegengebracht werden“ (Grundmann, 2011, S. 82). Gerade die deutsche PISA-Diskussion belegt die analytische Kurzsichtigkeit weiter Teile von Politik und Bildungsforschung, da – den ökonomisch-funktionalistischen, defizitorientierten Bildungsbegriff der OECD übernehmend, der zugunsten eines Bildungsverständnisses der ‚Qualifikationen‘ die unterschiedlichen sozialen Bildungsbedingungen vernachlässigt (vgl. Otto & Schrödter, 2010; Raidt, 2009) – größerer Fokus auf die unterdurchschnittliche Leistung deutscher Schulkinder als auf soziale Ungleichheit gelegt wurde (vgl. Solga, 2005, S. 30) und in der Folgezeit eine verstärkte Ausrichtung der Schule an wirtschaftlichen Maßstäben (vgl. Ball & Youdell, 2008; Rohlfs, 2011; Raidt, 2009) gefordert und auch umgesetzt wurde. Bildung und Bildungserfolg werden in diesem Kontext reduziert auf eine Steigerung der Konkurrenzfähigkeit, sowohl auf individueller sowie auf internationaler Ebene: „Insgesamt wird deutlich, dass PISA ein normatives und funktionales Bildungsverständnis transportiert, das auf die effiziente Ausbildung von Humanressourcen ausgerichtet ist“ (Raidt, 2009, S. 205).

Angesichts dieser Funktion des Schulsystems und der eingeschränkten kritischen Debatte, die darüber geführt wird, ist fraglich, ob eine umfassende Reform des Bildungssystems zur Reduzierung sozialer Bildungsungleichheiten unter diesen Vorzeichen überhaupt möglich ist – selbst eine rationale Pädagogik (vgl. Bourdieu 2001) beispielsweise dürfte mit ihrer an den individuellen Bildungsbedürfnissen orientierten Perspektive recht schnell in Widerspruch zur arbeitsmarktorientierten Perspektive treten, wenngleich das Gros bisheriger Untersuchungen zur Bildungsungleichheit doch gezeigt hat, dass weniger die von PISA bewerteten ‚Qualifikationen‘, sondern vielmehr materielle Mittel, kulturelles Kapital und entsprechende Habitus Voraussetzungen für schulischen Erfolg sind.


[1] Damit sollen die positiven Effekte der Schule nicht ignoriert werden, nur sind diese auch ohne derartige Institution realisierbar, während die Selektions- und Legitimationsfunktionen dem Schulwesen eigen sind.

[2] Dieser eingeschränkte soziologische Blick ist zum Teil sicher auch dem Umstand geschuldet, im Rahmen des politisch Gewünschten bleiben zu wollen, um überhaupt politisches Gehör zu finden.

 


Literatur:

  1. Ball, S. J., & Youdell, D. (2008). Hidden Privatisation in Public Education. Brüssel: Education International. Online verfügbar unter: http://download.ei-ie.org/docs/IRISDocuments/Research%20Website%20Documents/2009-00034-01-E.pdf (28.07.2012).
  2. Bittlingmayer, U. H. (2006). Grundzüge einer mehrdimensionalen sozialstrukturellen Sozialisationsforschung. In M. Grundmann, D. Dravenau, U. H. Bittlingmayer, & W. Edelstein, Handlungsbefähigung und Milieu. Zur Analyse milieuspezifischer Alltagspraktiken und ihrer Ungleichheitsrelevanz (S. 37-55). Berlin: LIT Verlag.
  3. Bittlingmayer, U. H., & Grundmann, M. (2006). Die Schule als (Mit-)Erzeugerin des sozialen Raums. Zur Etablierung von Bildungsmilieus im Zuge rapider Modernisierung. Das Beispiel Island. In M. Grundmann, D. Dravenau, U. H. Bittlingmayer, & W. Edelstein, Handlungsbefähigung und Milieu. Zur Analyse milieuspezifischer Alltagspraktiken und ihrer Ungleichheitsrelevanz (S. 75-95). Berlin: LIT Verlag.
  4. Bock, K. (2008). Einwürfe zum Bildungsbegriff. Fragen für die Kinder- und Jugendhilfeforschung. In H.-U. Otto, & T. Rauschenbach (Hrsg.), Die andere Seite der Bildung. Zum Verhältnis von formellen und informellen Bildungsprozessen (2. Auflage) (S. 91-105). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  5. Bourdieu, P. (2001). Die konservative Schule. In P. Bourdieu, Wie die Kultur zum Bauern kommt (S. 25-52). Hamburg: VSA-Verlag.
  6. Büchner, P. (2003). Stichwort: Bildung und soziale Ungleichheit. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 6. Jahrg. (Heft 1/2003), S. 5-24.
  7. Grundmann, M. (2011). Sozialisation – Erziehung – Bildung: Eine kritische Begriffsbestimmung. In R. Becker (Hrsg.), Lehrbuch der Bildungssoziologie (2. Auflage) (S. 63-85). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  8. Grundmann, M., Bittlingmayer, U. H., Dravenau, D., & Edelstein, W. (2006). Bildungsstrukturen und sozialstrukturelle Sozialisation. In M. Grundmann, U. H. Bittlingmayer, D. Dravenau, & W. Edelstein, Handlungsbefähigung und Milieu. Zur Analyse milieuspezifischer Alltagspraktiken und ihrer Ungleichheitsrelevanz (S. 13-35). Berlin: LIT Verlag.
  9. Grundmann, M., Dravenau, D., & Bittlingmayer, U. H. (2006). Milieuspezifische Handlungsbefähigung an der Schnittstelle zwischen Sozialisation, Ungleichheit und Lebensführung? In M. Grundmann, D. Dravenau, U. H. Bittlingmayer, & W. Edelstein, Handlungsbefähigung und Milieu. Zur Analyse milieuspezifischer Alltagspraktiken und ihrer Ungleichheitsrelevanz (S. 237-251). Berlin: LIT Verlag.
  10. Hepp, R.-D. (2009). Das Feld der Bildung in der Soziologie Pierre Bourdieus: Systematische Vorüberlegungen. In B. Friebertshäuser, M. Rieger-Ladich, & L. Wigger (Hrsg.), Reflexive Erziehungswissenschaft (2. Auflage) (S. 21-39). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  11. Holt, J. (1976). Instead of Education: Ways to Help People Do Things Better. New York: Dutton.
  12. Huisken, F. (2005). Der »PISA-Schock« und seine Bewältigung. Hamburg: VSA-Verlag.
  13. Illich, I. (1995). Entschulung der Gesellschaft. München: Beck.
  14. Otto, H.-U., & Schrödter, M. (2010). „Kompetenzen“ oder „Capabilities“ als Grundbegriff einer kritischen Bildungsforschung und Bildungspolitik? In H.-H. Krüger, U. Rabe-Kleberg, R.-T. Kramer, & J. Budde (Hrsg.), Bildungsungleichheit revisited (S. 163-183). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  15. Raidt, T. (2009). Bildungsreformen nach PISA. Paradigmenwechsel und Wertewandel (Diss.). Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Online verfügbar unter: http://www.pisa-bildung.de/ (28.07.2012).
  16. Rohlfs, C. (2011). Bildungseinstellungen. Schule und formale Bildung aus der Perspektive von Schülerinnen und Schülern. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  17. Solga, H. (2005). Meritokratie – die moderne Legitimation ungleicher Bildungschancen. In P. A. Berger, & H. Kahlert (Hrsg.), Institutionalisierte Ungleichheiten. Wie das Bildungswesen Chancen blockiert (S. 19-38). Weinheim und München: Juventa.
  18. Weber, M. (1980). Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen: Mohr (Siebeck).

»Am Ende meines Besuchs im Krankenhaus hat er angefangen, Erinnerungen zu erzählen. Er hat mir ins Gedächtnis gerufen, was ich mit sechzehn gesagt haben muß. In dem Moment habe ich den einzigen Sinn von Freundschaft, wie sie heute praktiziert wird, begriffen. Der Mensch ist auf sie angewiesen, damit sein Gedächtnis funktioniert. Sich an seine Vergangenheit zu erinnern, sie immer bei sich zu haben ist vielleicht die notwendige Voraussetzung dafür, die Integrität seines Ichs zu wahren, wie man so sagt. Damit das Ich nicht schrumpft, damit es sein Volumen behält, müssen die Erinnerungen begossen werden wie Topfblumen, und dieses Gießen erfordert den regelmäßigen Kontakt mit Zeugen der Vergangenheit. Sie sind unser Spiegel; unser Gedächtnis; man verlangt nichts von ihnen, außer daß sie von Zeit zu Zeit diesen Spiegel polieren, damit man sich darin anschauen kann. Aber mich interessiert nicht im geringsten, was ich auf dem Gymnasium gemacht habe! Was ich mir seit meiner frühen Jugend, vielleicht seit meiner Kindheit immer gewünscht habe, war etwas ganz anderes: die Freundschaft als oberster Wert. Ich sage oft: vor die Wahl zwischen der Wahrheit und dem Freund gestellt, wähle ich immer den Freund. Ich sagte es, um zu provozieren, aber ich meinte es ernst. Heute weiß ich, daß diese Maxime archaisch ist. Sie mochte für Achill gelten, den Freund des Patroklos, für Alexandre Dumas’  Musketiere, sogar für Sancho, der trotz all ihrer Zwistigkeiten ein echter Freund seines Herrn war. Aber sie gilt nicht für uns. Ich gehe in meinem Pessimismus so weit, daß ich heute bereit bin, die Wahrheit der Freundschaft vorzuziehen. (…) Die Freundschaft war für mich der Beweis, daß es etwas Stärkeres gibt als die Ideologie, als die Religion, als die Nation. In Dumas’ Roman befinden sich die Freunde oft in gegnerischen Lagern, so daß sie gezwungen sind, gegeneinander zu kämpfen. Aber das ändert nichts an ihrer Freundschaft. Sie helfen einander trotzdem heimlich, listig und setzen sich über die Wahrheit ihres jeweiligen Lagers hinweg. Sie haben die Freundschaft über die Wahrheit, die Sache, die Befehle von oben gestellt, über den König, über die Königin, über alles.«
Milan Kundera – Die Identität

»Vergiß nicht, ich habe zwei Gesichter. Ich habe gelernt, eine gewisse Freude daran zu haben, aber trotzdem ist es nicht leicht, zwei Gesichter zu haben. Das erfordert Anstrengung, das erfordert Disziplin! Du mußt verstehen, daß ich alles, was ich, gern oder ungern, tue, mit dem Ehrgeiz tue, es gut zu machen. Und sei es nur, um meine Stelle nicht zu verlieren. Es ist sehr schwer, perfekt zu arbeiten und diese Arbeit gleichzeitig zu verachten.«
»Oh, du kannst es, du bist dazu imstande, du bist genial«, sagt Jean-Marc.
»Ja, ich kann zwei Gesichter haben, aber ich kann sie nicht gleichzeitig haben. Bei dir habe ich das Gesicht, das sich lustig macht. Wenn ich im Büro bin, trage ich das seriöse Gesicht. Ich bekomme die Unterlagen der Leute vorgelegt, die sich bei uns um eine Stelle bewerben. Ich muß sie empfehlen oder ein negatives Votum abgeben. Manche drücken sich in ihrem Brief in einer so perfekt modernen Sprache aus, mit all den Klischees, mit dem Jargon, mit dem ganzen obligatorischen Optimismus. Ich brauche sie nicht zu sehen oder mit ihnen zu sprechen, um sie zu verabscheuen. Ich weiß aber, daß sie gut und eifrig arbeiten werden. Und dann gibt es jene, die sich unter anderen Umständen sicherlich der Philosophie, der Kunstgeschichte, dem Französischunterricht gewidmet hätten, heute aber, in Ermangelung von etwas Besserem, fast aus Verzweiflung, suchen sie bei uns Arbeit. Ich weiß, daß sie die Stelle, um die sie sich bewerben, insgeheim verachten und daß sie also meine Brüder sind. Und ich muß entscheiden.«
»Und wie entscheidest du?«
»Einmal empfehle ich den, der mir sympathisch ist, einmal den, der gut arbeiten wird. Ich handle halb als Verräter an meiner Firma, halb als Verräter an mir selbst. Ich bin ein doppelter Verräter. Und diesen doppelten Verrat betrachte ich nicht als Niederlage, sondern als tolle Leistung. Wie lange denn werde ich noch in der Lage sein, meine zwei Gesichter zu wahren? Das ist sehr anstrengend. Der Tag wird kommen, an dem ich nur ein einziges Gesicht haben werde. Das schlechtere von beiden natürlich. Das seriöse. Das zustimmende. Wirst du mich dann noch lieben?«
Milan Kundera – Die Identität

