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„In der Regel feh­len denen, die über Bil­dungs­ka­pi­tal in nen­nens­wer­tem Umfang nicht ver­fü­gen, die ›rich­ti­gen‹ Infor­ma­tio­nen für eine in die höchs­ten Posi­tio­nen füh­ren­de Bil­dungs­in­ves­ti­ti­on, es fehlt ihnen die Ver­traut­heit mit den Struk­tu­ren und Wer­ten der Schu­le, und wo die­se nicht fehlt, wie zum Bei­spiel in den Fami­li­en der Leh­rer oder der klei­nen Beam­ten, da feh­len ihnen die mate­ri­el­le Sicher­heit und auch die Sicher­heit des Habi­tus, die jene ris­kan­ten Bil­dungs­we­ge ermög­li­chen wür­den, die den höchs­ten Gewinn ver­spre­chen“ (Krais & Gebau­er, 2002, S. 41).

Zusätz­lich zu einer kul­tu­rel­len und habi­tu­el­len Pas­sung, die sich als pri­mä­rer Her­kunfts­ef­fekt auf die schu­li­schen Leis­tun­gen aus­wirkt, ist die Bil­dungs­lauf­bahn inner­halb des Schul­sys­tems von zahl­rei­chen sich kumu­lie­ren­den Ent­schei­dun­gen geprägt, die je nach sozia­ler Her­kunft unter­schied­lich aus­fal­len, von der Wahl der vor­schu­li­schen Betreu­ung und der Grund­schu­le, über die wei­ter­füh­ren­de Schul­form, die Auf­nah­me einer beruf­li­chen Aus­bil­dung oder eines Stu­di­ums bis hin zur Wahl des spe­zi­fi­schen Stu­di­en­fachs. Die­se Bil­dungs­ent­schei­dun­gen sind vor allem in den ers­ten Abschnit­ten des Bil­dungs­ver­laufs wie etwa beim Über­gang von der Grund- in die wei­ter­füh­ren­de Schu­le elter­li­che Ent­schei­dun­gen, wäh­rend spä­ter auch der Schü­ler selbst die Ent­schei­dun­gen beein­flus­sen kann[1].

In der Bil­dungs­for­schung domi­nie­ren ver­schie­de­ne, auf Boudons (1974) Modell ratio­na­ler Wahl­ent­schei­dun­gen fußen­de Kon­zep­te (für einen Über­blick sie­he Maaz, Hau­sen, McEl­va­ny, & Bau­mert, 2006; Becker R., 2011; Stocké, 2010) die Erklä­rung der her­kunfts­spe­zi­fi­schen Bil­dungs­ent­schei­dun­gen, wie etwa die Theo­rie ratio­na­ler Bil­dungs­ent­schei­dun­gen (vgl. Erik­son & Jons­son, 1996), der mikro­theo­re­ti­sche Ansatz (vgl. Breen & Gold­thor­pe, 1997) oder die Wert-Erwar­tungs-Theo­rie (vgl. Esser, 1999). Der Kern all die­ser Theo­rien „besteht in der Annah­me, dass Indi­vi­du­en bei der Ent­schei­dungs­fin­dung kal­ku­lie­ren, wel­che Erträ­ge sich aus dem Besuch eines bestimm­ten Bil­dungs­gangs erge­ben und wel­che Kos­ten damit ver­bun­den sind“ (Maaz, Hau­sen, McEl­va­ny, & Bau­mert, 2006, S. 303; vgl. Hill­mert, 2007), dem­zu­fol­ge es sich bei Bil­dungs­ent­schei­dun­gen um zukunfts­ori­en­tier­te, nut­zen­ma­xi­mie­ren­de, ziel­ge­rich­te­te ratio­na­le Abwä­gung als „Teil der Lebens­pla­nung“ (Becker R., 2011, S. 107) han­de­le. Ver­all­ge­mei­nernd wird hier­zu das Motiv des Sta­tus­er­halts unter­stellt (vgl. Maaz, 2006; Maaz, Hau­sen, McEl­va­ny, & Bau­mert, 2006; Becker R., 2007; Hill­mert, 2007; Becker R., 2011), das als allei­ni­ges Motiv aller­dings bereits zu kurz greift, da milieu­spe­zi­fi­sche Ein­stel­lungs­mus­ter und Bil­dungs­aspi­ra­tio­nen gegen­über der Schu­le exis­tie­ren, die sich in ent­spre­chen­den her­kunfts­spe­zi­fi­schen ‚Stra­te­gien‘ äußern, sei­en es je nach Milieu etwa Auf­stiegs- oder Ver­mei­dungs­stra­te­gien. Damit ver­bun­den ist zudem die Fra­ge, wes­sen Nut­zen eigent­lich gemeint ist, wenn von Nut­zen­ma­xi­mie­rung gespro­chen wird (vgl. Dit­ton, 2007, S. 251) – der der Fami­lie, der des Kin­des oder gar ein gänz­lich anderer.

Die unglei­chen, her­kunfts­spe­zi­fi­schen Bil­dungs­ent­schei­dun­gen wer­den in die­sem Kon­text mit einer je nach sozia­ler Her­kunft unter­schied­lich aus­fal­len­den Ein­schät­zung und Bewer­tung der eige­nen Leis­tun­gen, des poten­ti­el­len Stu­di­en­erfolgs und des Kos­ten­ri­si­kos erklärt (vgl. Becker & Lau­ter­bach, 2007; Becker R., 2010), d.h. „[d]ie Ratio­na­li­tät der Bil­dungs­ent­schei­dung ergibt sich daher aus der (ver­nünf­ti­gen) Beach­tung von Mög­lich­kei­ten und Zwän­gen der Ent­schei­dungs- und Hand­lungs­mög­lich­kei­ten, die wie­der­um mit der sozia­len Posi­ti­on der Fami­lie und ihren Res­sour­cen gege­ben sind“ (Becker R., 2007, S. 165). Wenn­gleich dar­auf hin­ge­wie­sen wird, dass der­ar­ti­ge „Eva­lua­tions- und Aus­wahl­pro­zes­se (…) nicht zwangs­läu­fig bewusst vor­ge­nom­men wer­den“ (Becker R., 2011, S. 127) müs­sen, wird doch immer wie­der betont, der­ar­ti­ge Bil­dungs­ent­schei­dun­gen basier­ten auf „kom­ple­xen Ent­schei­dungs­pro­zes­sen, denen in der Regel mehr oder weni­ger umfas­sen­de Infor­ma­ti­ons­su­chen, selek­ti­ve Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tun­gen und dar­auf basie­ren­de Abwä­gungs­pro­zes­se vor­aus­ge­hen“ (ebd., S. 107) – hier wird ent­we­der ein Wider­spruch offen­bar, oder es han­delt sich um eine Ein­schrän­kung der latent ratio­na­lis­ti­schen Sicht­wei­se zuguns­ten ande­rer Erklä­rungs­an­sät­ze wie etwa unter Zuhil­fe­nah­me des Habi­tus­kon­zepts. Für letz­te­res spricht, dass zugleich ‚frames‘ und ‚habits‘ ange­führt wer­den, die zu siche­ren und ‚auto­ma­ti­schen Ent­schei­dun­gen‘ füh­ren sol­len, da sie „sich in der Ver­gan­gen­heit immer bewährt haben“ (ebd., S. 127) und es die „Unbe­stimmt­heit der kon­kre­ten Hand­lungs­si­tua­ti­on (…) mög­li­cher­wei­se struk­tu­rell unmög­lich [macht], i.e.S. ‚ratio­nal’ zu han­deln“ (Hill­mert, 2007, S. 92), wes­we­gen auf bewähr­te, erfah­rungs­mä­ßi­ge (und eher unbe­wuss­te) Hand­lungs­me­cha­nis­men zurück­ge­grif­fen wer­den muss.

In die­sem Sin­ne soll das Kon­zept der ratio­na­len Wahl mit jenem des Habi­tus ver­bun­den wer­den, da „ratio­na­le Ent­schei­dun­gen übli­cher­wei­se mit den inkor­po­rier­ten Sche­ma­ta des Habi­tus weit­ge­hend zusam­men­fal­len“ (Lan­ge-Ves­ter & Tei­wes-Küg­ler, 2006, S. 60; vgl. Ves­ter, 2006; Grund­mann, 2006), was nichts ande­res bedeu­tet, als dass ein Indi­vi­du­um die objek­ti­ven Per­spek­ti­ven, Chan­cen und Wahr­schein­lich­kei­ten habi­tu­ell ver­in­ner­licht hat, die somit zur Grund­la­ge der eige­nen, sub­jek­ti­ven her­kunfts­spe­zi­fi­schen Ratio­na­li­tät gewor­den sind, sodass objek­ti­ve Mög­lich­kei­ten und sub­jek­ti­ve Ent­schei­dun­gen in einer Art Wahl der wahr­schein­lichs­ten Zukunft – ver­mit­telt über die impli­zi­te Kom­pli­zen­schaft des Habi­tus mit den ihn erzeu­gen­den Struk­tu­ren – in der Regel über­ein­stim­men, da der Habi­tus und der mit ihm ein­her­ge­hen­de prak­ti­sche Sinn als „Natur gewor­de­ne, in moto­ri­sche Sche­ma­ta und auto­ma­ti­sche Kör­per­re­ak­tio­nen ver­wan­del­te gesell­schaft­li­che Not­wen­dig­keit“ (Bour­dieu, 1987b, S. 127; vgl. Krais & Gebau­er, 2002) eine Ratio­na­li­tät erzeugt, die den erfah­re­nen gesell­schaft­li­chen Umstän­den am bes­ten ange­passt ist: „Ob die Wahl eines Stu­di­ums oder die Ent­schei­dung für einen Lehr­be­ruf eher ratio­nal kal­ku­lie­rend oder eher ohne spe­zi­fi­sche Kal­ku­la­ti­on erfolgt, lässt sich des­halb oft gar nicht unter­schei­den, weil bei­de Logi­ken des Han­delns zu über­ein­stim­men­den Ergeb­nis­sen füh­ren“ (Lan­ge-Ves­ter & Tei­wes-Küg­ler, 2006, S. 60) und „Über­ein­stim­mun­gen zwi­schen dem Wil­len der Akteu­re und den Len­kun­gen des Bil­dungs­sys­tems die Regel sind“ (Lan­ge-Ves­ter, 2009, S. 273). Wenn also eine ratio­na­le Wahl per Beob­ach­tung kon­stru­iert wird, heißt das nicht zwangs­läu­fig, dass der Akteur die­se auch bewusst als ratio­na­le Wahl erfah­ren bzw. voll­zo­gen hat, da „bewuss­tes und kal­ku­lie­ren­des Han­deln im All­tag von Men­schen einen Son­der­fall, kei­nes­wegs den ‚Nor­mal­mo­dus‘ des Han­delns dar­stellt“ (Bitt­ling­may­er, 2006, S. 45; vgl. Ves­ter, 2004), sind doch die „ein­träg­lichs­ten Stra­te­gien (…) meist die, wel­che außer­halb jeder Berech­nung (…) erzeugt wer­den“ (Bour­dieu, 1987a, S. 116), wes­halb zwar „eine sehr enge Kor­re­la­ti­on zwi­schen wis­sen­schaft­lich kon­stru­ier­ten objek­ti­ven Wahr­schein­lich­kei­ten (…) und sub­jek­ti­ven Erwar­tun­gen“ (ebd., S. 100) fest­ge­stellt wer­den kann, die aber nicht als Beleg für bewusst-kal­ku­lie­ren­des Han­deln miss­ver­stan­den wer­den soll­te (vgl. ebd.; Krais & Gebau­er, 2002; Wig­ger, 2009; Bour­dieu & Wac­quant, 1996).

Über den Habi­tus wer­den in der Regel „die unwahr­schein­lichs­ten Prak­ti­ken (…) durch eine Sofort­un­ter­wer­fung unter die Ord­nung, die aus der Not gern eine Tugend macht, also Abge­lehn­tes ver­wirft und Unver­meid­li­ches will, als undenk­ba­re aus­ge­schie­den“ (Bour­dieu, 1987a, S. 100), bevor über­haupt eine bewusst-kal­ku­lie­ren­de Abwä­gung statt­fin­den kann; so zum Bei­spiel im Fall des schul­ab­leh­nen­den Ver­hal­tens unter Kin­dern aus schul­bil­dungs­fer­nen Milieus, denn hier­bei wer­den die Spiel­re­geln von vorn­her­ein abge­lehnt, das Spiel nicht aner­kannt, weil die ohne­hin gerin­gen objek­ti­ven Erfolgs­chan­cen bereits habi­tu­ell ver­in­ner­licht wor­den sind. Bil­dungs­stra­te­gien und ratio­na­le Bil­dungs­ent­schei­dun­gen kön­nen somit nicht anders begrif­fen wer­den denn als „eine (impli­zi­te) Ver­nünf­tig­keit der Hand­lungs­plä­ne, wie sie sich aus dem Habi­tus des Indi­vi­du­ums bzw. der Fami­lie und aus der jewei­li­gen Posi­ti­on im sozia­len Raum ergibt“ (Bra­ke & Büch­ner, 2009, S. 69), dem­entspre­chend die­se Ver­nünf­tig­keit mit den jeweils milieu­spe­zi­fi­schen All­tags­prak­ti­ken, deren Zusam­men­wir­ken mit dem Hand­lungs­feld Schu­le, der unter­schied­li­chen Schul­nä­he und der Wert­schät­zung der Schu­le als auch der von der Schu­le erfah­re­nen Wert­schät­zung vari­iert (vgl. Lan­ge-Ves­ter & Tei­wes-Küg­ler, 2006; Grund­mann, 2006) und nicht objek­tiv fass­bar, son­dern nur anhand der sub­jek­ti­ven Dis­po­si­tio­nen erklär­bar ist.

Jeder ratio­na­lis­ti­sche Erklä­rungs­an­satz der Bil­dungs­ent­schei­dun­gen ist folg­lich „intel­lek­tu­ello­zen­trisch“ (Bour­dieu & Wac­quant, 1996, S. 153) und begeht daher den Feh­ler, objek­tiv fest­stell­ba­re Stra­te­gien als sub­jek­ti­ve Stra­te­gien zu inter­pre­tie­ren und dahin­ge­hend umzu­deu­ten (vgl. Bour­dieu, 1998, S. 207 & 210; Bour­dieu & Wac­quant, 1996, S. 100; Krais & Gebau­er, 2002, S. 23), womit er einer retro­spek­ti­ven Illu­si­on auf­liegt, indem „die objek­tiv fina­li­sier­te Akti­on des Habi­tus als das Ergeb­nis einer bewuss­ten und kal­ku­lier­ten (…) Stra­te­gie auf­ge­fasst wird und nicht als eine objek­ti­ve Stra­te­gie, die ihren Erfolg viel­fach nur ihrer Unbe­wusst­heit (…) ver­dankt“ (Bour­dieu, 2011, S. 25), zumal es tri­vi­al bis tau­to­lo­gisch anmu­tet zu kon­sta­tie­ren, Akteu­re ent­schie­den sich in einem ratio­na­len Pro­zess für die­je­ni­ge Alter­na­ti­ve, die bei ratio­na­ler Abwä­gung am sinn­volls­ten sei.

Hin­zu kom­men Kon­flikt­ver­hält­nis­se zwi­schen All­tags­pra­xis und schu­li­scher Pra­xis, die maß­geb­li­chen Ein­fluss auf die jeweils ver­folg­ten Bil­dungs­stra­te­gien aus­üben. In den unte­ren, schulbildungsferne(re)n Milieus pro­vo­ziert die Schu­le einen „kon­flikt­haf­te Gegen­satz, der hier zwi­schen lebens­welt­lich rele­van­ter und insti­tu­tio­nell gefor­der­ter Bil­dung besteht“ (Grund­mann, Bitt­ling­may­er, Dra­ven­au, & Groh-Sam­berg, 2007, S. 48; vgl. Bitt­ling­may­er & Grund­mann, 2006; Dra­ven­au & Groh-Sam­berg, 2005), der letz­ten Endes eine die sozia­le Iden­ti­tät mas­siv beein­träch­ti­gen­de Bil­dungs­ent­schei­dung her­vor­ruft, die zuguns­ten der Schu­le und gegen das Her­kunfts­mi­lieu oder zuguns­ten des Her­kunfts­mi­lieus und gegen die Schu­le aus­fällt, denn jene „Hand­lungs­be­fä­hi­gun­gen und Kom­pe­ten­zen, die in der einen Welt zäh­len, sind in der jeweils ande­ren nichts wert“ (ebd., S. 49). Spä­tes­tens an die­ser Stel­le soll­te deut­lich wer­den, dass eine rein auf Nut­zen­ma­xi­mie­rung und ratio­na­le Abwä­gung fokus­sier­te Ana­ly­se der­ar­ti­ge iden­ti­täts­stif­ten­de oder -bedro­hen­de Ein­flüs­se und poten­ti­el­le Ent­frem­dungs­pro­zes­se größ­ten­teils igno­riert und nur eine lücken­haf­te Erklä­rung leis­ten kann, die der Akteurs­per­spek­ti­ve kaum gerecht wird, da auch die zu erwar­ten­de Ent­frem­dung und Ent­beh­rung und die damit ein­her­ge­hen­den Zumu­tun­gen in die Bil­dungs­ent­schei­dun­gen ein­ge­hen (Grund­mann, Bitt­ling­may­er, Dra­ven­au, & Edel­stein, 2006). Die vor allem bei Fami­li­en mit nied­ri­gem Bil­dungs­sta­tus zu beob­ach­ten­de Selbst­eli­mi­nie­rung aus dem Schul­sys­tem, d.h. die Wahl wenig ertrag­rei­cher Bil­dungs­lauf­bah­nen, der Abbruch der­sel­ben oder die Ent­wick­lung von Gegen­wel­ten kann dar­um als Selbst­schutz ver­stan­den wer­den, um „der wei­te­ren Kon­fron­ta­ti­on mit den lebens­welt­lich inkom­men­sur­a­blen Impe­ra­ti­ven schu­li­scher Bil­dung aus dem Weg [zu] gehen“ (Grund­mann, Groh-Sam­berg, Bitt­ling­may­er, & Bau­er, 2003, S. 39; vgl. Dit­ton, 2010; Dra­ven­au, 2006).

Unzu­rei­chen­de ana­ly­ti­sche Schär­fe wei­sen die Ratio­nal-Choice-Theo­rien auch hin­sicht­lich des her­kunfts­spe­zi­fi­schen Zeit­ho­ri­zonts bei der Bil­dungs­pla­nung auf (vgl. Becker R., 2010; Becker R., 2011; Dit­ton, 2007), der von der mate­ri­el­len und kul­tu­rel­len Situa­ti­on der Fami­lie abhän­gig ist. Die Vor­stel­lung im Kon­text der Theo­rien ratio­na­ler Wahl lau­tet ver­ein­facht aus­ge­drückt: Auf­grund der mate­ri­el­len Situa­ti­on und weil die Aus­bil­dungs­we­ge unter­schied­li­che Kos­ten und Nut­zen auf­wei­sen, wird von den Akteu­ren in einem mehr oder weni­ger ratio­na­len Pro­zess der bewuss­te Zeit­ho­ri­zont ange­passt, der für Pla­nun­gen zur Ver­fü­gung steht. Die­se Vor­stel­lung ist erneut als ratio­na­lis­tisch zurück­zu­wei­sen, da sich der her­kunfts­spe­zi­fi­sche Zeit­ho­ri­zont nicht nur in ratio­na­ler Betrach­tung und dem Maß der kal­ku­lie­ren­den Vor­aus­pla­nung äußert, son­dern auch im Den­ken, der Wahr­neh­mung und somit dem Habi­tus an sich (vgl. Bour­dieu, 2000; Gar­ham­mer, 2002; Levi­ne, 1999). Da unte­re, schul­bil­dungs­fer­ne Milieus über kaum mate­ri­el­les und kul­tu­rel­les Kapi­tal ver­fü­gen und „lebens­welt­lich gera­de dar­auf ange­wie­sen sind, nur gerin­ge Erwar­tun­gen an ihre Zukunft, an die Plan­bar­keit ihres Lebens und an län­ger­fris­ti­ge Zie­le und bio­gra­fi­sche ‚Pro­jek­te‘ zu stel­len“ (Grund­mann, Bitt­ling­may­er, Dra­ven­au, & Groh-Sam­berg, 2007, S. 56), ent­wi­ckeln sie einen Habi­tus der Not, der als ein­zi­ge lebens­welt­lich prak­ti­ka­ble Stra­te­gie auf Hedo­nis­mus und das Genie­ßen des im Augen­blick Gege­be­nen setzt (vgl. Bour­dieu, 1982, S. 297) und damit den Zeit­ho­ri­zont stark ein­schränkt – dies aller­dings nicht als Ergeb­nis bewuss­ter Pro­zes­se, son­dern im Sin­ne einer habi­tu­el­len Anpas­sung an die lebens­welt­li­chen Erfor­der­nis­se. Dies bedeu­tet, für ris­kan­te­re Aus­bil­dungs­gän­ge und umfas­sen­de Bil­dungs­pla­nun­gen kön­nen sich haupt­säch­lich sol­che Akteu­re ent­schei­den, die über einen ent­spre­chen­den habi­tu­el­len Zeit­ho­ri­zont und die die­sem zugrun­de­lie­gen­de öko­no­mi­sche Grund­la­ge ver­fü­gen, wohin­ge­gen in „unbe­re­chen­ba­ren Lebens­ver­hält­nis­sen (…) das Ethos plan­mä­ßi­ger Lebens­füh­rung wenig [nutzt]“ (Ves­ter, 2004, S. 46), da es mit den all­täg­li­chen Pra­xen, die zum (Über-)Leben im Her­kunfts­mi­lieu not­wen­dig sind, kollidiert.

Ver­meint­lich irra­tio­na­le Bil­dungs­ent­schei­dun­gen, wie etwa die Wahl der Real­schu­le statt des Gym­na­si­ums oder der Abbruch eines Stu­di­ums, sind folg­lich nicht als irra­tio­nal im eigent­li­chen Sin­ne zu begrei­fen, da dies die jeweils her­kunfts­spe­zi­fi­sche Ratio­na­li­tät ver­ken­nen wür­de, auf der die Ent­schei­dun­gen basie­ren, ohne dabei zwin­gend Aus­druck sub­jek­tiv ratio­na­ler Ent­schei­dun­gen zu sein, „son­dern sie kön­nen im jewei­li­gen sozia­len Kon­text funk­tio­nal sein“ (Hill­mert, 2007, S. 91; vgl. Bitt­ling­may­er, 2006; Dra­ven­au, 2006; Grund­mann, 2006) und ledig­lich unter­schied­li­che Anschluss­fä­hig­keit an die Anfor­de­run­gen des insti­tu­tio­na­li­sier­ten Bil­dungs­we­sens aufweisen:

„Jede Ein­zel­ent­schei­dung, durch die sich ein Kind vom wei­te­ren Bil­dungs­auf­stieg aus­schließt oder in einen aus­sicht­lo­sen Zweig rele­gie­ren läßt, resul­tiert, selbst wenn sie durch den Druck inne­rer Beru­fung oder die Fest­stel­lung unzu­rei­chen­der Befä­hi­gung erzwun­gen scheint, aus der Gesamt­heit der objek­ti­ven Rela­tio­nen zwi­schen sozia­ler Klas­se und Bil­dungs­sys­tem“ (Bour­dieu & Pas­se­ron, 1971, S. 178).