„In der Regel fehlen denen, die über Bildungskapital in nennenswertem Umfang nicht verfügen, die ›richtigen‹ Informationen für eine in die höchsten Positionen führende Bildungsinvestition, es fehlt ihnen die Vertrautheit mit den Strukturen und Werten der Schule, und wo diese nicht fehlt, wie zum Beispiel in den Familien der Lehrer oder der kleinen Beamten, da fehlen ihnen die materielle Sicherheit und auch die Sicherheit des Habitus, die jene riskanten Bildungswege ermöglichen würden, die den höchsten Gewinn versprechen“ (Krais & Gebauer, 2002, S. 41).

Zusätzlich zu einer kulturellen und habituellen Passung, die sich als primärer Herkunftseffekt auf die schulischen Leistungen auswirkt, ist die Bildungslaufbahn innerhalb des Schulsystems von zahlreichen sich kumulierenden Entscheidungen geprägt, die je nach sozialer Herkunft unterschiedlich ausfallen, von der Wahl der vorschulischen Betreuung und der Grundschule, über die weiterführende Schulform, die Aufnahme einer beruflichen Ausbildung oder eines Studiums bis hin zur Wahl des spezifischen Studienfachs. Diese Bildungsentscheidungen sind vor allem in den ersten Abschnitten des Bildungsverlaufs wie etwa beim Übergang von der Grund- in die weiterführende Schule elterliche Entscheidungen, während später auch der Schüler selbst die Entscheidungen beeinflussen kann[1].

In der Bildungsforschung dominieren verschiedene, auf Boudons (1974) Modell rationaler Wahlentscheidungen fußende Konzepte (für einen Überblick siehe Maaz, Hausen, McElvany, & Baumert, 2006; Becker R., 2011; Stocké, 2010) die Erklärung der herkunftsspezifischen Bildungsentscheidungen, wie etwa die Theorie rationaler Bildungsentscheidungen (vgl. Erikson & Jonsson, 1996), der mikrotheoretische Ansatz (vgl. Breen & Goldthorpe, 1997) oder die Wert-Erwartungs-Theorie (vgl. Esser, 1999). Der Kern all dieser Theorien „besteht in der Annahme, dass Individuen bei der Entscheidungsfindung kalkulieren, welche Erträge sich aus dem Besuch eines bestimmten Bildungsgangs ergeben und welche Kosten damit verbunden sind“ (Maaz, Hausen, McElvany, & Baumert, 2006, S. 303; vgl. Hillmert, 2007), demzufolge es sich bei Bildungsentscheidungen um zukunftsorientierte, nutzenmaximierende, zielgerichtete rationale Abwägung als „Teil der Lebensplanung“ (Becker R., 2011, S. 107) handele. Verallgemeinernd wird hierzu das Motiv des Statuserhalts unterstellt (vgl. Maaz, 2006; Maaz, Hausen, McElvany, & Baumert, 2006; Becker R., 2007; Hillmert, 2007; Becker R., 2011), das als alleiniges Motiv allerdings bereits zu kurz greift, da milieuspezifische Einstellungsmuster und Bildungsaspirationen gegenüber der Schule existieren, die sich in entsprechenden herkunftsspezifischen ‚Strategien‘ äußern, seien es je nach Milieu etwa Aufstiegs- oder Vermeidungsstrategien. Damit verbunden ist zudem die Frage, wessen Nutzen eigentlich gemeint ist, wenn von Nutzenmaximierung gesprochen wird (vgl. Ditton, 2007, S. 251) – der der Familie, der des Kindes oder gar ein gänzlich anderer.

Die ungleichen, herkunftsspezifischen Bildungsentscheidungen werden in diesem Kontext mit einer je nach sozialer Herkunft unterschiedlich ausfallenden Einschätzung und Bewertung der eigenen Leistungen, des potentiellen Studienerfolgs und des Kostenrisikos erklärt (vgl. Becker & Lauterbach, 2007; Becker R., 2010), d.h. „[d]ie Rationalität der Bildungsentscheidung ergibt sich daher aus der (vernünftigen) Beachtung von Möglichkeiten und Zwängen der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten, die wiederum mit der sozialen Position der Familie und ihren Ressourcen gegeben sind“ (Becker R., 2007, S. 165). Wenngleich darauf hingewiesen wird, dass derartige „Evaluations- und Auswahlprozesse (…) nicht zwangsläufig bewusst vorgenommen werden“ (Becker R., 2011, S. 127) müssen, wird doch immer wieder betont, derartige Bildungsentscheidungen basierten auf „komplexen  Entscheidungsprozessen, denen in der Regel mehr oder weniger umfassende Informationssuchen, selektive Informationsverarbeitungen und darauf basierende Abwägungsprozesse vorausgehen“ (ebd., S. 107) – hier wird entweder ein Widerspruch offenbar, oder es handelt sich um eine Einschränkung der latent rationalistischen Sichtweise zugunsten anderer Erklärungsansätze wie etwa unter Zuhilfenahme des Habituskonzepts. Für letzteres spricht, dass zugleich ‚frames‘ und ‚habits‘ angeführt werden, die zu sicheren und ‚automatischen Entscheidungen‘ führen sollen, da sie „sich in der Vergangenheit immer bewährt haben“ (ebd., S. 127) und es die „Unbestimmtheit der konkreten Handlungssituation (…) möglicherweise strukturell unmöglich [macht], i.e.S. ‚rational’ zu handeln“ (Hillmert, 2007, S. 92), weswegen auf bewährte, erfahrungsmäßige (und eher unbewusste) Handlungsmechanismen zurückgegriffen werden muss.

In diesem Sinne soll das Konzept der rationalen Wahl mit jenem des Habitus verbunden werden, da „rationale Entscheidungen üblicherweise mit den inkorporierten Schemata des Habitus weitgehend zusammenfallen“ (Lange-Vester & Teiwes-Kügler, 2006, S. 60; vgl. Vester, 2006; Grundmann, 2006), was nichts anderes bedeutet, als dass ein Individuum die objektiven Perspektiven, Chancen und Wahrscheinlichkeiten habituell verinnerlicht hat, die somit zur Grundlage der eigenen, subjektiven herkunftsspezifischen Rationalität geworden sind, sodass objektive Möglichkeiten und subjektive Entscheidungen in einer Art Wahl der wahrscheinlichsten Zukunft – vermittelt über die implizite Komplizenschaft des Habitus mit den ihn erzeugenden Strukturen – in der Regel übereinstimmen, da der Habitus und der mit ihm einhergehende praktische Sinn als „Natur gewordene, in motorische Schemata und automatische Körperreaktionen verwandelte gesellschaftliche Notwendigkeit“ (Bourdieu, 1987b, S. 127; vgl. Krais & Gebauer, 2002) eine Rationalität erzeugt, die den erfahrenen gesellschaftlichen Umständen am besten angepasst ist: „Ob die Wahl eines Studiums oder die Entscheidung für einen Lehrberuf eher rational kalkulierend oder eher ohne spezifische Kalkulation erfolgt, lässt sich deshalb oft gar nicht unterscheiden, weil beide Logiken des Handelns zu übereinstimmenden Ergebnissen führen“ (Lange-Vester & Teiwes-Kügler, 2006, S. 60) und „Übereinstimmungen zwischen dem Willen der Akteure und den Lenkungen des Bildungssystems die Regel sind“ (Lange-Vester, 2009, S. 273). Wenn also eine rationale Wahl per Beobachtung konstruiert wird, heißt das nicht zwangsläufig, dass der Akteur diese auch bewusst als rationale Wahl erfahren bzw. vollzogen hat, da „bewusstes und kalkulierendes Handeln im Alltag von Menschen einen Sonderfall, keineswegs den ‚Normalmodus‘ des Handelns darstellt“ (Bittlingmayer, 2006, S. 45; vgl. Vester, 2004), sind doch die „einträglichsten Strategien (…) meist die, welche außerhalb jeder Berechnung (…) erzeugt werden“ (Bourdieu, 1987a, S. 116), weshalb zwar „eine sehr enge Korrelation zwischen wissenschaftlich konstruierten objektiven Wahrscheinlichkeiten (…) und subjektiven Erwartungen“ (ebd., S. 100) festgestellt werden kann, die aber nicht als Beleg für bewusst-kalkulierendes Handeln missverstanden werden sollte (vgl. ebd.; Krais & Gebauer, 2002; Wigger, 2009; Bourdieu & Wacquant, 1996).

Über den Habitus werden in der Regel „die unwahrscheinlichsten Praktiken (…) durch eine Sofortunterwerfung unter die Ordnung, die aus der Not gern eine Tugend macht, also Abgelehntes verwirft und Unvermeidliches will, als undenkbare ausgeschieden“ (Bourdieu, 1987a, S. 100), bevor überhaupt eine bewusst-kalkulierende Abwägung stattfinden kann; so zum Beispiel im Fall des schulablehnenden Verhaltens unter Kindern aus schulbildungsfernen Milieus, denn hierbei werden die Spielregeln von vornherein abgelehnt, das Spiel nicht anerkannt, weil die ohnehin geringen objektiven Erfolgschancen bereits habituell verinnerlicht worden sind. Bildungsstrategien und rationale Bildungsentscheidungen können somit nicht anders begriffen werden denn als „eine (implizite) Vernünftigkeit der Handlungspläne, wie sie sich aus dem Habitus des Individuums bzw. der Familie und aus der jeweiligen Position im sozialen Raum ergibt“ (Brake & Büchner, 2009, S. 69), dementsprechend diese Vernünftigkeit mit den jeweils milieuspezifischen Alltagspraktiken, deren Zusammenwirken mit dem Handlungsfeld Schule, der unterschiedlichen Schulnähe und der Wertschätzung der Schule als auch der von der Schule erfahrenen Wertschätzung variiert (vgl. Lange-Vester & Teiwes-Kügler, 2006; Grundmann, 2006) und nicht objektiv fassbar, sondern nur anhand der subjektiven Dispositionen erklärbar ist.