Am Bei­spiel des Stu­di­ums lässt sich das Dar­ge­leg­te exem­pla­risch ver­deut­li­chen. Selbst bei ver­gleich­ba­ren schu­li­schen Leis­tun­gen wei­sen Kin­der aus Fami­li­en mit hoher for­ma­ler Bil­dung eine deut­lich stär­ke­re Stu­di­en­in­ten­ti­on auf als Kin­der aus schul­bil­dungs­fer­nen Milieus (vgl. Maaz, 2006; Reemts­ma Begab­ten­för­de­rungs­werk, 2009; Autoren­grup­pe Bil­dungs­be­richt­erstat­tung, 2010) und neh­men auch dann eher ein Stu­di­um auf, wenn sie sich selbst schlech­te Leis­tun­gen attes­tie­ren und nied­ri­ge Erfolgs­er­war­tun­gen haben (vgl. Becker R., 2010). Stu­den­ten aus unte­ren Milieus den­ken außer­dem häu­fi­ger an Stu­di­en­ab­bruch (vgl. Lan­ge-Ves­ter & Tei­wes-Küg­ler, 2004) – nicht sel­ten, weil sie einen stär­ke­ren Pra­xis­be­zug ver­mis­sen (vgl. Reemts­ma Begab­ten­för­de­rungs­werk, 2009, S. 29), was die sozia­le Distanz zu abs­trak­ter Bil­dung ver­deut­licht – und geben als Aus­druck des schul­bil­dungs­fer­nen Habi­tus einen gene­rell höhe­ren Bera­tungs­be­darf an (vgl. Isser­stedt, Mid­den­dorff, Kan­dul­la, Bor­chert, & Leszc­zen­sky, 2010, S. 35 & 461).

Ent­frem­dung, insti­tu­tio­nel­le Steue­rung und man­geln­de Pas­sungs­ver­hält­nis­se erwe­cken den Anschein, als sei­en es die Indi­vi­du­en selbst, die ihre Bil­dungs­we­ge wäh­len, sich durch­set­zen oder eli­mi­nie­ren las­sen, obwohl viel­mehr unter­schied­li­che Bil­dungs­stra­te­gien, diver­gie­ren­de Zeit­ho­ri­zon­te, impli­zi­te und expli­zi­te Zwän­ge und sym­bo­li­sche Gewalt, letzt­lich also Habi­tus­un­ter­schie­de und die in der Her­kunfts­fa­mi­lie vor­lie­gen­de Kapi­tal­aus­stat­tung für die Selbst­eli­mi­nie­run­gen aus dem Bil­dungs­sys­tem ver­ant­wort­lich sind (vgl. Ves­ter, 2004; Lan­ge-Ves­ter, 2009).


[1] Gemeint ist hier­mit die geziel­te, bewuss­te Beein­flus­sung der kon­kre­ten Bil­dungs­ent­schei­dung – die schu­li­schen Leis­tun­gen eines Schü­lers tra­gen ohne­hin zur Ent­schei­dungs­fin­dung bei, sei es als limi­tie­ren­der Fak­tor oder als Zugangsberechtigung.


Lite­ra­tur:

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Leis­tungs­ge­sell­schaft oder Meri­to­kra­tie bedeu­tet sinn­ge­mäß eine „Herr­schafts­ord­nung nach Maß­ga­be von Bega­bung und Leis­tungs­fä­hig­keit des Ein­zel­nen“ (Becker & Hadjar, 2011, S. 39), wonach sozia­le Unter­schie­de nicht per se als unge­recht ange­se­hen wer­den, solan­ge sie das Ergeb­nis indi­vi­du­el­ler Leis­tungs­un­ter­schie­de sind (vgl. Hill­mert, 2007). Her­vor­ge­ho­ben wird von einem libe­ra­len Stand­punkt, dass eine meri­to­kra­ti­sche Gesell­schaft fai­rer und frei­heit­li­cher erschei­ne als ein Wohl­fahrts­staat, der „durch geziel­te Ein­grif­fe in die Lebens­um­stän­de von Men­schen indi­vi­du­el­le und kol­lek­ti­ve Chan­cen­gleich­heit her­zu­stel­len“ (Becker & Hadjar, 2011, S. 38) ver­sucht. Chan­cen­gleich­heit wird nach die­ser Auf­fas­sung ledig­lich als Siche­rung glei­cher Start­chan­cen ver­stan­den, auf deren Basis indi­vi­du­el­le Leis­tung den wei­te­ren Erfolg deter­mi­nie­ren soll, womit der Staat sei­ne gesell­schafts­for­men­den Ansprü­che auf­gibt und ein Modell for­ma­ler Gleich­be­hand­lung zugrun­de legt. Bei­des ist eben­so zutref­fend für das Schul­sys­tem als Ver­tre­ter der staat­li­chen Ord­nung. Ein­kom­mens- und Macht­un­ter­schie­de wie auch Bil­dungs­un­gleich­hei­ten wer­den in die­sem Kon­text zunächst als legi­tim betrach­tet, wenn kei­ne leis­tungs­frem­den Ein­flüs­se die­se Ungleich­hei­ten mit­be­stim­men, denn die „Rege­lung des Zugangs zu begehr­ten und knap­pen sozia­len Posi­tio­nen soll­te in einer demo­kra­ti­schen Gesell­schaft nach Leis­tung, Kön­nen und Anstren­gung, d.h. nach nach­voll­zieh­ba­ren und gesell­schaft­lich akzep­tier­ten bzw. all­ge­mein als gerecht emp­fun­de­nen Kri­te­ri­en, erfol­gen“ (Dit­ton, 2007, S. 244; vgl. Becker & Hadjar, 2011).

Sind die resul­tie­ren­den Leis­tungs­un­ter­schie­de in der Ver­gan­gen­heit haupt­säch­lich mit der unglei­chen Ver­tei­lung von Intel­li­genz und soge­nann­ten Bega­bun­gen und Talen­ten erklärt wor­den, die aller­dings ihrer­seits bereits sozia­le Kon­struk­tio­nen und kei­ne natür­li­chen Eigen­schaf­ten dar­stel­len (vgl. Sol­ga, 2005), so sind der­ar­ti­ge Bio­lo­gis­men heut­zu­ta­ge gegen­über der Vor­stel­lung von Fleiß und Anstren­gung in den Hin­ter­grund getre­ten[1] (vgl. Hill­mert, 2007), was bedeu­tet, wer eine erfolg­rei­che schu­li­sche Aus­bil­dung und viel­leicht ein Stu­di­um absol­viert hat, habe sich gemäß der meri­to­kra­ti­schen Idee für die­se Bil­dungs­zer­ti­fi­ka­te und die mit ihnen ein­her­ge­hen­den Ein­kom­mens- und Lebens­chan­cen folg­lich durch Kom­pe­tenz und Anstren­gung qua­li­fi­ziert. Die­se Erklä­rung ist aller­dings in Fra­ge zu stel­len, da unter­schied­li­che Anstren­gun­gen kaum Beach­tung fin­den – ein Arbei­ter­kind bei­spiels­wei­se hat auf dem Weg zum erfolg­rei­chen Abschluss eines Stu­di­ums weit­aus höhe­re Hür­den zu über­win­den als ein Aka­de­mi­ker­kind, doch fin­det dies in den Bil­dungs­zer­ti­fi­ka­ten kei­ner­lei Wür­di­gung, son­dern wird als Fol­ge der for­ma­len Gleich­heit aller Bil­dungs­teil­neh­mer viel­mehr neu­tra­li­siert (vgl. Sol­ga, 2005, S. 26). Ver­ges­sen wird zudem, dass Leis­tung, Fleiß und Anstren­gung nicht als objek­ti­ve Kate­go­rien vor­aus­ge­setzt wer­den kön­nen (vgl. Becker & Hadjar, 2011, S. 54), da die Defi­ni­ti­on von Leis­tung stets nur aus einer sozia­len Posi­ti­on her­aus und mit bestimm­ten Vor­stel­lun­gen des­sen, was sich hin­ter dem Begriff ver­birgt, defi­niert und durch­ge­setzt wer­den kann, und zwar von jenen Akteu­ren, die die gesell­schaft­li­che (Deutungs-)Macht innehaben.

Gene­rell wird sozia­le Ungleich­heit im Sin­ne der meri­to­kra­ti­schen Ord­nung als ver­meint­lich not­wen­di­ges gesell­schaft­li­ches Anreiz­sys­tem betrach­tet, in dem die Knapp­heit hoher, pres­ti­ge- und ein­kom­mens­träch­ti­ger Posi­tio­nen die gesell­schaft­li­chen Akteu­re zum all­ge­mei­nen – vor­ran­ging über Bil­dung voll­zo­ge­nen – Wett­be­werb moti­vie­ren und so schließ­lich die Leis­tungs­fä­higs­ten offen­ba­ren soll (vgl. Becker & Hadjar, 2011; Sol­ga, 2005). Die­se Annah­me erscheint schon logisch-deduk­tiv frag­wür­dig, da ein sol­cher Anreiz vor allem Akteu­re moti­vie­ren dürf­te, die Inter­es­se an einem hohen Ein­kom­men und Anse­hen haben, ohne aber ver­läss­li­che Aus­sa­gen über (rela­ti­ve) Leis­tungs­fä­hig­keit zuzu­las­sen. Para­dox ist wei­ter­hin der Umstand, dass Meri­to­kra­tie nach den eige­nen Maß­stä­ben prin­zi­pi­ell nur in einer nicht-hier­ar­chi­sier­ten Gesell­schaft über­haupt stö­rungs­frei funk­tio­nie­ren kann, wenn also kei­ne Effek­te sozia­ler Hier­ar­chi­sie­rung wir­ken kön­nen, was das Prin­zip als sol­ches aller­dings ad absur­dum führt, da Meri­to­kra­tie ihrer­seits eine Hier­ar­chi­sie­rung zur Fol­ge hat und die­se legitimiert.

Inner­halb der real exis­tie­ren­den Meri­to­kra­tie hin­ge­gen kön­nen Leis­tungs­merk­ma­le nicht unab­hän­gig von leis­tungs­frem­den Ein­flüs­sen durch die sozia­le Her­kunft betrach­tet wer­den, womit „ent­ge­gen aller (meri­to­kra­ti­schen) Rhe­to­rik die Zer­ti­fi­zie­rung von Bil­dungs­leis­tun­gen sowie insti­tu­tio­nell unter­schied­li­che Bil­dungs­lauf­bah­nen, deren Zugang über die (gezeig­te und bewer­te­te) vor­an­ge­gan­ge­ne Leis­tung gesteu­ert wird, not­wen­di­ger­wei­se (!) mit Her­kunfts­un­ter­schie­den in der Schu­le ver­bun­den sind“ (Sol­ga, 2005, S. 20; vgl. Are­ns, 2007). Das Ergeb­nis der meri­to­kra­ti­schen Logik, die auf for­ma­le Gleich­be­hand­lung aller Akteu­re ohne Berück­sich­ti­gung ihrer sozia­len Her­kunft setzt und die her­kunfts­spe­zi­fi­schen kul­tu­rel­len Unter­schie­de damit voll­stän­dig igno­riert, steht infol­ge­des­sen im Wider­spruch zu deren Ver­hei­ßun­gen: „Gera­de weil Leis­tung zählt und nicht die Her­kunft, ergibt sich, dass schluss­end­lich (…) durch die Anwen­dung des Leis­tungs­prin­zips die Her­kunft dar­über ent­schei­det, wer an den glei­chen Anfor­de­run­gen schei­tert und wer sich im schu­li­schen Leis­tungs­ver­gleich durch­setzt“ (Huis­ken, 2005, S. 37; vgl. Sol­ga, 2005):

„[I]ndem das Schul­sys­tem alle Schü­ler, wie ungleich sie auch in Wirk­lich­keit sein mögen, in ihren Rech­ten wie Pflich­ten gleich behan­delt, sank­tio­niert es fak­tisch die ursprüng­li­che Ungleich­heit gegen­über der Kul­tur“ (Bour­dieu, 2001a, S. 39).