Jeder rationalistische Erklärungsansatz der Bildungsentscheidungen ist folglich „intellektuellozentrisch“ (Bourdieu & Wacquant, 1996, S. 153) und begeht daher den Fehler, objektiv feststellbare Strategien als subjektive Strategien zu interpretieren und dahingehend umzudeuten (vgl. Bourdieu, 1998, S. 207 & 210; Bourdieu & Wacquant, 1996, S. 100; Krais & Gebauer, 2002, S. 23), womit er einer retrospektiven Illusion aufliegt, indem „die objektiv finalisierte Aktion des Habitus als das Ergebnis einer bewussten und kalkulierten (…) Strategie aufgefasst wird und nicht als eine objektive Strategie, die ihren Erfolg vielfach nur ihrer Unbewusstheit (…) verdankt“ (Bourdieu, 2011, S. 25), zumal es trivial bis tautologisch anmutet zu konstatieren, Akteure entschieden sich in einem rationalen Prozess für diejenige Alternative, die bei rationaler Abwägung am sinnvollsten sei.

Hinzu kommen Konfliktverhältnisse zwischen Alltagspraxis und schulischer Praxis, die maßgeblichen Einfluss auf die jeweils verfolgten Bildungsstrategien ausüben. In den unteren, schulbildungsferne(re)n Milieus provoziert die Schule einen „konflikthafte Gegensatz, der hier zwischen lebensweltlich relevanter und institutionell geforderter Bildung besteht“ (Grundmann, Bittlingmayer, Dravenau, & Groh-Samberg, 2007, S. 48; vgl. Bittlingmayer & Grundmann, 2006; Dravenau & Groh-Samberg, 2005), der letzten Endes eine die soziale Identität massiv beeinträchtigende Bildungsentscheidung hervorruft, die zugunsten der Schule und gegen das Herkunftsmilieu oder zugunsten des Herkunftsmilieus und gegen die Schule ausfällt, denn jene „Handlungsbefähigungen und Kompetenzen, die in der einen Welt zählen, sind in der jeweils anderen nichts wert“ (ebd., S. 49). Spätestens an dieser Stelle sollte deutlich werden, dass eine rein auf Nutzenmaximierung und rationale Abwägung fokussierte Analyse derartige identitätsstiftende oder -bedrohende Einflüsse und potentielle Entfremdungsprozesse größtenteils ignoriert und nur eine lückenhafte Erklärung leisten kann, die der Akteursperspektive kaum gerecht wird, da auch die zu erwartende Entfremdung und Entbehrung und die damit einhergehenden Zumutungen in die Bildungsentscheidungen eingehen (Grundmann, Bittlingmayer, Dravenau, & Edelstein, 2006). Die vor allem bei Familien mit niedrigem Bildungsstatus zu beobachtende Selbsteliminierung aus dem Schulsystem, d.h. die Wahl wenig ertragreicher Bildungslaufbahnen, der Abbruch derselben oder die Entwicklung von Gegenwelten kann darum als Selbstschutz verstanden werden, um „der weiteren Konfrontation mit den lebensweltlich inkommensurablen Imperativen schulischer Bildung aus dem Weg [zu] gehen“ (Grundmann, Groh-Samberg, Bittlingmayer, & Bauer, 2003, S. 39; vgl. Ditton, 2010; Dravenau, 2006).

Unzureichende analytische Schärfe weisen die Rational-Choice-Theorien auch hinsichtlich des herkunftsspezifischen Zeithorizonts bei der Bildungsplanung auf (vgl. Becker R., 2010; Becker R., 2011; Ditton, 2007), der von der materiellen und kulturellen Situation der Familie abhängig ist. Die Vorstellung im Kontext der Theorien rationaler Wahl lautet vereinfacht ausgedrückt: Aufgrund der materiellen Situation und weil die Ausbildungswege unterschiedliche Kosten und Nutzen aufweisen, wird von den Akteuren in einem mehr oder weniger rationalen Prozess der bewusste Zeithorizont angepasst, der für Planungen zur Verfügung steht. Diese Vorstellung ist erneut als rationalistisch zurückzuweisen, da sich der herkunftsspezifische Zeithorizont nicht nur in rationaler Betrachtung und dem Maß der kalkulierenden Vorausplanung äußert, sondern auch im Denken, der Wahrnehmung und somit dem Habitus an sich (vgl. Bourdieu, 2000; Garhammer, 2002; Levine, 1999). Da untere, schulbildungsferne Milieus über kaum materielles und kulturelles Kapital verfügen und „lebensweltlich gerade darauf angewiesen sind, nur geringe Erwartungen an ihre Zukunft, an die Planbarkeit ihres Lebens und an längerfristige Ziele und biografische ‚Projekte‘ zu stellen“ (Grundmann, Bittlingmayer, Dravenau, & Groh-Samberg, 2007, S. 56), entwickeln sie einen Habitus der Not, der als einzige lebensweltlich praktikable Strategie auf Hedonismus und das Genießen des im Augenblick Gegebenen setzt (vgl. Bourdieu, 1982, S. 297) und damit den Zeithorizont stark einschränkt  – dies allerdings nicht als Ergebnis bewusster Prozesse, sondern im Sinne einer habituellen Anpassung an die lebensweltlichen Erfordernisse. Dies bedeutet, für riskantere Ausbildungsgänge und umfassende Bildungsplanungen können sich hauptsächlich solche Akteure entscheiden, die über einen entsprechenden habituellen Zeithorizont und die diesem zugrundeliegende ökonomische Grundlage verfügen, wohingegen in „unberechenbaren Lebensverhältnissen (…) das Ethos planmäßiger Lebensführung wenig [nutzt]“ (Vester, 2004, S. 46), da es mit den alltäglichen Praxen, die zum (Über-)Leben im Herkunftsmilieu notwendig sind, kollidiert.

Vermeintlich irrationale Bildungsentscheidungen, wie etwa die Wahl der Realschule statt des Gymnasiums oder der Abbruch eines Studiums, sind folglich nicht als irrational im eigentlichen Sinne zu begreifen, da dies die jeweils herkunftsspezifische Rationalität verkennen würde, auf der die Entscheidungen basieren, ohne dabei zwingend Ausdruck subjektiv rationaler Entscheidungen zu sein, „sondern sie können im jeweiligen sozialen Kontext funktional sein“ (Hillmert, 2007, S. 91; vgl. Bittlingmayer, 2006; Dravenau, 2006; Grundmann, 2006) und lediglich unterschiedliche Anschlussfähigkeit an die Anforderungen des institutionalisierten Bildungswesens aufweisen:

„Jede Einzelentscheidung, durch die sich ein Kind vom weiteren Bildungsaufstieg ausschließt oder in einen aussichtlosen Zweig relegieren läßt, resultiert, selbst wenn sie durch den Druck innerer Berufung oder die Feststellung unzureichender Befähigung erzwungen scheint, aus der Gesamtheit der objektiven Relationen zwischen sozialer Klasse und Bildungssystem“ (Bourdieu & Passeron, 1971, S. 178).

Am Beispiel des Studiums lässt sich das Dargelegte exemplarisch verdeutlichen. Selbst bei vergleichbaren schulischen Leistungen weisen Kinder aus Familien mit hoher formaler Bildung eine deutlich stärkere Studienintention auf als Kinder aus schulbildungsfernen Milieus (vgl. Maaz, 2006; Reemtsma Begabtenförderungswerk, 2009; Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2010) und nehmen auch dann eher ein Studium auf, wenn sie sich selbst schlechte Leistungen attestieren und niedrige Erfolgserwartungen haben (vgl. Becker R., 2010). Studenten aus unteren Milieus denken außerdem häufiger an Studienabbruch (vgl. Lange-Vester & Teiwes-Kügler, 2004) – nicht selten, weil sie einen stärkeren Praxisbezug vermissen (vgl. Reemtsma Begabtenförderungswerk, 2009, S. 29), was die soziale Distanz zu abstrakter Bildung verdeutlicht – und geben als Ausdruck des schulbildungsfernen Habitus einen generell höheren Beratungsbedarf an (vgl. Isserstedt, Middendorff, Kandulla, Borchert, & Leszczensky, 2010, S. 35 & 461).

Entfremdung, institutionelle Steuerung und mangelnde Passungsverhältnisse erwecken den Anschein, als seien es die Individuen selbst, die ihre Bildungswege wählen, sich durchsetzen oder eliminieren lassen, obwohl vielmehr unterschiedliche Bildungsstrategien, divergierende Zeithorizonte, implizite und explizite Zwänge und symbolische Gewalt, letztlich also Habitusunterschiede und die in der Herkunftsfamilie vorliegende Kapitalausstattung für die Selbsteliminierungen aus dem Bildungssystem verantwortlich sind (vgl. Vester, 2004; Lange-Vester, 2009).


[1] Gemeint ist hiermit die gezielte, bewusste Beeinflussung der konkreten Bildungsentscheidung – die schulischen Leistungen eines Schülers tragen ohnehin zur Entscheidungsfindung bei, sei es als limitierender Faktor oder als Zugangsberechtigung.


Literatur:

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Wenn du mit einem realen Menschen zusammensein und dessen Wesenskern spüren willst, mußt du mit ihm allein sein. Jedes weitere Paar Augen und Ohren verwässert nur diesen Wesenskern. Wenn du mit zwei deiner besten Freunde essen gehst, wirst du nicht mit zwei vollständigen Personen unterwegs sein, und sie werden sich nicht so offen benehmen, wie sie es täten, wenn sie mit dir allein wären. Bist du mit einem Freund oder einer Freundin auf einer großen Party, erlebst du nur einen Bruchteil seiner oder ihrer wahren Persönlichkeit. Übertrage diesen Gedanken auf nationale, globale oder sogar evolutionäre Zusammenhänge, und schon ergibt vielleicht alles, was je geschehen ist, mehr Sinn.
Joey Goebel – Freaks

„Kinder aus sozial benachteiligten Familien gehören zwar zu den größten Bildungsverlierer(inne)n, ihre Armut basiert jedoch selten auf falschen oder fehlenden Schulabschlüssen, denn die Letzteren sind höchstens Auslöser und Verstärker, aber nicht Verursacher materieller Not. Bildungsdefizite führen allerdings oft zu einer Verfestigung der Armut“ (Butterwegge, 2010, S. 541).

Letzten Endes stellt sich bei Forderungen nach mehr und besserer Schule – also beispielsweise beim Ruf nach Frühförderung und Verschulung des Kindergartens oder Ganztagsschule – die Frage, wie weit die Anstrengungen gehen sollen, um die Illusion zu verfolgen, das Bildungswesen könne ihm immanente und gesellschaftlich bedingte Probleme lösen. Wie entsprechende Studienergebnisse zeigen, ist frühe Förderung allein nicht ausreichend, solange die Kinder innerhalb ihres elterlichen Milieus mit dessen Alltagspraxis und Bildungsaspiration verweilen; ganztagsschulische Betreuung wiederum ist ebenso ineffektiv, solange die Eingangskompetenzen aufgrund der unterschiedlichen Herkunft derart ungleich sind (vgl. beispielsweise Arens, 2007, S. 145; Deutsches Jugendinstitut, 2004; Becker & Lauterbach, 2007a; Becker & Lauterbach, 2007b; Kreyenfeld, 2007; Ehmke & Jude, 2010; Pfeiffer, 2010; Weinert, Ebert, & Dubowy, 2010, S. 43; Statistisches Bundesamt, 2011). Folglich müsste – aus einer Defizitperspektive urteilend – sowohl eine möglichst frühe Förderung als auch eine möglichst umfassende Betreuung durch die Schule stattfinden, um elterliche Einflüsse zu begrenzen, den Kindern die Ausbildung schulnaher Habitus zu ermöglichen und negative Peergruppeneffekte auszuschließen: „Je zeitlich umfassender schulische Bildungsprozesse sind und je geringer der Anteil der elterlichen Betreuung, desto geringer sind herkunftsbedingte Ungleichheiten im Leistungsniveau“ (Jungbauer-Gans, 2004, S. 381; vgl. Becker & Lauterbach, 2007b).