Struk­tu­rel­le Ursa­chen der Bil­dungs­un­gleich­heit wer­den durch die indi­vi­dua­li­sier­te Erklä­rung über Leis­tung in den Hin­ter­grund gedrängt, es fin­det eine ver­meint­li­che „Ablö­sung kate­go­ri­al defi­nier­ter Ungleich­heit nach Status/Klasse/Schicht (sowie auch Geschlecht) durch eine indi­vi­du­ell defi­nier­te Ungleich­heit nach Leis­tung“ (Sol­ga, 2005, S. 28; vgl. Sol­ga & Wag­ner, 2007; Bitt­ling­may­er, 2006) statt, infol­ge derer sich die vom Bil­dungs­sys­tem Beur­teil­ten ihren Erfolg oder Miss­erfolg selbst zuschreiben:

„Die hier glei­cher­ma­ßen erfahr­ba­ren For­men struk­tu­rel­ler und sym­bo­li­scher Gewalt wer­den für die Deklas­sier­ten und Dequa­li­fi­zier­ten umso leid­vol­ler und ent­waff­nen­der, als sie unter den Vor­zei­chen und Ver­hei­ßun­gen einer an indi­vi­du­el­ler Selbst­ver­wirk­li­chung und -behaup­tung ori­en­tier­ten ‚Gesell­schaft der Indi­vi­du­en‘ die Schuld für ihr Ver­sa­gen zwangs­läu­fig bei sich selbst suchen und dann wohl auch ent­de­cken wer­den müs­sen“ (Schult­heis, 2009, S. 264).

In Anbe­tracht der bis­he­ri­gen Aus­füh­run­gen und der in Bil­dungs­stu­di­en immer wie­der fest­ge­stell­ten sozia­len Bil­dungs­un­gleich­hei­ten kann Meri­to­kra­tie nicht anders denn als Ideo­lo­gie begrif­fen wer­den, die „die Akzep­tanz der sozia­len Ord­nung und damit die Sta­bi­li­tät der Gesell­schaft“ (Becker & Hadjar, 2011, S. 50) för­dern soll und als „nor­ma­ti­ve Selbst­de­fi­ni­ti­on moder­ner Gesell­schaf­ten für die Begrün­dung und Legi­ti­ma­ti­on sozia­ler Ungleich­hei­ten“ (Sol­ga, 2005, S. 23) fun­giert, sodass die gesamt­ge­sell­schaft­li­chen sozia­len Ungleich­hei­ten wie auch Bil­dungs­un­gleich­hei­ten als legi­ti­me Ungleich­hei­ten wahr­ge­nom­men wer­den. Sie ist somit unter Ein­nah­me einer sys­tem­funk­tio­na­len Per­spek­ti­ve allen­falls ein ‚neces­sa­ry myth‘, „weil die Akzep­tanz des meri­to­kra­ti­schen Prin­zips in der Gesell­schaft zum einen die Her­an­zie­hung askrip­ti­ver Prin­zi­pi­en bei der Ver­ga­be von Posi­tio­nen und Beloh­nun­gen ver­drängt hat und zum ande­ren das Prin­zip den­noch (sic!) moti­vie­rend wirkt, durch Leis­tung eine pri­vi­le­gier­te Posi­ti­on in der Gesell­schaft zu errei­chen“ (Becker & Hadjar, 2011, S. 58) – ers­te­res ist aller­dings eine rela­ti­vis­ti­sche Per­spek­ti­ve, die nicht ein­mal zutref­fend ist, da das meri­to­kra­ti­sche Prin­zip die Her­an­zie­hung askrip­ti­ver Merk­ma­le bloß ver­schlei­ert (vgl. Bour­dieu & Pas­se­ron, 1971, S. 225f), nicht ersetzt, wohin­ge­gen letz­te­res schon fast zynisch erscheint, denn „[w]ie weit eine sozia­le Grup­pe im meri­to­kra­ti­schen Wett­be­werb gekom­men ist, hängt dabei ent­schei­dend von ihrem Start­ka­pi­tal an Bil­dung, Besitz und sozia­len Bezie­hun­gen ab“ (Ves­ter, 2004, S. 19).

Hier­ar­chi­sie­rung von Bil­dung & Kultur

„Die Schu­le ist eine gesell­schaft­li­che Insti­tu­ti­on zur Ver­mitt­lung der legi­ti­men Kul­tur“ (Krais, 2004, S. 122).

Das mit der meri­to­kra­ti­schen Ideo­lo­gie ver­bun­de­ne Kon­zept der for­ma­len Gleich­heit, das im Kon­text der Schu­le kul­tu­rel­le und habi­tu­el­le Unter­schie­de der Schü­ler igno­riert, obwohl sie ent­schei­dend zu Erfolg oder Miss­erfolg bei­tra­gen, führt damit zu For­men kul­tu­rel­ler Pas­sung als Pro­dukt einer „sys­te­mi­schen Stan­dar­di­sie­rung, die sozu­sa­gen zwangs­läu­fig sozia­le Erfah­rungs­dif­fe­ren­zen in den Bil­dungs­um­wel­ten außer­halb des insti­tu­tio­na­li­sier­ten Bil­dungs­we­sens unbe­rück­sich­tigt lässt“ (Grund­mann, Groh-Sam­berg, Bitt­ling­may­er, & Bau­er, 2003, S. 36). Die­se Stan­dar­di­sie­rung, die blind gegen­über kul­tu­rel­len Her­kunfts­un­ter­schie­den und milieu­spe­zi­fi­schen Bil­dungs­in­hal­ten ist, führt de fac­to zu einer Hier­ar­chi­sie­rung von Kul­tur und der sie inkor­po­rie­ren­den Habi­tus, da sie die Schü­ler unab­hän­gig von deren Her­kunft anhand ein und der­sel­ben nor­ma­ti­ven Scha­blo­ne bewer­tet, wes­halb schul­bil­dungs­na­he Milieus von die­ser Stan­dar­di­sie­rung pro­fi­tie­ren – sie „muss als Stan­dar­di­sie­rungs­in­stanz des Wis­sens mit offen­si­vem Neu­tra­li­täts­an­spruch ver­stan­den wer­den, die bestimm­te Wis­sens­for­men ver­mit­telt und die beson­de­re kind­li­che und jugend­li­che Hand­lungs­stra­te­gien belohnt oder bestraft“ (Grund­mann, Bitt­ling­may­er, Dra­ven­au, & Edel­stein, 2006, S. 16; vgl. Grund­mann, Dra­ven­au, & Bitt­ling­may­er, 2006).

Einem Schü­ler bleibt nichts ande­res übrig, als die her­kunfts­spe­zi­fi­sche Kul­tur in die Schu­le hin­ein­zu­tra­gen, dort anzu­bie­ten und von die­ser in die kul­tu­rel­le Hier­ar­chie ein­ord­nen zu las­sen, was aller­dings nicht expli­zit geschieht, son­dern unter dem Deck­man­tel der for­ma­len Gleich­be­hand­lung. Unter­schied­li­che Habi­tus und kul­tu­rel­le Pra­xen unter­schei­den sich letzt­lich nur dar­in, „dass sie von unter­schied­li­chen sozia­len Grup­pen unter­schied­lich wert­ge­schätzt wer­den“ (Bitt­ling­may­er, 2006, S. 47), die Schu­le die­se unter­schied­li­che Wert­schät­zung aller­dings abso­lut setzt und ihr zu All­ge­mein­gül­tig­keit ver­hilft – die abs­trak­te Bil­dung bei­spiels­wei­se, die in der Schu­le vor­herr­schend ist, erfährt Wert­schät­zung vor allem in den obe­ren Milieus, wäh­rend sie in unte­ren Milieus den all­täg­li­chen Anfor­de­run­gen wider­spricht, den­noch wird sie qua Schu­le zum all­ge­mei­nen Maß­stab der Bewer­tung und zum Inbe­griff von Bil­dung an sich. Es kommt zu einer Auf­wer­tung bzw. Aner­ken­nung der einen und gleich­zei­ti­gen Abwer­tung der ande­ren All­tags­prak­ti­ken der jewei­li­gen Her­kunfts­mi­lieus, d.h. „die Insti­tu­tio­na­li­sie­rung von Bil­dung ist gleich­be­deu­tend mit der selek­ti­ven Bewer­tung von Bil­dungs­pro­zes­sen und der hier­ar­chi­schen Dif­fe­ren­zie­rung von Bil­dungs­gän­gen und -zer­ti­fi­ka­ten“ (Dra­ven­au & Groh-Sam­berg, 2005, S. 117; vgl. Grund­mann, Bitt­ling­may­er, Dra­ven­au, & Groh-Sam­berg, 2004).

Jene kul­tu­rel­le Igno­ranz gegen­über milieu­spe­zi­fi­schen Bil­dungs­pro­zes­sen, All­tags­pra­xen und Habi­tus führt unwei­ger­lich zu einer Defi­zit­lo­gik, die von den schu­li­schen Stan­dards abwei­chen­de Pra­xen als unzu­läng­lich betrach­tet und somit mit dem Ziel der Selek­ti­on aus einer qua­li­ta­ti­ven Dif­fe­renz eine Hier­ar­chie ablei­tet, was der Durch­set­zung einer spe­zi­fi­schen Deu­tung legi­ti­mer Kul­tur und legi­ti­mer Bil­dung mit­tels Aus­übung sym­bo­li­scher Gewalt gleich­kommt: „Gemes­sen wird daher nicht das Kön­nen, son­dern die Abwei­chung des Kön­nens von den poli­tisch gesetz­ten Leis­tungs­stan­dards“ (Grund­mann, 2006, S. 71; vgl. Kalt­hoff, 2004; Lan­ge-Ves­ter, 2009). Die­se legi­ti­me Kul­tur fehlt den unte­ren Milieus in der Regel, „denn die­se Kul­tur und Bil­dung ist im all­ge­mei­nen gegen sie gerich­tet“ (Bour­dieu, 1992a, S. 39), wes­halb die Schu­le kei­ne neu­tra­le Hand­lungs­in­stanz, son­dern stets „ein­ge­bun­den in die Herr­schafts­be­zie­hun­gen und -aus­ein­an­der­set­zun­gen in einer Gesell­schaft“ (Krais, 2004, S. 122) ist. Zwar ver­fü­gen auch die­se Milieus über ihre eige­nen For­men von Kul­tur und Bil­dung, nur ist die­se auf dem Markt der schu­li­schen Insti­tu­tio­nen nichts wert:

„Die­se Kin­der ler­nen das Schwei­gen, das Nicht-Kön­nen in der Schu­le, weil ihre Habi­tus­for­men durch die Schu­le stig­ma­ti­siert wer­den. Dem­entspre­chend ler­nen sie auch eine Form der Selbst­ein­schät­zung, die zwar den Stolz auf prak­ti­sche Über­le­bens­fä­hig­kei­ten, aber gleich­zei­tig die Aner­ken­nung der Legi­ti­mi­tät der Über­le­gen­heit der ande­ren und der eige­nen Unter­le­gen­heit ent­hält. Sie über­neh­men das Stig­ma in ihr Selbst­bild; der Repro­duk­ti­ons­kreis­lauf ist wie­der­um geschlos­sen“ (Liebau, 2009, S. 51).