Im Endeffekt läuft dies auf eine frühe und umfassende Herauslösung aus dem Herkunftsmilieu hinaus, wie es etwa der Bezirksbürgermeister in Berlin-Neukölln angesichts der Bildungsproblematik fordert: „Die Kinder müssen raus aus dem Milieu, so früh wie möglich in die Krippe und dann auf die Ganztagsschule“ (Müller M., 2011, S. 9). Neben der Frage der praktischen Umsetzbarkeit stellt sich somit auch eine normative Frage: Soll Schule den Einfluss der Eltern auf ein Minimum reduzieren und die Freizeit der Kinder bestimmen, um potentiell Chancenungleichheit zu verringern, und wäre dies dann auch im Interesse der Kinder, oder handelt es sich seinerseits um symbolische Gewalt hinter dem Deckmantel der Herstellung sozialer Chancengleichheit, womit im Kontext des bestehenden Schulsystems aber lediglich Angleichung an die legitime Kultur gemeint sein kann und eine Blindheit gegenüber den tatsächlichen gesellschaftlichen Ursachen sozialer Ungleichheit zementiert wird?

Der einengende Fokus auf das Bildungssystem verschleiert das gesellschaftliche Verteilungsproblem der relevanten Ressourcen und erklärt es zu einem Problem, das allein mittels mehr Schulbildung behoben werden könne – ein Bildungsdiskurs, der derart geführt wird, kann seinerseits als Ideologie begriffen werden, denn es ist fraglich, „ob sich die Spaltung der Gesellschaft tatsächlich durch mehr oder eine bessere Bildung für alle überwinden bzw. bewältigen lässt“ (Butterwegge, 2010, S. 540). Es findet lediglich eine über die meritokratische Ideologie legitimierte Subjektivierung und Verengung des eigentlichen gesellschaftlichen Problems der Ressourcenverteilung statt (vgl. Becker & Hadjar, 2011, S. 51), sodass Armut und schulischer Misserfolg aus einer Defizitperspektive heraus als Problem der Verhaltensweise, die nur der ‚Umerziehung‘ bedürfe, behoben werden könnten, während die gesellschaftlich ungleiche Verteilung des Kapitals unhinterfragt bleibt, was für das kulturelle, aber am stärksten für das ökonomische Kapital zutreffend ist, das wiederum dem kulturellen Kapital zugrunde liegt:

„Viel entscheidender als die Umverteilung von Geld sei, dass Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu den Bildungsinstitutionen und zum Arbeitsmarkt erhalten, heißt es immer häufiger. Zu fragen wäre freilich, weshalb die Bedeutung des Geldes für die Teilhabe der Menschen am gesellschaftlichen Leben ausgerechnet zu einer Zeit gesunken sein soll, wo es in sämtlichen Lebensbereichen wichtiger als früher, aber auch ungleicher denn je verteilt ist“ (Butterwegge, 2008).

Mit dem Fokus auf »Bildungsferne« und vermeintliche kulturelle »Defizite« werden die „empirischen Befunde der Ungleichheits- und Bildungsforschung (…) von grundlegenden Fragen nach sozialer Herrschaft und Gerechtigkeit weitgehend entkoppelt“ (Grundmann, Dravenau, & Bittlingmayer, 2006, S. 251), denn „[s]tatt materieller, d.h. Verteilungsgerechtigkeit wird heute in der Regel bloß noch Chancengleichheit gefordert“ (Butterwegge, 2010, S. 546), die allen lediglich gleiche Startchancen sichern soll, das Rennen danach aber der sozialen Herkunft überlässt. Die Alternative, d.h. das die soziale Ungleichheit effektiver bekämpfende Vorgehen bestünde darin, vom Staat zu verlangen und ihm zu ermöglichen, „daß er seine regulierende Tätigkeit ausübt, fähig dazu, die »Fatalität« der ökonomischen und sozialen Mechanismen zu konterkarieren, die der gesellschaftlichen Ordnung immanent sind“ (Bourdieu, 1992a, S. 173), wofür es „weiterhin der Umverteilung von Arbeit, Einkommen und Vermögen“ (Butterwegge, 2008) bedarf. Armut oder beruflicher Misserfolg basieren also nur vordergründig auf mangelndem schulischen Bildungserfolg, da dieser seinen Ursprung in der ungleichen Verteilung der Ressourcen hat. Solange vor allem das ökonomische Kapital derart ungleich verteilt ist und (Bildungs-)Erfolg von diesem Kapital abhängt, werden demzufolge soziale Ungleichheiten fortbestehen: „Einkommensarmut mutiert so zu kultureller und Bildungsarmut“ (Rabe-Kleberg, 2010, S. 51; vgl. Becker R., 2011).

Das gegenwärtige Bildungssystem darf folglich weder „zum alleinigen Bestimmungsfaktor sozialer Ungleichheit“ (Becker & Hadjar, 2011, S. 44) noch „zur zentralen Institution für die Herstellung gesellschaftlicher Chancengleichheit“ (ebd., S. 45) verklärt werden, da beide Perspektiven – mit je unterschiedlichen Vorzeichen – den Stellenwert des Schulsystems überschätzen und die gesamtgesellschaftliche Grundlage außer Acht lassen. Das Schulsystem muss als spezifisches System innerhalb des gesamtgesellschaftlichen Systems betrachtet werden, das die „vorgegebenen Struktur-, System- und gesellschaftlich-sozialen Bedingungen nicht aushebeln“ (Ditton, 2011, S. 261) kann und dessen Einfluss entsprechend begrenzt ist: „Es wäre unrealistisch zu erwarten, dass durch Reformen im Bildungswesen allein der Kreislauf der sozialen Reproduktion durchbrochen werden könnte. Man kommt nicht um die Erkenntnis herum, dass Schulsysteme auch ein Spiegel der jeweiligen Gesellschaft sind“ (Ditton, 2007, S. 267).

Der mögliche Beitrag von Bildungsreformen zur Lösung eines genuin gesamtgesellschaftlichen Problems muss also als recht gering eingestuft werden, wohingegen „die Länder mit der niedrigsten sozialen Disparität der Bildungsbeteiligung auch Länder mit größerer sozialer Gleichheit sind“ (Fend, 2009, S. 65; vgl. Becker R., 2011, S. 104). Schule kann keine Gleichheit herstellen, wo gesellschaftlich keine Gleichheit herrscht und gewollt ist, sie erfüllt daher die paradoxe Funktion, einerseits den Abbau geburtsständischer Privilegien vorangetrieben, andererseits aber neue Hierarchisierungsmechanismen und Legitimierungsformen etabliert zu haben, die diese soziale Ungleichheit viel effektiver verschleiern (vgl. Büchner, 2003). Durch eine bloße Reform des Schulsystems können vielleicht spezifische Reproduktionsmechanismen abgeschwächt werden, die Mechanismen der sozialen Reproduktion an sich werden sich jedoch lediglich verlagern, denn wird ein Reproduktionsmechanismus aufgedeckt oder ausgeschaltet, „so wächst das Interesse der Inhaber von Kapital, sich solcher Reproduktionsstrategien zu bedienen, die eine bessere Verschleierung der Kapitaltransmission gewährleisten“ (Bourdieu, 1992b, S. 75), weshalb „der Weg zu einer weniger durch Ungleichheit gekennzeichneten Gesellschaft nicht in erster Linie über Reformen des Schulsystems verläuft, sondern über direkt wirksame Maßnahmen zum Abbau von Ungleichheit“ (Ditton, 2007, S. 267).

Letztlich handelt es sich bei sozialer Ungleichheit um kein spezifisches Problem des Bildungssektors, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Problem, sodass anstelle der Fixierung auf das Schulsystem die ungleiche Kapitalverteilung und die gesellschaftlichen Verhältnisse, die diese bedingen, in den Fokus der Betrachtung zu stellen sind. Bildung kann Armut nicht bekämpfen, wenn letztere gesamtgesellschaftlich produziert, hingenommen und legitimiert wird.


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Leistungsgesellschaft oder Meritokratie bedeutet sinngemäß eine „Herrschaftsordnung nach Maßgabe von Begabung und Leistungsfähigkeit des Einzelnen“ (Becker & Hadjar, 2011, S. 39), wonach soziale Unterschiede nicht per se als ungerecht angesehen werden, solange sie das Ergebnis individueller Leistungsunterschiede sind (vgl. Hillmert, 2007). Hervorgehoben wird von einem liberalen Standpunkt, dass eine meritokratische Gesellschaft fairer und freiheitlicher erscheine als ein Wohlfahrtsstaat, der „durch gezielte Eingriffe in die Lebensumstände von Menschen individuelle und kollektive Chancengleichheit herzustellen“ (Becker & Hadjar, 2011, S. 38) versucht. Chancengleichheit wird nach dieser Auffassung lediglich als Sicherung gleicher Startchancen verstanden, auf deren Basis individuelle Leistung den weiteren Erfolg determinieren soll, womit der Staat seine gesellschaftsformenden Ansprüche aufgibt und ein Modell formaler Gleichbehandlung zugrunde legt. Beides ist ebenso zutreffend für das Schulsystem als Vertreter der staatlichen Ordnung. Einkommens- und Machtunterschiede wie auch Bildungsungleichheiten werden in diesem Kontext zunächst als legitim betrachtet, wenn keine leistungsfremden Einflüsse diese Ungleichheiten mitbestimmen, denn die „Regelung des Zugangs zu begehrten und knappen sozialen Positionen sollte in einer demokratischen Gesellschaft nach Leistung, Können und Anstrengung, d.h. nach nachvollziehbaren und gesellschaftlich akzeptierten bzw. allgemein als gerecht empfundenen Kriterien, erfolgen“ (Ditton, 2007, S. 244; vgl. Becker & Hadjar, 2011).

Sind die resultierenden Leistungsunterschiede in der Vergangenheit hauptsächlich mit der ungleichen Verteilung von Intelligenz und sogenannten Begabungen und Talenten erklärt worden, die allerdings ihrerseits bereits soziale Konstruktionen und keine natürlichen Eigenschaften darstellen (vgl. Solga, 2005), so sind derartige Biologismen heutzutage gegenüber der Vorstellung von Fleiß und Anstrengung in den Hintergrund getreten[1] (vgl. Hillmert, 2007), was bedeutet, wer eine erfolgreiche schulische Ausbildung und vielleicht ein Studium absolviert hat, habe sich gemäß der meritokratischen Idee für diese Bildungszertifikate und die mit ihnen einhergehenden Einkommens- und Lebenschancen folglich durch Kompetenz und Anstrengung qualifiziert. Diese Erklärung ist allerdings in Frage zu stellen, da unterschiedliche Anstrengungen kaum Beachtung finden – ein Arbeiterkind beispielsweise hat auf dem Weg zum erfolgreichen Abschluss eines Studiums weitaus höhere Hürden zu überwinden als ein Akademikerkind, doch findet dies in den Bildungszertifikaten keinerlei Würdigung, sondern wird als Folge der formalen Gleichheit aller Bildungsteilnehmer vielmehr neutralisiert (vgl. Solga, 2005, S. 26). Vergessen wird zudem, dass Leistung, Fleiß und Anstrengung nicht als objektive Kategorien vorausgesetzt werden können (vgl. Becker & Hadjar, 2011, S. 54), da die Definition von Leistung stets nur aus einer sozialen Position heraus und mit bestimmten Vorstellungen dessen, was sich hinter dem Begriff verbirgt, definiert und durchgesetzt werden kann, und zwar von jenen Akteuren, die die gesellschaftliche (Deutungs-)Macht innehaben.

Generell wird soziale Ungleichheit im Sinne der meritokratischen Ordnung als vermeintlich notwendiges gesellschaftliches Anreizsystem betrachtet, in dem die Knappheit hoher, prestige- und einkommensträchtiger Positionen die gesellschaftlichen Akteure zum allgemeinen – vorranging über Bildung vollzogenen – Wettbewerb motivieren und so schließlich die Leistungsfähigsten offenbaren soll (vgl. Becker & Hadjar, 2011; Solga, 2005). Diese Annahme erscheint schon logisch-deduktiv fragwürdig, da ein solcher Anreiz vor allem Akteure motivieren dürfte, die Interesse an einem hohen Einkommen und Ansehen haben, ohne aber verlässliche Aussagen über (relative) Leistungsfähigkeit zuzulassen. Paradox ist weiterhin der Umstand, dass Meritokratie nach den eigenen Maßstäben prinzipiell nur in einer nicht-hierarchisierten Gesellschaft überhaupt störungsfrei funktionieren kann, wenn also keine Effekte sozialer Hierarchisierung wirken können, was das Prinzip als solches allerdings ad absurdum führt, da Meritokratie ihrerseits eine Hierarchisierung zur Folge hat und diese legitimiert.

Innerhalb der real existierenden Meritokratie hingegen können Leistungsmerkmale nicht unabhängig von leistungsfremden Einflüssen durch die soziale Herkunft betrachtet werden, womit „entgegen aller (meritokratischen) Rhetorik die Zertifizierung von Bildungsleistungen sowie institutionell unterschiedliche Bildungslaufbahnen, deren Zugang über die (gezeigte und bewertete) vorangegangene Leistung gesteuert wird, notwendigerweise (!) mit Herkunftsunterschieden in der Schule verbunden sind“ (Solga, 2005, S. 20; vgl. Arens, 2007). Das Ergebnis der meritokratischen Logik, die auf formale Gleichbehandlung aller Akteure ohne Berücksichtigung ihrer sozialen Herkunft setzt und die herkunftsspezifischen kulturellen Unterschiede damit vollständig ignoriert, steht infolgedessen im Widerspruch zu deren Verheißungen: „Gerade weil Leistung zählt und nicht die Herkunft, ergibt sich, dass schlussendlich (…) durch die Anwendung des Leistungsprinzips die Herkunft darüber entscheidet, wer an den gleichen Anforderungen scheitert und wer sich im schulischen Leistungsvergleich durchsetzt“ (Huisken, 2005, S. 37; vgl. Solga, 2005):

„[I]ndem das Schulsystem alle Schüler, wie ungleich sie auch in Wirklichkeit sein mögen, in ihren Rechten wie Pflichten gleich behandelt, sanktioniert es faktisch die ursprüngliche Ungleichheit gegenüber der Kultur“ (Bourdieu, 2001a, S. 39).

Strukturelle Ursachen der Bildungsungleichheit werden durch die individualisierte Erklärung über Leistung in den Hintergrund gedrängt, es findet eine vermeintliche „Ablösung kategorial definierter Ungleichheit nach Status/Klasse/Schicht (sowie auch Geschlecht) durch eine individuell definierte Ungleichheit nach Leistung“ (Solga, 2005, S. 28; vgl. Solga & Wagner, 2007; Bittlingmayer, 2006) statt, infolge derer sich die vom Bildungssystem Beurteilten ihren Erfolg oder Misserfolg selbst zuschreiben:

„Die hier gleichermaßen erfahrbaren Formen struktureller und symbolischer Gewalt werden für die Deklassierten und Dequalifizierten umso leidvoller und entwaffnender, als sie unter den Vorzeichen und Verheißungen einer an individueller Selbstverwirklichung  und -behauptung orientierten ‚Gesellschaft der Individuen‘ die Schuld für ihr Versagen zwangsläufig bei sich selbst suchen und dann wohl auch entdecken werden müssen“ (Schultheis, 2009, S. 264).

In Anbetracht der bisherigen Ausführungen und der in Bildungsstudien immer wieder festgestellten sozialen Bildungsungleichheiten kann Meritokratie nicht anders denn als Ideologie begriffen werden, die „die Akzeptanz der sozialen Ordnung und damit die Stabilität der Gesellschaft“ (Becker & Hadjar, 2011, S. 50) fördern soll und als „normative Selbstdefinition moderner Gesellschaften für die Begründung und Legitimation sozialer Ungleichheiten“ (Solga, 2005, S. 23) fungiert, sodass die gesamtgesellschaftlichen sozialen Ungleichheiten wie auch Bildungsungleichheiten als legitime Ungleichheiten wahrgenommen werden. Sie ist somit unter Einnahme einer systemfunktionalen Perspektive allenfalls ein ‚necessary myth‘, „weil die Akzeptanz des meritokratischen Prinzips in der Gesellschaft zum einen die Heranziehung askriptiver Prinzipien bei der Vergabe von Positionen und Belohnungen verdrängt hat und zum anderen das Prinzip dennoch (sic!) motivierend wirkt, durch Leistung eine privilegierte Position in der Gesellschaft zu erreichen“ (Becker & Hadjar, 2011, S. 58) – ersteres ist allerdings eine relativistische Perspektive, die nicht einmal zutreffend ist, da das meritokratische Prinzip die Heranziehung askriptiver Merkmale bloß verschleiert (vgl. Bourdieu & Passeron, 1971, S. 225f), nicht ersetzt, wohingegen letzteres schon fast zynisch erscheint, denn „[w]ie weit eine soziale Gruppe im meritokratischen Wettbewerb gekommen ist, hängt dabei entscheidend von ihrem Startkapital an Bildung, Besitz und sozialen Beziehungen ab“ (Vester, 2004, S. 19).

Hierarchisierung von Bildung & Kultur

„Die Schule ist eine gesellschaftliche Institution zur Vermittlung der legitimen Kultur“ (Krais, 2004, S. 122).

Das mit der meritokratischen Ideologie verbundene Konzept der formalen Gleichheit, das im Kontext der Schule kulturelle und habituelle Unterschiede der Schüler ignoriert, obwohl sie entscheidend zu Erfolg oder Misserfolg beitragen, führt damit zu Formen kultureller Passung als Produkt einer „systemischen Standardisierung, die sozusagen zwangsläufig soziale Erfahrungsdifferenzen in den Bildungsumwelten außerhalb des institutionalisierten Bildungswesens unberücksichtigt lässt“ (Grundmann, Groh-Samberg, Bittlingmayer, & Bauer, 2003, S. 36). Diese Standardisierung, die blind gegenüber kulturellen Herkunftsunterschieden und milieuspezifischen Bildungsinhalten ist, führt de facto zu einer Hierarchisierung von Kultur und der sie inkorporierenden Habitus, da sie die Schüler unabhängig von deren Herkunft anhand ein und derselben normativen Schablone bewertet, weshalb schulbildungsnahe Milieus von dieser Standardisierung profitieren – sie „muss als Standardisierungsinstanz des Wissens mit offensivem Neutralitätsanspruch verstanden werden, die bestimmte Wissensformen vermittelt und die besondere kindliche und jugendliche Handlungsstrategien belohnt oder bestraft“ (Grundmann, Bittlingmayer, Dravenau, & Edelstein, 2006, S. 16; vgl. Grundmann, Dravenau, & Bittlingmayer, 2006).

Einem Schüler bleibt nichts anderes übrig, als die herkunftsspezifische Kultur in die Schule hineinzutragen, dort anzubieten und von dieser in die kulturelle Hierarchie einordnen zu lassen, was allerdings nicht explizit geschieht, sondern unter dem Deckmantel der formalen Gleichbehandlung. Unterschiedliche Habitus und kulturelle Praxen unterscheiden sich letztlich nur darin, „dass sie von unterschiedlichen sozialen Gruppen unterschiedlich wertgeschätzt werden“ (Bittlingmayer, 2006, S. 47), die Schule diese unterschiedliche Wertschätzung allerdings absolut setzt und ihr zu Allgemeingültigkeit verhilft – die abstrakte Bildung beispielsweise, die in der Schule vorherrschend ist, erfährt Wertschätzung vor allem in den oberen Milieus, während sie in unteren Milieus den alltäglichen Anforderungen widerspricht, dennoch wird sie qua Schule zum allgemeinen Maßstab der Bewertung und zum Inbegriff von Bildung an sich. Es kommt zu einer Aufwertung bzw. Anerkennung der einen und gleichzeitigen Abwertung der anderen Alltagspraktiken der jeweiligen Herkunftsmilieus, d.h. „die Institutionalisierung von Bildung ist gleichbedeutend mit der selektiven Bewertung von Bildungsprozessen und der hierarchischen Differenzierung von Bildungsgängen und -zertifikaten“ (Dravenau & Groh-Samberg, 2005, S. 117; vgl. Grundmann, Bittlingmayer, Dravenau, & Groh-Samberg, 2004).

Jene kulturelle Ignoranz gegenüber milieuspezifischen Bildungsprozessen, Alltagspraxen und Habitus führt unweigerlich zu einer Defizitlogik, die von den schulischen Standards abweichende Praxen als unzulänglich betrachtet und somit mit dem Ziel der Selektion aus einer qualitativen Differenz eine Hierarchie ableitet, was der Durchsetzung einer spezifischen Deutung legitimer Kultur und legitimer Bildung mittels Ausübung symbolischer Gewalt gleichkommt: „Gemessen wird daher nicht das Können, sondern die Abweichung des Könnens von den politisch gesetzten Leistungsstandards“ (Grundmann, 2006, S. 71; vgl. Kalthoff, 2004; Lange-Vester, 2009). Diese legitime Kultur fehlt den unteren Milieus in der Regel, „denn diese Kultur und Bildung ist im allgemeinen gegen sie gerichtet“ (Bourdieu, 1992a, S. 39), weshalb die Schule keine neutrale Handlungsinstanz, sondern stets „eingebunden in die Herrschaftsbeziehungen und -auseinandersetzungen in einer Gesellschaft“ (Krais, 2004, S. 122) ist. Zwar verfügen auch diese Milieus über ihre eigenen Formen von Kultur und Bildung, nur ist diese auf dem Markt der schulischen Institutionen nichts wert:

„Diese Kinder lernen das Schweigen, das Nicht-Können in der Schule, weil ihre Habitusformen durch die Schule stigmatisiert werden. Dementsprechend lernen sie auch eine Form der Selbsteinschätzung, die zwar den Stolz auf praktische Überlebensfähigkeiten, aber gleichzeitig die Anerkennung der Legitimität der Überlegenheit der anderen und der eigenen Unterlegenheit enthält. Sie übernehmen das Stigma in ihr Selbstbild; der Reproduktionskreislauf ist wiederum geschlossen“ (Liebau, 2009, S. 51).

Scheinbar defizitäre Handlungsschemata und kulturelle Praktiken, wie etwa die Sprache, bewertet anhand institutioneller Erfordernisse und entsprechender Vorstellungen, sind also nicht unbedingt defizitär, sondern lediglich adäquat zu den Erfordernissen der erfahrenen Umwelt, die aber von der Schule entwertet werden, wodurch die produzierten Bildungsungleichheiten „bis in die Erfahrungswelt der Familie hineinwirken“ (Grundmann, Bittlingmayer, Dravenau, & Groh-Samberg, 2007, S. 48). Erst diese schulische Standardisierung und Hierarchisierung von Kultur macht es möglich – und aus dieser Perspektive erforderlich –, von bildungsnahen und bildungsfernen Milieus zu sprechen (Bittlingmayer, 2006, S. 44), wobei stets Schulbildung gemeint ist und diese Nähe oder Ferne die Anschlussfähigkeit bzw. Passung oder eben Anpassung und damit letztlich die eigene Unterordnung unter die herrschenden Vorstellungen legitimer Kultur bedeutet.