Schein­bar defi­zi­tä­re Hand­lungs­sche­ma­ta und kul­tu­rel­le Prak­ti­ken, wie etwa die Spra­che, bewer­tet anhand insti­tu­tio­nel­ler Erfor­der­nis­se und ent­spre­chen­der Vor­stel­lun­gen, sind also nicht unbe­dingt defi­zi­tär, son­dern ledig­lich adäquat zu den Erfor­der­nis­sen der erfah­re­nen Umwelt, die aber von der Schu­le ent­wer­tet wer­den, wodurch die pro­du­zier­ten Bil­dungs­un­gleich­hei­ten „bis in die Erfah­rungs­welt der Fami­lie hin­ein­wir­ken“ (Grund­mann, Bitt­ling­may­er, Dra­ven­au, & Groh-Sam­berg, 2007, S. 48). Erst die­se schu­li­sche Stan­dar­di­sie­rung und Hier­ar­chi­sie­rung von Kul­tur macht es mög­lich – und aus die­ser Per­spek­ti­ve erfor­der­lich –, von bil­dungs­na­hen und bil­dungs­fer­nen Milieus zu spre­chen (Bitt­ling­may­er, 2006, S. 44), wobei stets Schul­bil­dung gemeint ist und die­se Nähe oder Fer­ne die Anschluss­fä­hig­keit bzw. Pas­sung oder eben Anpas­sung und damit letzt­lich die eige­ne Unter­ord­nung unter die herr­schen­den Vor­stel­lun­gen legi­ti­mer Kul­tur bedeutet.

Schu­le als Legi­ti­ma­ti­ons­in­stanz sozia­ler Ungleichheit

„Die sym­bo­li­sche Macht ist eine Macht, die in dem Maße exis­tiert, wie es ihr gelingt, sich aner­ken­nen zu las­sen, sich Aner­ken­nung zu ver­schaf­fen; d.h. eine (öko­no­mi­sche, poli­ti­sche, kul­tu­rel­le oder ande­re) Macht, die die Macht hat, sich in ihrer Wahr­heit als Macht, als Gewalt, als Will­kür ver­ken­nen zu las­sen“ (Bour­dieu, 1992b, S. 82).

Das Schul­sys­tem kann ange­sichts der meri­to­kra­ti­schen Ideo­lo­gie, die zu einer Hier­ar­chi­sie­rung von Kul­tur und milieu­spe­zi­fi­schen habi­tu­el­len Prak­ti­ken führt, und „gera­de durch die Ent­wick­lung der Schul­bil­dung zu einem alter­na­tiv­lo­sen Pfad des gesell­schaft­li­chen Auf­stiegs“ (Bitt­ling­may­er & Grund­mann, 2006, S. 77) kei­nes­wegs als neu­tra­le Insti­tu­ti­on betrach­tet wer­den, die sozia­le Ungleich­hei­ten ledig­lich repro­du­ziert oder um deren Auf­lö­sung bemüht ist, son­dern ist zudem Ort der Pro­duk­ti­on sozia­ler Ungleich­hei­ten, die sie zugleich legi­ti­miert, womit kul­tu­rel­le und insti­tu­tio­nel­le Dis­kri­mi­nie­rung und Pri­vi­le­gie­rung eng mit­ein­an­der ver­knüpft sind (vgl. Dra­ven­au & Groh-Sam­berg, 2005, S. 114; Grund­mann, Bitt­ling­may­er, Dra­ven­au, & Groh-Sam­berg, 2004). Da Pri­vi­le­gi­en und die sozia­le Stel­lung nicht mehr über Ver­wandt­schaft und Her­kunft legi­ti­mier­bar sind, erfolgt die Repro­duk­ti­on der sozia­len Ord­nung nun über das Bil­dungs­sys­tem (vgl. Bour­dieu & Pas­se­ron, 1971; Sol­ga, 2005), denn die „Unter­schie­de, die inner­halb der Gesell­schaft gesetzt wer­den und sich durch­set­zen kön­nen, sind durch schu­li­sche Dif­fe­ren­zen legi­ti­miert und wer­den durch die Ver­tei­lung sozia­ler Zugangs­mög­lich­kei­ten, die die Schu­le über ihre Zer­ti­fi­ka­te und Zeug­nis­se ver­gibt, ver­ob­jek­ti­viert und sank­tio­niert“ (Hepp, 2009, S. 24).

Die Schu­le legi­ti­miert in letz­ter Instanz ver­mit­tels des kul­tu­rel­len Pas­sungs­ver­hält­nis­ses die Über­tra­gung des kul­tu­rel­len Erbes, das somit – im Gegen­satz zum öko­no­mi­schen Erbe – als Erbe ver­kannt wird. Durch das Prin­zip der for­ma­len Gleich­heit, das von allen for­dert, was nur eini­gen dank Her­kunft zugäng­lich ist (vgl. Bour­dieu, 2001a), und den von staat­li­cher Sei­te recht hohen Ein­satz von Zeit und Geld inner­halb des Schul­sys­tems, das von sich behaup­tet, allen glei­che Chan­cen zu bie­ten, wird hin­ter dem Anschein von Fair­ness und gutem Wil­len die objek­ti­ve Funk­ti­on des Bil­dungs­sys­tems ver­bor­gen[2], „denn, woll­te man bil­li­ger und schnel­ler voll­zie­hen, was das Sys­tem ohne­hin leis­tet, wür­de man eine Funk­ti­on offen­le­gen und damit hin­fäl­lig machen, die nur im ver­bor­ge­nen wir­ken kann“ (Bour­dieu & Pas­se­ron, 1971, S. 226).

Zugleich voll­zieht sich inner­halb des Schul­sys­tems eine „Trans­for­ma­ti­on der Ein­stel­lung zum Sys­tem und sei­nen Sank­tio­nen (…), die uner­läß­lich ist, damit das Sys­tem funk­tio­nie­ren und alle sei­ne Funk­tio­nen erfül­len kann“ (ebd.). Die­se Trans­for­ma­ti­on wird auf­grund der schein­bar kon­se­quen­ten Wei­se, wie Leis­tung und Bil­dungs­zer­ti­fi­ka­te die Sta­tus­zu­wei­sung bestim­men bzw. die­ser Anschein ver­brei­tet wird, selbst­re­dend von den vom Schul­sys­tem Pri­vi­le­gier­ten, aber auch vom Groß­teil der von ihm Dis­kri­mi­nier­ten voll­zo­gen (vgl. Sol­ga, 2005), denn „in dem Maß, wie es eli­mi­niert, gelingt es ihm, die Ver­lie­rer davon zu über­zeu­gen, dass sie selbst für ihre Eli­mi­nie­rung ver­ant­wort­lich sind“ (Bour­dieu, 2001b, S. 21; vgl. Bour­dieu & Pas­se­ron, 1971, S. 225), womit die Auto­ri­tät der Schu­le als Gate­kee­pe­rin, die die wei­te­ren Lebens­chan­cen maß­geb­lich mit­be­stimmt, und als ver­meint­lich objek­ti­ve Bewer­tungs­in­stanz in der Regel unhin­ter­fragt bleibt, da den Akteu­ren „die Ein­sicht in die sozia­le Kon­sti­tu­ti­on die­ser Pro­zes­se (…) sys­te­ma­tisch ver­sperrt“ (Liebau, 2009, S. 52) wird.

Wäh­rend die Ver­lie­rer des Sys­tems meist nach eini­ger Zeit die indi­vi­dua­li­sier­te Erklä­rung für ihren Miss­erfolg, die ihnen immer wie­der vor­ge­hal­ten wird, akzep­tie­ren und sich die­sen Miss­erfolg selbst zuschrei­ben, wird die Ver­klä­rung der Bil­dungs­we­ge als selbst­be­stimm­te, nur von der eige­nen Leis­tung abhän­gi­ge Ergeb­nis­se selbst­ver­ständ­lich auch von den Gewin­nern des Sys­tems mit­ge­tra­gen, jedoch nicht pri­mär, um etwa bewuss­te Distink­ti­on zu betrei­ben oder gezielt die Ver­schleie­rung der Mecha­nis­men zu unter­stüt­zen, son­dern vor allem, um die Illu­si­on von Selbst­be­stim­mung auf­recht­zu­er­hal­ten, die für die Habi­tus schul­bil­dungs­na­her Milieus cha­rak­te­ris­tisch ist – so „ver­su­chen sie sich von der uner­träg­li­chen Idee zu distan­zie­ren, daß eine so wenig selbst­ge­wähl­te Deter­mi­nan­te [die sozia­le Her­kunft; MM] den, der alles dar­an setzt, sich selbst frei zu bestim­men, prä­gen könn­te“ (Bour­dieu & Pas­se­ron, 1971, S. 54).

Gera­de in schul­bil­dungs­fer­nen Milieus steht die in der Schu­le durch­ge­setz­te legi­ti­me Kul­tur der eige­nen, milieu­spe­zi­fi­schen Kul­tur gegen­über und übt sym­bo­li­sche Gewalt aus, wes­halb schu­li­sche Bil­dung als Durch­set­zung kul­tu­rel­ler Hege­mo­nie begrif­fen wer­den kann; der Glau­be an einen über Leis­tung ver­mit­tel­ten, her­kunfts­un­ab­hän­gi­gen Zugang zu Bil­dung erhält folg­lich die sozia­le Ungleich­heit des Bil­dungs­we­sens am Leben und bewirkt, dass die betrof­fe­nen Akteu­re die auf sie ein­wir­ken­de sym­bo­li­sche Gewalt und sym­bo­li­sche Macht als legi­tim aner­ken­nen und damit „die Sicht­wei­sen, die die Herr­schen­den [und das Schul­sys­tem als ver­län­ger­ter Arm der herr­schen­den Ver­hält­nis­se; MM] auf sie haben, als legi­ti­me aner­ken­nen und selbst über­neh­men“ (Grund­mann, Bitt­ling­may­er, Dra­ven­au, & Groh-Sam­berg, 2007, S. 57). Es wer­den also durch insti­tu­tio­nel­le Sank­tio­nen dau­er­haf­te Unter­schie­de pro­du­ziert und legi­ti­miert, die von den Betrof­fe­nen wie­der­um habi­tu­ell ver­in­ner­licht wer­den, was vor allem für von Ver­sa­gens­er­leb­nis­sen gepräg­te Schü­ler mit emo­tio­na­len Stress­sym­pto­men, Prü­fungs­angst, Ver­mei­dungs­ver­hal­ten und ähn­li­chem ver­bun­den sein kann, d.h. die­se „Schü­ler wer­den im Hin­blick auf ihre je eige­ne Leis­tungs­fä­hig­keit und in der Wert­schät­zung ihrer Per­son sys­te­ma­tisch abge­wer­tet, degra­diert und damit zu qua­si-patho­lo­gi­schen Fäl­len“ (Grund­mann, 2006, S. 71).

Zusam­men­fas­send kann das Schul­sys­tem nicht ein­fach als nach dem Leis­tungs­prin­zip ope­rie­ren­der Fak­tor sozia­ler Mobi­li­tät begrif­fen wer­den, da eine sol­che Auf­fas­sung die ihm spe­zi­fi­schen Pro­zes­se und Mecha­nis­men der Repro­duk­ti­on sowie der Pro­duk­ti­on sozia­ler Ungleich­hei­ten bes­ten­falls ver­kennt und schlimms­ten­falls zusätz­lich legi­ti­miert, „[d]eutet doch im Gegen­teil alles dar­auf hin, dass es einer der wirk­sams­ten Fak­to­ren der Auf­recht­erhal­tung der bestehen­den Ord­nung ist, indem es der sozia­len Ungleich­heit den Anschein von Legi­ti­mi­tät ver­leiht und dem kul­tu­rel­len Erbe, dem als natür­li­che Gabe behan­del­ten Ver­mö­gen, sei­ne Sank­ti­on erteilt“ (Bour­dieu, 2001a, S. 25).


[1] Die­se Umdeu­tung soll viel­leicht den imma­nen­ten Wider­spruch auf­lö­sen, der der bio­lo­gis­ti­schen Erklä­rung von Leis­tungs­un­ter­schie­den zugrun­de liegt, denn letzt­lich ist Bil­dung kein erwor­be­nes Merk­mal und folg­lich auch kei­ne Leis­tung, wenn Bil­dungs­er­folg nur von ‚natür­li­cher‘ Aus­stat­tung abhängt (vgl. Sol­ga, 2005).

[2] Leh­rern und ande­ren Ver­ant­wort­li­chen soll damit nicht per se jeder gute Wil­le abge­spro­chen wer­den, der sub­jek­tiv durch­aus vor­lie­gen mag (und teil­wei­se selbst zur Pro­duk­ti­on sozia­ler Ungleich­heit bei­trägt), doch die objek­ti­ve Funk­ti­on des Schul­sys­tems in der Regel nicht beeinträchtigt.


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Wäh­rend Bil­dung „im tra­di­tio­nel­len Sin­ne (…) als die erar­bei­ten­de und aneig­nen­de Aus­ein­an­der­set­zung mit der Welt schlecht­hin und Inbe­griff der Selbst­ver­wirk­li­chung des Mensch­li­chen im Men­schen“ (Büch­ner, 2003, S. 7) ver­stan­den wird, die Selbst­ent­fal­tung und Eman­zi­pa­ti­on ermög­licht, zeigt sich im All­tag und der öffent­li­chen Debat­te dage­gen viel­mehr, dass es vor allem die staat­lich aner­kann­ten Bil­dungs­ab­schlüs­se und -titel sind, d.h. insti­tu­tio­na­li­sier­te Bil­dung, die für die beruf­li­chen Chan­cen und damit letzt­lich die sozia­le Sta­tus­zu­wei­sung aus­schlag­ge­bend sind. Die­ses Gewicht insti­tu­tio­na­li­sier­ter Bil­dung ver­lei­tet zur Nut­zung eines ver­kürz­ten Bil­dungs­be­griffs, der Bil­dung auf die Inhal­te und Abschlüs­se eben jener insti­tu­tio­na­li­sier­ten Bil­dungs­gän­ge redu­ziert und damit kur­zer­hand Bil­dungs­pro­zes­se und -inhal­te außer­halb schu­li­scher Sphä­ren negiert, womit die in Bil­dungs­er­folg und -miss­erfolg sich nie­der­schla­gen­de (In)Kompatibilität zwi­schen her­kunfts­spe­zi­fi­scher, im Habi­tus inkor­po­rier­ter Bil­dung und den insti­tu­tio­na­li­sier­ten Bil­dungs­vor­stel­lun­gen aus dem ana­ly­ti­schen Blick­feld ver­schwin­det: „Die häu­fig anzu­tref­fen­de Gleich­set­zung von Bil­dung und erwor­be­nen Bil­dungs­pa­ten­ten, die auf der Grund­la­ge stan­dar­di­sier­ter Bil­dungs­in­hal­te erwor­ben wer­den, ver­fehlt die­je­ni­gen Momen­te von Bil­dung, die quer zu den in der Schu­le ver­mit­tel­ten Bil­dungs­for­men und -inhal­ten lie­gen“ (Grund­mann, Groh-Sam­berg, Bitt­ling­may­er, & Bau­er, 2003, S. 27; vgl. Bitt­ling­may­er, 2006). Um eine der­ar­ti­ge Ver­kür­zung zu ver­mei­den, ist zunächst eine dif­fe­ren­zier­te Betrach­tung und Gegen­über­stel­lung der Begrif­fe Sozia­li­sa­ti­on, Bil­dung und Erzie­hung notwendig.

Sozia­li­sa­ti­on ist als all­um­fas­sen­der Begriff zur Beschrei­bung „der sozia­len Gestal­tung von ver­läss­li­chen Sozi­al­be­zie­hun­gen und der inter­ge­ne­ra­tio­na­len Tra­die­rung sozia­len Hand­lungs­wis­sen“ (Grund­mann, 2011, S. 63) zu ver­ste­hen, auf des­sen Grund­la­ge die Begrif­fe Bil­dung und Erzie­hung auf die kon­kre­te inhalt­li­che Aus­ge­stal­tung die­ses Sozia­li­sa­ti­ons­pro­zes­ses abhe­ben. Sämt­li­che Hand­lun­gen und Pro­zes­se, die dazu bei­tra­gen, einem Akteur die Ein­glie­de­rung in sei­ne sozia­le Umwelt zu ermög­li­chen, an deren gesell­schaft­li­chem Leben teil­zu­neh­men und teil­zu­ha­ben sowie sein Ver­ständ­nis über die­se Pro­zes­se zu erwei­tern, sind als Sozia­li­sa­ti­on zu begrei­fen. Dem­ge­gen­über bezeich­net der Begriff Bil­dung die „Kul­ti­vie­rung von Hand­lungs­wis­sen ein­zel­ner Indi­vi­du­en“ (ebd.), Erzie­hung „die Eta­blie­rung sozi­al erwünsch­ter Eigen­schaf­ten von Per­so­nen durch Bezugs­per­so­nen“ (ebd.); bei­de Begrif­fe die­nen dem­zu­fol­ge zur inhalt­li­chen Kon­kre­ti­sie­rung und Dif­fe­ren­zie­rung von Sozia­li­sa­ti­ons­pro­zes­sen. Bil­dung ist gemäß die­ser abs­trak­ten Defi­ni­ti­on kei­nes­wegs beschränkt auf insti­tu­tio­na­li­sier­te Bil­dungs­pro­zes­se, son­dern umfasst jede Art von Hand­lungs­wis­sen, die einem Akteur nach­hal­tig zur Ein­bin­dung in das sozia­le Leben ver­hilft, wobei die­ses Wis­sen in schu­li­schen Ein­rich­tun­gen, durch Tra­di­tio­nen oder schlicht im all­täg­li­chen Leben wei­ter­ge­ge­ben und erwor­ben wer­den kann (vgl. Suder­land, 2004) – nicht immer wider­spruchs­frei. Wie die­ser Fokus auf Ein­bin­dung in die gesell­schaft­li­che Umwelt bereits nahe­legt, ori­en­tie­ren sich sowohl Bil­dung, zumin­dest jene, die von außen ziel­ge­rich­tet an ein Indi­vi­du­um her­an­ge­tra­gen wird, als auch Erzie­hung an sol­chen Ver­hal­tens­wei­sen und Wis­sens­be­stän­den, die den gegen­wär­ti­gen sozia­len Nor­men und Vor­stel­lun­gen, den Anfor­de­run­gen und Ein­schrän­kun­gen der gesell­schaft­li­chen Welt ent­spre­chen, „indem sie vor allem jene Eigen­schaf­ten und Fähig­kei­ten in den Blick neh­men, die gesell­schaft­lich wert­ge­schätzt wer­den“ (Grund­mann, 2011, S. 64), wodurch die zu Erzie­hen­den und zu Bil­den­den ent­spre­chend geformt und auf das gesell­schaft­li­che Leben vor­be­rei­tet wer­den sol­len. Somit ver­fol­gen Bil­dung und Erzie­hung in der Regel min­des­tens impli­zit sys­tem­funk­tio­na­le Zie­le, die den Rah­men für die For­men und Inhal­te von Bil­dung vor­ge­ben und eine mit die­sem kom­pa­ti­ble Erzie­hung bedin­gen. Unter Berück­sich­ti­gung des Stel­len­werts schu­li­scher Bil­dung ist sel­bi­ge in der gegen­wär­ti­gen Gesell­schaft mit ihrem Fokus auf for­ma­le Bil­dungs­gän­ge und -abschlüs­se „einer Funk­tio­na­li­sie­rung durch gesell­schaft­li­che Insti­tu­tio­nen“ (ebd., S. 70) unter­wor­fen, die eine Erzie­hung bedingt, die – soweit ihr das mög­lich ist – ver­sucht, den Anfor­de­run­gen die­ser Funk­tio­na­li­sie­rung durch Anpas­sung inner­fa­mi­liä­rer oder gene­rell all­tags­prak­ti­scher Bil­dungs- und Erzie­hungs­pro­zes­se ent­ge­gen­zu­kom­men, zum Bei­spiel durch geziel­te Vor­be­rei­tung auf schu­li­sche Bil­dungs­in­hal­te. Zu Span­nungs­ver­hält­nis­sen kommt es dabei, wenn die­se Bil­dungs- und Erzie­hungs­pro­zes­se der unmit­tel­ba­ren Lebens­um­welt, d.h. des Bezugs- und Her­kunfts­mi­lieus, jenen Bil­dungs­an­for­de­run­gen wider­spre­chen, die von den gesell­schaft­li­chen Insti­tu­tio­nen gefor­dert und vor­aus­ge­setzt wer­den – sind die Bil­dungs­in­hal­te der Schu­le für das all­täg­li­che Leben eines Schü­lers irrele­vant oder umge­kehrt, passt also der Habi­tus des Schü­lers, der die her­kunfts­spe­zi­fi­schen Bil­dungs­in­hal­te inkor­po­riert hat, nicht zu den insti­tu­tio­nel­len Erfor­der­nis­sen, so ent­ste­hen Inkom­pa­ti­bi­li­tä­ten, die in der Regel zu schu­li­schem Miss­erfolg führen.

Drei Arten von Bildung

Drei Arten der Bil­dung (Kli­cken zum Vergrößern).
Quel­le: Roh­lfs, 2011, S. 41.

Zum Ver­ständ­nis des Zustan­de­kom­mens der­ar­ti­ger Inkom­pa­ti­bi­li­tä­ten zwi­schen indi­vi­du­el­lem Habi­tus und schu­li­schen Anfor­de­run­gen ist eine wei­te­re Dif­fe­ren­zie­rung des Bil­dungs­be­griffs not­wen­dig (vgl. Abbil­dung), die der Ver­kür­zung auf insti­tu­tio­nel­le Bil­dung entgegentritt.