Schule als Legitimationsinstanz sozialer Ungleichheit

„Die symbolische Macht ist eine Macht, die in dem Maße existiert, wie es ihr gelingt, sich anerkennen zu lassen, sich Anerkennung zu verschaffen; d.h. eine (ökonomische, politische, kulturelle oder andere) Macht, die die Macht hat, sich in ihrer Wahrheit als Macht, als Gewalt, als Willkür verkennen zu lassen“ (Bourdieu, 1992b, S. 82).

Das Schulsystem kann angesichts der meritokratischen Ideologie, die zu einer Hierarchisierung von Kultur und milieuspezifischen habituellen Praktiken führt, und „gerade durch die Entwicklung der Schulbildung zu einem alternativlosen Pfad des gesellschaftlichen Aufstiegs“ (Bittlingmayer & Grundmann, 2006, S. 77) keineswegs als neutrale Institution betrachtet werden, die soziale Ungleichheiten lediglich reproduziert oder um deren Auflösung bemüht ist, sondern ist zudem Ort der Produktion sozialer Ungleichheiten, die sie zugleich legitimiert, womit kulturelle und institutionelle Diskriminierung und Privilegierung eng miteinander verknüpft sind (vgl. Dravenau & Groh-Samberg, 2005, S. 114; Grundmann, Bittlingmayer, Dravenau, & Groh-Samberg, 2004). Da Privilegien und die soziale Stellung nicht mehr über Verwandtschaft und Herkunft legitimierbar sind, erfolgt die Reproduktion der sozialen Ordnung nun über das Bildungssystem (vgl. Bourdieu & Passeron, 1971; Solga, 2005), denn die „Unterschiede, die innerhalb der Gesellschaft gesetzt werden und sich durchsetzen können, sind durch schulische Differenzen legitimiert und werden durch die Verteilung sozialer Zugangsmöglichkeiten, die die Schule über ihre Zertifikate und Zeugnisse vergibt, verobjektiviert und sanktioniert“ (Hepp, 2009, S. 24).

Die Schule legitimiert in letzter Instanz vermittels des kulturellen Passungsverhältnisses die Übertragung des kulturellen Erbes, das somit – im Gegensatz zum ökonomischen Erbe – als Erbe verkannt wird. Durch das Prinzip der formalen Gleichheit, das von allen fordert, was nur einigen dank Herkunft zugänglich ist (vgl. Bourdieu, 2001a), und den von staatlicher Seite recht hohen Einsatz von Zeit und Geld innerhalb des Schulsystems, das von sich behauptet, allen gleiche Chancen zu bieten, wird hinter dem Anschein von Fairness und gutem Willen die objektive Funktion des Bildungssystems verborgen[2], „denn, wollte man billiger und schneller vollziehen, was das System ohnehin leistet, würde man eine Funktion offenlegen und damit hinfällig machen, die nur im verborgenen wirken kann“ (Bourdieu & Passeron, 1971, S. 226).

Zugleich vollzieht sich innerhalb des Schulsystems eine „Transformation der Einstellung zum System und seinen Sanktionen (…), die unerläßlich ist, damit das System funktionieren und alle seine Funktionen erfüllen kann“ (ebd.). Diese Transformation wird aufgrund der scheinbar konsequenten Weise, wie Leistung und Bildungszertifikate die Statuszuweisung bestimmen bzw. dieser Anschein verbreitet wird, selbstredend von den vom Schulsystem Privilegierten, aber auch vom Großteil der von ihm Diskriminierten vollzogen (vgl. Solga, 2005), denn „in dem Maß, wie es eliminiert, gelingt es ihm, die Verlierer davon zu überzeugen, dass sie selbst für ihre Eliminierung verantwortlich sind“ (Bourdieu, 2001b, S. 21; vgl. Bourdieu & Passeron, 1971, S. 225), womit die Autorität der Schule als Gatekeeperin, die die weiteren Lebenschancen maßgeblich mitbestimmt, und als vermeintlich objektive Bewertungsinstanz in der Regel unhinterfragt bleibt, da den Akteuren „die Einsicht in die soziale Konstitution dieser Prozesse (…) systematisch versperrt“ (Liebau, 2009, S. 52) wird.

Während die Verlierer des Systems meist nach einiger Zeit die individualisierte Erklärung für ihren Misserfolg, die ihnen immer wieder vorgehalten wird, akzeptieren und sich diesen Misserfolg selbst zuschreiben, wird die Verklärung der Bildungswege als selbstbestimmte, nur von der eigenen Leistung abhängige Ergebnisse selbstverständlich auch von den Gewinnern des Systems mitgetragen, jedoch nicht primär, um etwa bewusste Distinktion zu betreiben oder gezielt die Verschleierung der Mechanismen zu unterstützen, sondern vor allem, um die Illusion von Selbstbestimmung aufrechtzuerhalten, die für die Habitus schulbildungsnaher Milieus charakteristisch ist – so „versuchen sie sich von der unerträglichen Idee zu distanzieren, daß eine so wenig selbstgewählte Determinante [die soziale Herkunft; MM] den, der alles daran setzt, sich selbst frei zu bestimmen, prägen könnte“ (Bourdieu & Passeron, 1971, S. 54).

Gerade in schulbildungsfernen Milieus steht die in der Schule durchgesetzte legitime Kultur der eigenen, milieuspezifischen Kultur gegenüber und übt symbolische Gewalt aus, weshalb schulische Bildung als Durchsetzung kultureller Hegemonie begriffen werden kann; der Glaube an einen über Leistung vermittelten, herkunftsunabhängigen Zugang zu Bildung erhält folglich die soziale Ungleichheit des Bildungswesens am Leben und bewirkt, dass die betroffenen Akteure die auf sie einwirkende symbolische Gewalt und symbolische Macht als legitim anerkennen und damit „die Sichtweisen, die die Herrschenden [und das Schulsystem als verlängerter Arm der herrschenden Verhältnisse; MM] auf sie haben, als legitime anerkennen und selbst übernehmen“ (Grundmann, Bittlingmayer, Dravenau, & Groh-Samberg, 2007, S. 57). Es werden also durch institutionelle Sanktionen dauerhafte Unterschiede produziert und legitimiert, die von den Betroffenen wiederum habituell verinnerlicht werden, was vor allem für von Versagenserlebnissen geprägte Schüler mit emotionalen Stresssymptomen, Prüfungsangst, Vermeidungsverhalten und ähnlichem verbunden sein kann, d.h. diese „Schüler werden im Hinblick auf ihre je eigene Leistungsfähigkeit und in der Wertschätzung ihrer Person systematisch abgewertet, degradiert und damit zu quasi-pathologischen Fällen“ (Grundmann, 2006, S. 71).

Zusammenfassend kann das Schulsystem nicht einfach als nach dem Leistungsprinzip operierender Faktor sozialer Mobilität begriffen werden, da eine solche Auffassung die ihm spezifischen Prozesse und Mechanismen der Reproduktion sowie der Produktion sozialer Ungleichheiten bestenfalls verkennt und schlimmstenfalls zusätzlich legitimiert, „[d]eutet doch im Gegenteil alles darauf hin, dass es einer der wirksamsten Faktoren der Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung ist, indem es der sozialen Ungleichheit den Anschein von Legitimität verleiht und dem kulturellen Erbe, dem als natürliche Gabe behandelten Vermögen, seine Sanktion erteilt“ (Bourdieu, 2001a, S. 25).


[1] Diese Umdeutung soll vielleicht den immanenten Widerspruch auflösen, der der biologistischen Erklärung von Leistungsunterschieden zugrunde liegt, denn letztlich ist Bildung kein erworbenes Merkmal und folglich auch keine Leistung, wenn Bildungserfolg nur von ‚natürlicher‘ Ausstattung abhängt (vgl. Solga, 2005).

[2] Lehrern und anderen Verantwortlichen soll damit nicht per se jeder gute Wille abgesprochen werden, der subjektiv durchaus vorliegen mag (und teilweise selbst zur Produktion sozialer Ungleichheit beiträgt), doch die objektive Funktion des Schulsystems in der Regel nicht beeinträchtigt.


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  26. Solga, H. (2005). Meritokratie – die moderne Legitimation ungleicher Bildungschancen. In P. A. Berger, & H. Kahlert (Hrsg.), Institutionalisierte Ungleichheiten. Wie das Bildungswesen Chancen blockiert (S. 19-38). Weinheim und München: Juventa.
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  28. Vester, M. (2004). Die Illusion der Bildungsexpansion. In S. Engler, & B. Krais (Hrsg.), Das kulturelle Kapital und die Macht der Klassenstrukturen (S. 13-53). Weinheim und München: Juventa.

Während Bildung „im traditionellen Sinne (…) als die erarbeitende und aneignende Auseinandersetzung mit der Welt schlechthin und Inbegriff der Selbstverwirklichung des Menschlichen im Menschen“ (Büchner, 2003, S. 7) verstanden wird, die Selbstentfaltung und Emanzipation ermöglicht, zeigt sich im Alltag und der öffentlichen Debatte dagegen vielmehr, dass es vor allem die staatlich anerkannten Bildungsabschlüsse und -titel sind, d.h. institutionalisierte Bildung, die für die beruflichen Chancen und damit letztlich die soziale Statuszuweisung ausschlaggebend sind. Dieses Gewicht institutionalisierter Bildung verleitet zur Nutzung eines verkürzten Bildungsbegriffs, der Bildung auf die Inhalte und Abschlüsse eben jener institutionalisierten Bildungsgänge reduziert und damit kurzerhand Bildungsprozesse und -inhalte außerhalb schulischer Sphären negiert, womit die in Bildungserfolg und -misserfolg sich niederschlagende (In)Kompatibilität zwischen herkunftsspezifischer, im Habitus inkorporierter Bildung und den institutionalisierten Bildungsvorstellungen aus dem analytischen Blickfeld verschwindet: „Die häufig anzutreffende Gleichsetzung von Bildung und erworbenen Bildungspatenten, die auf der Grundlage standardisierter Bildungsinhalte erworben werden, verfehlt diejenigen Momente von Bildung, die quer zu den in der Schule vermittelten Bildungsformen und -inhalten liegen“ (Grundmann, Groh-Samberg, Bittlingmayer, & Bauer, 2003, S. 27; vgl. Bittlingmayer, 2006). Um eine derartige Verkürzung zu vermeiden, ist zunächst eine differenzierte Betrachtung und Gegenüberstellung der Begriffe Sozialisation, Bildung und Erziehung notwendig.