Neben for­ma­ler, staat­lich sank­tio­nier­ter Bil­dung, die das Mono­pol über die Ver­ga­be der in der Regel für die beruf­li­che und sozia­le Posi­ti­on aus­schlag­ge­ben­den Bil­dungs­ti­tel inne­hat und nicht nur struk­tu­riert wie ziel­ge­rich­tet, son­dern fer­ner in eigens dafür geschaf­fe­nen, sym­bo­lisch wie auch juris­tisch legi­ti­mier­ten Insti­tu­tio­nen mit hier­ar­chi­schen Struk­tu­ren, vor­ge­ge­be­nen Regeln, stän­di­ger Leis­tungs­zer­ti­fi­zie­rung und Teil­nah­me­ver­pflich­tung statt­fin­det, kann struk­tu­rier­te und ziel­ge­rich­te­te Bil­dung auch non-for­mal, außer­halb der for­ma­len Bil­dungs- und Berufs­bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen von­stat­ten­ge­hen, bei­spiels­wei­se in Ver­ei­nen, Nach­mit­tags­kur­sen, Ver­bän­den oder in Form von Nach­hil­fe­an­ge­bo­ten, wobei nebst ein­ge­schränk­ter Zer­ti­fi­zie­rungs­mög­lich­keit die­ser Art von Bil­dung die frei­wil­li­ge, nicht­ver­pflich­ten­de Teil­nah­me an der­ar­ti­gen Bil­dungs­an­ge­bo­ten das zen­tra­le Cha­rak­te­ris­ti­kum non-for­ma­ler Bil­dung dar­stellt (vgl. Roh­lfs, 2011). Nicht min­der rele­vant ist aller­dings das Ler­nen im infor­mel­len Kon­text, das spon­tan vom indi­vi­du­el­len Akteur aus­geht, sich unge­plant voll­zieht und „indi­rekt und gewöhn­lich anlass­be­zo­gen-spo­ra­disch-zufäl­lig, also situa­tiv an aku­ten Ein­zel­pro­ble­men und deren Lösung ori­en­tiert, unzu­sam­men­hän­gend, vor­der­grün­dig-uti­li­ta­ris­tisch wie unkri­tisch-unre­flek­tiert“ (Roh­lfs, 2011, S. 39) ist. Zwar kann infor­mel­le Bil­dung bis­wei­len zer­ti­fi­ziert wer­den (man den­ke etwa an Kopf­no­ten), doch unter­lie­gen die Bil­dungs­pro­zes­se an sich kei­ner Struk­tur oder Steue­rung und fol­gen kei­nen for­ma­len Vor­ga­ben, die als Grund­la­ge einer Bewer­tung nötig wären, sodass in der Regel kei­ne Zer­ti­fi­zie­rung infor­mel­ler Bil­dung mög­lich ist. Von ent­schei­den­der Bedeu­tung ist zudem, dass infor­mel­le Bil­dung „in der natür­li­chen (sozia­len) Umwelt der Bil­dungs­ak­teu­re“ (ebd.) statt­fin­det und sich dadurch aus­zeich­net, „dass Lern­si­tua­ti­on und prak­ti­scher Ver­wen­dungs­zu­sam­men­hang zusam­men­fal­len“ (Dra­ven­au & Groh-Sam­berg, 2005, S. 118). Was auf der­ar­ti­ge infor­mell-situa­ti­ve Wei­se gelernt wird, weist stets unmit­tel­ba­ren Bezug zur kon­kre­ten Lebens­welt des Akteurs auf (vgl. Grund­mann, Bitt­ling­may­er, Dra­ven­au, & Groh-Sam­berg, 2007), sei es im Kon­text der Lösung eines all­tags­prak­ti­schen Pro­blems oder der Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den umge­ben­den Mit­men­schen, wäh­rend for­ma­le Bil­dung einen sol­chen All­tags­be­zug zwar auf­wei­sen kann, die­ser aber nicht selbst­ver­ständ­lich ist, da sich außer bei bil­dungs­na­her Her­kunft die „Lern- und Bil­dungs­pro­zes­se in der Fami­lie deut­lich von jenen unter­schei­den, die in insti­tu­tio­na­li­sier­ten Bil­dungs­ein­rich­tun­gen vor­herr­schen“ (ebd., S. 43) – als Bei­spiel sei hier nur auf das Lesen klas­si­scher Lite­ra­tur ver­wie­sen, das für einen Schü­ler durch­aus mit des­sen All­tags­pra­xis kom­pa­ti­bel sein kann, sofern die­ser in einem ent­spre­chen­den kul­tu­rel­len Umfeld auf­ge­wach­sen ist; es ver­liert jedoch jeg­li­che außer­schu­li­sche Rele­vanz für einen Schü­ler, in des­sen All­tags­pra­xen das Lesen an sich oder die­se kon­kre­te Form der Lite­ra­tur (so gut wie) kei­ne Rol­le spielt. Die­ses her­kunfts­spe­zi­fi­sche kul­tu­rel­le Erbe, das sich für das Pas­sungs­ver­hält­nis mit der Schu­le ver­ant­wort­lich zeich­net, wird, da die Ver­er­bung in Form infor­mel­ler Bil­dung statt­fin­det, „auf osmo­ti­sche Wei­se über­tra­gen, ohne jedes metho­di­sche Bemü­hen und jede mani­fes­te Ein­wir­kung“ (Bitt­ling­may­er & Grund­mann, 2006, S. 76).

Die hier voll­zo­ge­ne Tren­nung[1] in for­ma­le, non-for­ma­le und infor­mel­le Bil­dung soll trotz des gro­ßen Gewichts, das die for­ma­le Bil­dung in Hin­blick auf beruf­li­chen Erfolg und Sta­tus­zu­wei­sung ein­nimmt, nicht zu einer Hier­ar­chi­sie­rung der ver­schie­de­nen Erschei­nungs­for­men von Bil­dung ver­lei­ten, son­dern das oft­mals auf insti­tu­tio­nel­le Bil­dung ver­eng­te Bil­dungs­ver­ständ­nis erwei­tern. Eine sol­che Hier­ar­chi­sie­rung näm­lich wür­de die Tat­sa­che ent­wer­ten und negie­ren – womit nun sei­ner­seits kei­ne umge­kehr­te Hier­ar­chi­sie­rung nahe­ge­legt, son­dern jede Form der Hier­ar­chi­sie­rung an sich in Fra­ge gestellt wer­den soll –, „dass der weit­aus größ­te Teil aller mensch­li­chen Lern­pro­zes­se (…) außer­halb der Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen stattfinde[t]“ (Roh­lfs, 2011, S. 47). Bil­dung beginnt dem­zu­fol­ge nicht erst mit for­ma­len Bil­dungs­for­men, son­dern bereits mit den in den Habi­tus ein­ge­hen­den all­täg­li­chen Lern- und Bil­dungs­pro­zes­sen eines Her­an­wach­sen­den in Fami­lie und gene­rel­ler Lebens­welt, die den Groß­teil der Erfah­run­gen nicht nur, aber beson­ders im Kin­des­al­ter aus­ma­chen; gelernt wird also vor­wie­gend „durch Pra­xis, durch Nach­ma­chen und Mit­tun, durch Aneig­nung von Rou­ti­nen und Gewohn­hei­ten und durch die dem­entspre­chen­de Ent­wick­lung von Denk-, Wahr­neh­mungs-, Urteils- und Hand­lungs­mus­tern, die aus der Her­kunfts­kul­tur stam­men und in ihr Sinn haben“ (Liebau, 2009, S. 47).

Die­se Aus­füh­run­gen machen deut­lich, dass die Aneig­nung von Bil­dung, d.h. das Ler­nen „nicht nur als bewuss­te kogni­ti­ve, son­dern auch als eher unbe­wuss­te psy­chi­sche und gefühls­mä­ßi­ge Ver­ar­bei­tung von Ein­drü­cken, Infor­ma­tio­nen, Erleb­nis­sen etc.“ (Roh­lfs, 2011, S. 36) ver­stan­den wer­den muss, das sich „bewusst wie unbe­wusst, inten­tio­nal wie bei­läu­fig, theo­re­tisch wie prak­tisch“ (ebd.) voll­zieht. Bil­dungs­pro­zes­se, begrif­fen als Inkor­po­rie­rung von Kul­tur, und das mit ihnen ver­bun­de­ne Ler­nen fin­den daher nur sel­ten rein kogni­tiv, son­dern viel­mehr habi­tu­ell statt – wäh­rend for­ma­le Bil­dung eher auf der ratio­na­len Ebe­ne anzu­sie­deln ist, geschieht das grund­le­gen­de, infor­mel­le Ler­nen mehr­heit­lich bei­läu­fig und ohne geziel­te Inten­ti­on, wor­aus wei­te­res Kon­flikt­po­ten­ti­al erwach­sen kann, weil etwa­ige Inkom­pa­ti­bi­li­tä­ten zwi­schen for­ma­len Bil­dungs­an­for­de­run­gen und Habi­tus infol­ge­des­sen nicht allein durch ratio­na­le Inter­ven­ti­on oder Refle­xi­on auf­lös­bar sind.

Die­se wesent­li­chen Unter­schie­de zwi­schen den for­ma­len, in aus­ge­wie­se­nen Bil­dungs­ein­rich­tun­gen statt­fin­den­den und den infor­mel­len, sich in der Fami­lie voll­zie­hen­den Bil­dungs­pro­zes­sen machen deut­lich, welch ana­ly­ti­sche Kurz­sich­tig­keit eine Ver­en­gung des Bil­dungs­be­griffs auf insti­tu­tio­na­li­sier­te Bil­dungs­pro­zes­se zur Fol­ge hat, die nur for­ma­lem Ler­nen einen Wert zumisst und „mit dem infor­mel­len Ler­nen eher «Nicht­bil­dung» [asso­zi­iert], weil Spiel und «tun und las­sen kön­nen, was man will» mit Ver­schwen­dung von Bil­dungs­res­sour­cen gleich­ge­setzt wird“ (Dol­la­se, 2007, S. 6; vgl. Roh­lfs, 2011), womit all jene Bil­dungs­for­men, -pro­zes­se und -inhal­te jen­seits der insti­tu­tio­nel­len Vor­ga­ben und damit auch die dar­aus resul­tie­ren­den Pas­sungs- oder Kon­flikt­ver­hält­nis­se igno­riert wer­den. Wenn nicht gar expli­zit, so liegt die­sem auch in der empi­ri­schen Bil­dungs­for­schung ver­brei­te­ten hier­ar­chi­schen Bil­dungs­ver­ständ­nis (dazu kri­tisch Grund­mann, Bitt­ling­may­er, Dra­ven­au, & Groh-Sam­berg, 2007; Grund­mann, 2011) doch zumin­dest impli­zit eine Defi­zit­lo­gik zugrun­de, die sämt­li­che her­kunfts­spe­zi­fi­schen Bil­dungs­pro­zes­se abwer­tet und als min­der­wer­tig betrach­tet, solan­ge die­se nicht im schu­li­schen Kon­text anschluss­fä­hig oder ver­wert­bar sind, was gleich­zei­tig die die­ser Hier­ar­chi­sie­rung zugrun­de­lie­gen­de Vor­stel­lung und den Anspruch repro­du­ziert, bei schu­li­scher Bil­dung han­de­le es sich um die (ein­zig) legi­ti­me Form von Kul­tur (vgl. Bock, 2008; Grund­mann, Groh-Sam­berg, Bitt­ling­may­er, & Bau­er, 2003). Wenn­gleich durch Zer­ti­fi­zie­rung, staat­lich aner­kann­te Abschlüs­se, Ori­en­tie­rung an Lehr­plä­nen und weit­ge­hen­de Stan­dar­di­sie­rung von Lern­pro­zes­sen und -inhal­ten die schu­li­sche Bil­dung als legi­ti­me Bil­dung aus­ge­wie­sen ist, die für Sta­tus­zu­wei­sung und als Qua­li­fi­ka­ti­ons­nach­weis für beruf­li­chen Ein- oder Auf­stieg her­an­ge­zo­gen wird, so darf doch nicht über­se­hen wer­den, dass außer­schu­li­sche Bil­dungs­pro­zes­se auch dann statt­fin­den, „wenn schu­li­sche Bil­dungs­ver­läu­fe fehl­schla­gen, ver­kürzt oder abge­bro­chen wer­den“ (Grund­mann, Groh-Sam­berg, Bitt­ling­may­er, & Bau­er, 2003, S. 27) – nur wer­den eben die­se ver­meint­lich unnüt­zen Bil­dungs­pro­zes­se und -inhal­te selbst dann nicht als legi­ti­me Bil­dung aner­kannt, wenn sie für den kon­kre­ten Akteur zum täg­li­chen Über­le­ben in Milieu und Gesell­schaft von teils exis­ten­ti­el­ler Bedeu­tung sind.