Sozialisation ist als allumfassender Begriff zur Beschreibung „der sozialen Gestaltung von verlässlichen Sozialbeziehungen und der intergenerationalen Tradierung sozialen Handlungswissen“ (Grundmann, 2011, S. 63) zu verstehen, auf dessen Grundlage die Begriffe Bildung und Erziehung auf die konkrete inhaltliche Ausgestaltung dieses Sozialisationsprozesses abheben. Sämtliche Handlungen und Prozesse, die dazu beitragen, einem Akteur die Eingliederung in seine soziale Umwelt zu ermöglichen, an deren gesellschaftlichem Leben teilzunehmen und teilzuhaben sowie sein Verständnis über diese Prozesse zu erweitern, sind als Sozialisation zu begreifen. Demgegenüber bezeichnet der Begriff Bildung die „Kultivierung von Handlungswissen einzelner Individuen“ (ebd.), Erziehung „die Etablierung sozial erwünschter Eigenschaften von Personen durch Bezugspersonen“ (ebd.); beide Begriffe dienen demzufolge zur inhaltlichen Konkretisierung und Differenzierung von Sozialisationsprozessen. Bildung ist gemäß dieser abstrakten Definition keineswegs beschränkt auf institutionalisierte Bildungsprozesse, sondern umfasst jede Art von Handlungswissen, die einem Akteur nachhaltig zur Einbindung in das soziale Leben verhilft, wobei dieses Wissen in schulischen Einrichtungen, durch Traditionen oder schlicht im alltäglichen Leben weitergegeben und erworben werden kann (vgl. Suderland, 2004) – nicht immer widerspruchsfrei. Wie dieser Fokus auf Einbindung in die gesellschaftliche Umwelt bereits nahelegt, orientieren sich sowohl Bildung, zumindest jene, die von außen zielgerichtet an ein Individuum herangetragen wird, als auch Erziehung an solchen Verhaltensweisen und Wissensbeständen, die den gegenwärtigen sozialen Normen und Vorstellungen, den Anforderungen und Einschränkungen der gesellschaftlichen Welt entsprechen, „indem sie vor allem jene Eigenschaften und Fähigkeiten in den Blick nehmen, die gesellschaftlich wertgeschätzt werden“ (Grundmann, 2011, S. 64), wodurch die zu Erziehenden und zu Bildenden entsprechend geformt und auf das gesellschaftliche Leben vorbereitet werden sollen. Somit verfolgen Bildung und Erziehung in der Regel mindestens implizit systemfunktionale Ziele, die den Rahmen für die Formen und Inhalte von Bildung vorgeben und eine mit diesem kompatible Erziehung bedingen. Unter Berücksichtigung des Stellenwerts schulischer Bildung ist selbige in der gegenwärtigen Gesellschaft mit ihrem Fokus auf formale Bildungsgänge und -abschlüsse „einer Funktionalisierung durch gesellschaftliche Institutionen“ (ebd., S. 70) unterworfen, die eine Erziehung bedingt, die – soweit ihr das möglich ist – versucht, den Anforderungen dieser Funktionalisierung durch Anpassung innerfamiliärer oder generell alltagspraktischer Bildungs- und Erziehungsprozesse entgegenzukommen, zum Beispiel durch gezielte Vorbereitung auf schulische Bildungsinhalte. Zu Spannungsverhältnissen kommt es dabei, wenn diese Bildungs- und Erziehungsprozesse der unmittelbaren Lebensumwelt, d.h. des Bezugs- und Herkunftsmilieus, jenen Bildungsanforderungen widersprechen, die von den gesellschaftlichen Institutionen gefordert und vorausgesetzt werden – sind die Bildungsinhalte der Schule für das alltägliche Leben eines Schülers irrelevant oder umgekehrt, passt also der Habitus des Schülers, der die herkunftsspezifischen Bildungsinhalte inkorporiert hat, nicht zu den institutionellen Erfordernissen, so entstehen Inkompatibilitäten, die in der Regel zu schulischem Misserfolg führen.

Drei Arten von Bildung

Drei Arten der Bildung (Klicken zum Vergrößern).
Quelle: Rohlfs, 2011, S. 41.

Zum Verständnis des Zustandekommens derartiger Inkompatibilitäten zwischen individuellem Habitus und schulischen Anforderungen ist eine weitere Differenzierung des Bildungsbegriffs notwendig (vgl. Abbildung), die der Verkürzung auf institutionelle Bildung entgegentritt.

Neben formaler, staatlich sanktionierter Bildung, die das Monopol über die Vergabe der in der Regel für die berufliche und soziale Position ausschlaggebenden Bildungstitel innehat und nicht nur strukturiert wie zielgerichtet, sondern ferner in eigens dafür geschaffenen, symbolisch wie auch juristisch legitimierten Institutionen mit hierarchischen Strukturen, vorgegebenen Regeln, ständiger Leistungszertifizierung und Teilnahmeverpflichtung stattfindet, kann strukturierte und zielgerichtete Bildung auch non-formal, außerhalb der formalen Bildungs- und Berufsbildungsinstitutionen vonstattengehen, beispielsweise in Vereinen, Nachmittagskursen, Verbänden oder in Form von Nachhilfeangeboten, wobei nebst eingeschränkter Zertifizierungsmöglichkeit dieser Art von Bildung die freiwillige, nichtverpflichtende Teilnahme an derartigen Bildungsangeboten das zentrale Charakteristikum non-formaler Bildung darstellt (vgl. Rohlfs, 2011). Nicht minder relevant ist allerdings das Lernen im informellen Kontext, das spontan vom individuellen Akteur ausgeht, sich ungeplant vollzieht und „indirekt und gewöhnlich anlassbezogen-sporadisch-zufällig, also situativ an akuten Einzelproblemen und deren Lösung orientiert, unzusammenhängend, vordergründig-utilitaristisch wie unkritisch-unreflektiert“ (Rohlfs, 2011, S. 39) ist. Zwar kann informelle Bildung bisweilen zertifiziert werden (man denke etwa an Kopfnoten), doch unterliegen die Bildungsprozesse an sich keiner Struktur oder Steuerung und folgen keinen formalen Vorgaben, die als Grundlage einer Bewertung nötig wären, sodass in der Regel keine Zertifizierung informeller Bildung möglich ist. Von entscheidender Bedeutung ist zudem, dass informelle Bildung „in der natürlichen (sozialen) Umwelt der Bildungsakteure“ (ebd.) stattfindet und sich dadurch auszeichnet, „dass Lernsituation und praktischer Verwendungszusammenhang zusammenfallen“ (Dravenau & Groh-Samberg, 2005, S. 118). Was auf derartige informell-situative Weise gelernt wird, weist stets unmittelbaren Bezug zur konkreten Lebenswelt des Akteurs auf (vgl. Grundmann, Bittlingmayer, Dravenau, & Groh-Samberg, 2007), sei es im Kontext der Lösung eines alltagspraktischen Problems oder der Kommunikation mit den umgebenden Mitmenschen, während formale Bildung einen solchen Alltagsbezug zwar aufweisen kann, dieser aber nicht selbstverständlich ist, da sich außer bei bildungsnaher Herkunft die „Lern- und Bildungsprozesse in der Familie deutlich von jenen unterscheiden, die in institutionalisierten Bildungseinrichtungen vorherrschen“ (ebd., S. 43) – als Beispiel sei hier nur auf das Lesen klassischer Literatur verwiesen, das für einen Schüler durchaus mit dessen Alltagspraxis kompatibel sein kann, sofern dieser in einem entsprechenden kulturellen Umfeld aufgewachsen ist; es verliert jedoch jegliche außerschulische Relevanz für einen Schüler, in dessen Alltagspraxen das Lesen an sich oder diese konkrete Form der Literatur (so gut wie) keine Rolle spielt. Dieses herkunftsspezifische kulturelle Erbe, das sich für das Passungsverhältnis mit der Schule verantwortlich zeichnet, wird, da die Vererbung in Form informeller Bildung stattfindet, „auf osmotische Weise übertragen, ohne jedes methodische Bemühen und jede manifeste Einwirkung“ (Bittlingmayer & Grundmann, 2006, S. 76).

Die hier vollzogene Trennung[1] in formale, non-formale und informelle Bildung soll trotz des großen Gewichts, das die formale Bildung in Hinblick auf beruflichen Erfolg und Statuszuweisung einnimmt, nicht zu einer Hierarchisierung der verschiedenen Erscheinungsformen von Bildung verleiten, sondern das oftmals auf institutionelle Bildung verengte Bildungsverständnis erweitern. Eine solche Hierarchisierung nämlich würde die Tatsache entwerten und negieren – womit nun seinerseits keine umgekehrte Hierarchisierung nahegelegt, sondern jede Form der Hierarchisierung an sich in Frage gestellt werden soll –, „dass der weitaus größte Teil aller menschlichen Lernprozesse (…) außerhalb der Bildungsinstitutionen stattfinde[t]“ (Rohlfs, 2011, S. 47). Bildung beginnt demzufolge nicht erst mit formalen Bildungsformen, sondern bereits mit den in den Habitus eingehenden alltäglichen Lern- und Bildungsprozessen eines Heranwachsenden in Familie und genereller Lebenswelt, die den Großteil der Erfahrungen nicht nur, aber besonders im Kindesalter ausmachen; gelernt wird also vorwiegend „durch Praxis, durch Nachmachen und Mittun, durch Aneignung von Routinen und Gewohnheiten und durch die dementsprechende Entwicklung von Denk-, Wahrnehmungs-, Urteils- und Handlungsmustern, die aus der Herkunftskultur stammen und in ihr Sinn haben“ (Liebau, 2009, S. 47).

Diese Ausführungen machen deutlich, dass die Aneignung von Bildung, d.h. das Lernen „nicht nur als bewusste kognitive, sondern auch als eher unbewusste psychische und gefühlsmäßige Verarbeitung von Eindrücken, Informationen, Erlebnissen etc.“ (Rohlfs, 2011, S. 36) verstanden werden muss, das sich „bewusst wie unbewusst, intentional wie beiläufig, theoretisch wie praktisch“ (ebd.) vollzieht. Bildungsprozesse, begriffen als Inkorporierung von Kultur, und das mit ihnen verbundene Lernen finden daher nur selten rein kognitiv, sondern vielmehr habituell statt – während formale Bildung eher auf der rationalen Ebene anzusiedeln ist, geschieht das grundlegende, informelle Lernen mehrheitlich beiläufig und ohne gezielte Intention, woraus weiteres Konfliktpotential erwachsen kann, weil etwaige Inkompatibilitäten zwischen formalen Bildungsanforderungen und Habitus infolgedessen nicht allein durch rationale Intervention oder Reflexion auflösbar sind.

Diese wesentlichen Unterschiede zwischen den formalen, in ausgewiesenen Bildungseinrichtungen stattfindenden und den informellen, sich in der Familie vollziehenden Bildungsprozessen machen deutlich, welch analytische Kurzsichtigkeit eine Verengung des Bildungsbegriffs auf institutionalisierte Bildungsprozesse zur Folge hat, die nur formalem Lernen einen Wert zumisst und „mit dem informellen Lernen eher «Nichtbildung» [assoziiert], weil Spiel und «tun und lassen können, was man will» mit Verschwendung von Bildungsressourcen gleichgesetzt wird“ (Dollase, 2007, S. 6; vgl. Rohlfs, 2011), womit all jene Bildungsformen, -prozesse und -inhalte jenseits der institutionellen Vorgaben und damit auch die daraus resultierenden Passungs- oder Konfliktverhältnisse ignoriert werden. Wenn nicht gar explizit, so liegt diesem auch in der empirischen Bildungsforschung verbreiteten  hierarchischen Bildungsverständnis (dazu kritisch Grundmann, Bittlingmayer, Dravenau, & Groh-Samberg, 2007; Grundmann, 2011) doch zumindest implizit eine Defizitlogik zugrunde, die sämtliche herkunftsspezifischen Bildungsprozesse abwertet und als minderwertig betrachtet, solange diese nicht im schulischen Kontext anschlussfähig oder verwertbar sind, was gleichzeitig die dieser Hierarchisierung zugrundeliegende Vorstellung und den Anspruch reproduziert, bei schulischer Bildung handele es sich um die (einzig) legitime Form von Kultur (vgl. Bock, 2008; Grundmann, Groh-Samberg, Bittlingmayer, & Bauer, 2003). Wenngleich durch Zertifizierung, staatlich anerkannte Abschlüsse, Orientierung an Lehrplänen und weitgehende Standardisierung von Lernprozessen und -inhalten die schulische Bildung als legitime Bildung ausgewiesen ist, die für Statuszuweisung und als Qualifikationsnachweis für beruflichen Ein- oder Aufstieg herangezogen wird, so darf doch nicht übersehen werden, dass außerschulische Bildungsprozesse auch dann stattfinden, „wenn schulische Bildungsverläufe fehlschlagen, verkürzt oder abgebrochen werden“ (Grundmann, Groh-Samberg, Bittlingmayer, & Bauer, 2003, S. 27) – nur werden eben diese vermeintlich unnützen Bildungsprozesse und -inhalte selbst dann nicht als legitime Bildung anerkannt, wenn sie für den konkreten Akteur zum täglichen Überleben in Milieu und Gesellschaft von teils existentieller Bedeutung sind.

Wie hieran deutlich wird, bedingt die Formalisierung von Bildung nicht nur eine Hierarchisierung von Kultur, die mit dieser Institutionalisierung und der damit einsetzenden Abwertung außerschulischer Bildungsprozesse einhergeht, sondern formt Bildung generell zu einem „ökonomisch-politischen Instrument“, das vordergründig zwar mit den Versprechen von Emanzipation, Mündigkeit und Selbstverwirklichung maskiert wird, dabei allerdings nur „jene Kulturtechniken vermittelt [und akzeptiert; MM], die politisch und ökonomisch gewollt sind“ (Grundmann, 2011, S. 72). Erziehung erschöpft sich in diesem Sinne darauf, die Ausprägung eines möglichst schulkonformen Habitus zu fördern bzw. sicherzustellen, der sowohl ‚leistungsfähig‘ ist als auch die erwünschten Charakterzüge aufweist – „eine gute Erziehung zeichnet sich demnach durch optimale Vorbereitung auf die Schule aus“ (ebd., S. 70), demgegenüber eine Erziehung, die eine solche Vorbereitung nicht leisten kann (oder will), automatisch als defizitär betrachtet wird. Insofern kann von einem emanzipatorischen Element überhaupt nur dann die Rede sein, wenn die Bildungsanforderungen sich mit den eigenen Lebensentwürfen und – unmittelbar relevanter – den Anforderungen des täglichen Lebens decken oder diesen zumindest nicht widersprechen; in jedem anders gelagerten Fall findet das Gegenteil von Emanzipation statt, nämlich eine die soziale Hierarchie reproduzierende symbolische und strukturelle Gewalt, vermittelt über die Abwertung herkunftsspezifischer kultureller Praktiken, indem „Erziehung und Bildung (…) zur Selektion und Legitimation ungleicher Lebenschancen herangezogen“  (Grundmann, 2011, S. 64) werden.

Völlig unbeachtet bleiben bei der Verkürzung des Bildungsbegriffs und der damit verknüpften Hierarchisierung von Kultur die Perspektiven der betroffenen Akteure, die über eine jeweils eigene, herkunftsspezifische Kultur mit divergierenden Bildungsstrategien verfügen und diese in das institutionelle Bildungssystem hineintragen, wo ihnen aufgrund ihrer Anschlussfähigkeit entweder Akzeptanz entgegengebracht wird und sich ein Gefühl der selbstverständlichen Zugehörigkeit einstellen kann, oder infolge kultureller Differenz strikte Abwertung entgegenschlägt und ein diffuses Gefühl der Nichtzugehörigkeit entsteht, was u.a. das Phänomen der Selbsteliminierung zur Folge hat, also das scheinbar (!) freiwillige und selbstgewählte verfrühte Ausscheiden aus dem Bildungssystem oder die Beschränkung auf objektiv wenig ertragreiche, aber subjektiv als sicher empfundene Bildungswege. Wie deutlich geworden sein sollte, ist zum Verständnis dieses Passungsverhältnisses der „Bildungsbegriff aus seiner institutionellen Verankerung zu entgrenzen“ (Grundmann, Groh-Samberg, Bittlingmayer, & Bauer, 2003, S. 27), da nur mittels eines solchen breitgefassten Bildungsbegriffs, der unter Rückgriff auf das Habituskonzept die herkunftsspezifischen  Bildungsstrategien und -inhalte im Kontext ihrer Lebenswelt beleuchtet und ernst nimmt, anstatt sie unter der Prämisse einer Defizitlogik abzuwerten, „diejenigen sozialisatorischen Alltagspraktiken, individuellen Handlungsbefähigungen und Handlungsstrategien sichtbar [gemacht werden können], die für die Reproduktion der sozial ungleichen Bildungserfolge sozialisatorisch verantwortlich sind und die in der Regel außerhalb der schulischen Alltagspraxis selbst liegen“ (Grundmann, Bittlingmayer, Dravenau, & Edelstein, 2006, S. 16; vgl. Bittlingmayer, 2006).

Wird der Bildungsbegriff von seiner Fixierung auf schulische Bildung gelöst und differenziert betrachtet, so muss auch der darauf aufbauende Begriff des Bildungserfolgs eine ähnliche Differenzierung erfahren, um unter anderem deutlich machen zu können, wie Bildungserfolg einer Lesart gegebenenfalls anderen Vorstellungen von Bildungserfolg – insbesondere jenen innerhalb des Bildungssystems – zuwiderlaufen kann.

Zunächst kann Bildungserfolg individuell-lebensweltlich begriffen werden, als allgemeine Handlungsbefähigung, um am alltäglichen Leben in der gegebenen Bezugswelt, d.h. dem umgebenden Milieu, teilnehmen und teilhaben zu können (vgl. Huisken, 2005; Bittlingmayer, 2006; Dravenau, 2006; Grundmann, 2006; Grundmann, Bittlingmayer, Dravenau, & Groh-Samberg, 2007; Bock, 2008; Grundmann, 2011). Bildungserfolg in diesem Sinne zeichnet sich dadurch aus, die milieuspezifischen Handlungs- und Umgangsformen, die alltäglichen Praxen wie auch sprachlichen Besonderheiten (etwa Umgangssprache oder Dialekt)  zu erlernen und anwenden zu können, was in der Regel in Form von informeller Bildung geschieht und somit bei den Akteuren einen herkunftsspezifischen, an die konkreten Anforderungen angepassten Habitus herausbildet. Als erfolgreich gilt hier, wer sich aufgrund dieses Habitus in seinem Milieu als Zugehöriger und sich zugehörig Fühlender bewegen kann.

Weiterhin kann Bildungserfolg aus einer Perspektive verstanden werden, die Bildung als Bürgerrecht (vgl. Dahrendorf, 1966) oder gesamtgesellschaftlich-emanzipatives Element betrachtet, das sowohl den Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen ermöglicht als auch Grundlage für die aktive politische Teilnahme und damit letztlich die Gestaltung der Gesellschaft ist (vgl. Büchner, 2003; Huisken, 2005; Butterwegge, 2010; Quenzel & Hurrelmann, 2010; Grundmann, 2011). Nach diesem Verständnis ist Bildung nicht nur für die Handlungsbefähigung im direkten Milieu von zentraler Bedeutung, sondern ebenfalls essentieller Bestandteil der politischen Meinungsbildung und der Möglichkeit zur Einflussnahme auf gesellschaftliche Bedingungen. Wird Zugang zu Bildung verwehrt oder ist dieser sozial ungleich verteilt, hat dies nicht nur Konsequenzen für die individuellen Arbeitsmarktchancen und sämtliche damit verknüpften Auswirkungen auf die betroffenen Individuen, sondern bedeutet gleichzeitig eine Einschränkung der politischen Mit- oder bloß Selbstbestimmung, d.h. letztlich ein Ungleichgewicht demokratischer Partizipationsmöglichkeiten. Schulische Bildung kann mit derartigen Emanzipationsprozessen wiederum in Konflikt geraten, wenn diese beispielsweise die Regeln und Abläufe der schulischen Institutionen in Frage stellen.

Wie anfangs bereits dargelegt, wird Bildungserfolg in der Regel allerdings allein mit dem Erfolg oder Misserfolg innerhalb institutioneller Bildungseinrichtungen und den von diesen vergebenen Bildungszertifikaten gleichgesetzt, was auch von Teilen der soziologischen Bildungsforschung und vor allem den PISA-Studien übernommen wird (vgl. Becker & Hadjar, 2011; exemplarisch OECD, 2010). Dies entspricht einer systemfunktionalen Betrachtung im Kontext des Bildungssystems und des darauf aufbauenden Arbeitsmarkts; Bildungsungleichheiten an sich, wenn auch nicht zwingend soziale Ungleichheiten, werden aus dieser systemfunktionalen Perspektive heraus als notwendig erachtet und positiv bewertet, da unterschiedliche berufliche Positionen auch unterschiedliche schulische Abschlüsse voraussetzen und ein gleiches Maß an Bildung somit Unter- bzw. Überqualifikation produzieren würde. Weder die Befähigung zur alltäglichen Lebensführung und die Anpassung an die Erfordernisse der unmittelbaren Lebenswelt noch die gesellschaftliche sowie politische Partizipation stehen bei dieser Definition von Bildungserfolg im Vordergrund, sondern die Erlangung von Berufsqualifikation und eines entsprechenden Status, was bedeutet, dass Bildungserfolg anhand der Vermittlung und Überprüfung schulischer Bildung in Form von Noten, Zertifikaten und dem Zugang zu höherer Bildung sowie letztlich dem daraus resultierenden beruflichen Erfolg gemessen wird. Hierbei handelt es sich um eine Messung anhand objektiver Kriterien, die sowohl die Akteursperspektive als auch milieuspezifische Differenzen unberücksichtigt lässt.

Bildungserfolg ist demzufolge nicht gleich Bildungserfolg, und Bildungserfolg im einen Sinne muss nun nicht mit Bildungserfolg in einem anderen Sinne einhergehen, vielmehr eröffnen sich erhebliche Konfliktdimensionen. Wer durch spezifische Milieubedingungen geprägt und innerhalb dieser alltäglichen Lebensbedingungen sozialisiert wurde, in diesem Sinne also Bildungserfolge aufweisen kann, die ihn zur Gestaltung des täglichen Lebens befähigen, ist dadurch nicht gleichsam prädestiniert für schulische Bildungserfolge, weil die jeweiligen Definitionen von Bildungserfolg sich diametral widersprechen können – ist beispielsweise im Rahmen der alltäglichen Praxen eine Konzentration auf handwerkliche Tätigkeiten oder konkrete Problemlösungsstrategien nötig, negiert die Schule kurzerhand durch ihren Fokus auf abstrakte Bildung diese milieuspezifischen Bildungserfolge und stellt ihnen eine ganz eigene Definition derselben gegenüber, die mit den Milieubedingungen nicht oder nur bedingt kompatibel ist. Es stehen sich in Folge zwei Auffassungen von Bildungserfolg gegenüber, die nur schwer miteinander in Einklang zu bringen sind, nicht zuletzt, weil sie im außerschulischen Leben für den jeweiligen Akteur ganz unterschiedliche Relevanz aufweisen können, bis hin zur völligen lebensweltlichen Irrelevanz schulischer Bildungsprozesse.


[1] Bei der hier vollzogenen Trennung in formale, non-formale und informelle Bildung handelt es sich vorrangig um eine Trennung analytischer Natur, da sich die Bildungsformen in der alltäglichen Praxis durchaus überschneiden und deren Grenzen verschwimmen können (vgl. Abbildung), so z.B. bei Gesprächen, beim Spielen oder anderen Handlungen im schulischen Kontext, die zwar am Ort formaler Bildung stattfinden, allerdings nicht zu den formalen Lerninhalten zählen.


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