Wie hier­an deut­lich wird, bedingt die For­ma­li­sie­rung von Bil­dung nicht nur eine Hier­ar­chi­sie­rung von Kul­tur, die mit die­ser Insti­tu­tio­na­li­sie­rung und der damit ein­set­zen­den Abwer­tung außer­schu­li­scher Bil­dungs­pro­zes­se ein­her­geht, son­dern formt Bil­dung gene­rell zu einem „öko­no­misch-poli­ti­schen Instru­ment“, das vor­der­grün­dig zwar mit den Ver­spre­chen von Eman­zi­pa­ti­on, Mün­dig­keit und Selbst­ver­wirk­li­chung mas­kiert wird, dabei aller­dings nur „jene Kul­tur­tech­ni­ken ver­mit­telt [und akzep­tiert; MM], die poli­tisch und öko­no­misch gewollt sind“ (Grund­mann, 2011, S. 72). Erzie­hung erschöpft sich in die­sem Sin­ne dar­auf, die Aus­prä­gung eines mög­lichst schul­kon­for­men Habi­tus zu för­dern bzw. sicher­zu­stel­len, der sowohl ‚leis­tungs­fä­hig‘ ist als auch die erwünsch­ten Cha­rak­ter­zü­ge auf­weist – „eine gute Erzie­hung zeich­net sich dem­nach durch opti­ma­le Vor­be­rei­tung auf die Schu­le aus“ (ebd., S. 70), dem­ge­gen­über eine Erzie­hung, die eine sol­che Vor­be­rei­tung nicht leis­ten kann (oder will), auto­ma­tisch als defi­zi­tär betrach­tet wird. Inso­fern kann von einem eman­zi­pa­to­ri­schen Ele­ment über­haupt nur dann die Rede sein, wenn die Bil­dungs­an­for­de­run­gen sich mit den eige­nen Lebens­ent­wür­fen und – unmit­tel­bar rele­van­ter – den Anfor­de­run­gen des täg­li­chen Lebens decken oder die­sen zumin­dest nicht wider­spre­chen; in jedem anders gela­ger­ten Fall fin­det das Gegen­teil von Eman­zi­pa­ti­on statt, näm­lich eine die sozia­le Hier­ar­chie repro­du­zie­ren­de sym­bo­li­sche und struk­tu­rel­le Gewalt, ver­mit­telt über die Abwer­tung her­kunfts­spe­zi­fi­scher kul­tu­rel­ler Prak­ti­ken, indem „Erzie­hung und Bil­dung (…) zur Selek­ti­on und Legi­ti­ma­ti­on unglei­cher Lebens­chan­cen her­an­ge­zo­gen“ (Grund­mann, 2011, S. 64) werden.

Völ­lig unbe­ach­tet blei­ben bei der Ver­kür­zung des Bil­dungs­be­griffs und der damit ver­knüpf­ten Hier­ar­chi­sie­rung von Kul­tur die Per­spek­ti­ven der betrof­fe­nen Akteu­re, die über eine jeweils eige­ne, her­kunfts­spe­zi­fi­sche Kul­tur mit diver­gie­ren­den Bil­dungs­stra­te­gien ver­fü­gen und die­se in das insti­tu­tio­nel­le Bil­dungs­sys­tem hin­ein­tra­gen, wo ihnen auf­grund ihrer Anschluss­fä­hig­keit ent­we­der Akzep­tanz ent­ge­gen­ge­bracht wird und sich ein Gefühl der selbst­ver­ständ­li­chen Zuge­hö­rig­keit ein­stel­len kann, oder infol­ge kul­tu­rel­ler Dif­fe­renz strik­te Abwer­tung ent­ge­gen­schlägt und ein dif­fu­ses Gefühl der Nicht­zu­ge­hö­rig­keit ent­steht, was u.a. das Phä­no­men der Selbst­eli­mi­nie­rung zur Fol­ge hat, also das schein­bar (!) frei­wil­li­ge und selbst­ge­wähl­te ver­früh­te Aus­schei­den aus dem Bil­dungs­sys­tem oder die Beschrän­kung auf objek­tiv wenig ertrag­rei­che, aber sub­jek­tiv als sicher emp­fun­de­ne Bil­dungs­we­ge. Wie deut­lich gewor­den sein soll­te, ist zum Ver­ständ­nis die­ses Pas­sungs­ver­hält­nis­ses der „Bil­dungs­be­griff aus sei­ner insti­tu­tio­nel­len Ver­an­ke­rung zu ent­gren­zen“ (Grund­mann, Groh-Sam­berg, Bitt­ling­may­er, & Bau­er, 2003, S. 27), da nur mit­tels eines sol­chen breit­ge­fass­ten Bil­dungs­be­griffs, der unter Rück­griff auf das Habi­tus­kon­zept die her­kunfts­spe­zi­fi­schen Bil­dungs­stra­te­gien und -inhal­te im Kon­text ihrer Lebens­welt beleuch­tet und ernst nimmt, anstatt sie unter der Prä­mis­se einer Defi­zit­lo­gik abzu­wer­ten, „die­je­ni­gen sozia­li­sa­to­ri­schen All­tags­prak­ti­ken, indi­vi­du­el­len Hand­lungs­be­fä­hi­gun­gen und Hand­lungs­stra­te­gien sicht­bar [gemacht wer­den kön­nen], die für die Repro­duk­ti­on der sozi­al unglei­chen Bil­dungs­er­fol­ge sozia­li­sa­to­risch ver­ant­wort­lich sind und die in der Regel außer­halb der schu­li­schen All­tags­pra­xis selbst lie­gen“ (Grund­mann, Bitt­ling­may­er, Dra­ven­au, & Edel­stein, 2006, S. 16; vgl. Bitt­ling­may­er, 2006).

Wird der Bil­dungs­be­griff von sei­ner Fixie­rung auf schu­li­sche Bil­dung gelöst und dif­fe­ren­ziert betrach­tet, so muss auch der dar­auf auf­bau­en­de Begriff des Bil­dungs­er­folgs eine ähn­li­che Dif­fe­ren­zie­rung erfah­ren, um unter ande­rem deut­lich machen zu kön­nen, wie Bil­dungs­er­folg einer Les­art gege­be­nen­falls ande­ren Vor­stel­lun­gen von Bil­dungs­er­folg – ins­be­son­de­re jenen inner­halb des Bil­dungs­sys­tems – zuwi­der­lau­fen kann.

Zunächst kann Bil­dungs­er­folg indi­vi­du­ell-lebens­welt­lich begrif­fen wer­den, als all­ge­mei­ne Hand­lungs­be­fä­hi­gung, um am all­täg­li­chen Leben in der gege­be­nen Bezugs­welt, d.h. dem umge­ben­den Milieu, teil­neh­men und teil­ha­ben zu kön­nen (vgl. Huis­ken, 2005; Bitt­ling­may­er, 2006; Dra­ven­au, 2006; Grund­mann, 2006; Grund­mann, Bitt­ling­may­er, Dra­ven­au, & Groh-Sam­berg, 2007; Bock, 2008; Grund­mann, 2011). Bil­dungs­er­folg in die­sem Sin­ne zeich­net sich dadurch aus, die milieu­spe­zi­fi­schen Hand­lungs- und Umgangs­for­men, die all­täg­li­chen Pra­xen wie auch sprach­li­chen Beson­der­hei­ten (etwa Umgangs­spra­che oder Dia­lekt) zu erler­nen und anwen­den zu kön­nen, was in der Regel in Form von infor­mel­ler Bil­dung geschieht und somit bei den Akteu­ren einen her­kunfts­spe­zi­fi­schen, an die kon­kre­ten Anfor­de­run­gen ange­pass­ten Habi­tus her­aus­bil­det. Als erfolg­reich gilt hier, wer sich auf­grund die­ses Habi­tus in sei­nem Milieu als Zuge­hö­ri­ger und sich zuge­hö­rig Füh­len­der bewe­gen kann.

Wei­ter­hin kann Bil­dungs­er­folg aus einer Per­spek­ti­ve ver­stan­den wer­den, die Bil­dung als Bür­ger­recht (vgl. Dah­ren­dorf, 1966) oder gesamt­ge­sell­schaft­lich-eman­zi­pa­ti­ves Ele­ment betrach­tet, das sowohl den Zugang zu gesell­schaft­li­chen Res­sour­cen ermög­licht als auch Grund­la­ge für die akti­ve poli­ti­sche Teil­nah­me und damit letzt­lich die Gestal­tung der Gesell­schaft ist (vgl. Büch­ner, 2003; Huis­ken, 2005; But­ter­weg­ge, 2010; Quen­zel & Hur­rel­mann, 2010; Grund­mann, 2011). Nach die­sem Ver­ständ­nis ist Bil­dung nicht nur für die Hand­lungs­be­fä­hi­gung im direk­ten Milieu von zen­tra­ler Bedeu­tung, son­dern eben­falls essen­ti­el­ler Bestand­teil der poli­ti­schen Mei­nungs­bil­dung und der Mög­lich­keit zur Ein­fluss­nah­me auf gesell­schaft­li­che Bedin­gun­gen. Wird Zugang zu Bil­dung ver­wehrt oder ist die­ser sozi­al ungleich ver­teilt, hat dies nicht nur Kon­se­quen­zen für die indi­vi­du­el­len Arbeits­markt­chan­cen und sämt­li­che damit ver­knüpf­ten Aus­wir­kun­gen auf die betrof­fe­nen Indi­vi­du­en, son­dern bedeu­tet gleich­zei­tig eine Ein­schrän­kung der poli­ti­schen Mit- oder bloß Selbst­be­stim­mung, d.h. letzt­lich ein Ungleich­ge­wicht demo­kra­ti­scher Par­ti­zi­pa­ti­ons­mög­lich­kei­ten. Schu­li­sche Bil­dung kann mit der­ar­ti­gen Eman­zi­pa­ti­ons­pro­zes­sen wie­der­um in Kon­flikt gera­ten, wenn die­se bei­spiels­wei­se die Regeln und Abläu­fe der schu­li­schen Insti­tu­tio­nen in Fra­ge stellen.

Wie anfangs bereits dar­ge­legt, wird Bil­dungs­er­folg in der Regel aller­dings allein mit dem Erfolg oder Miss­erfolg inner­halb insti­tu­tio­nel­ler Bil­dungs­ein­rich­tun­gen und den von die­sen ver­ge­be­nen Bil­dungs­zer­ti­fi­ka­ten gleich­ge­setzt, was auch von Tei­len der sozio­lo­gi­schen Bil­dungs­for­schung und vor allem den PISA-Stu­di­en über­nom­men wird (vgl. Becker & Hadjar, 2011; exem­pla­risch OECD, 2010). Dies ent­spricht einer sys­tem­funk­tio­na­len Betrach­tung im Kon­text des Bil­dungs­sys­tems und des dar­auf auf­bau­en­den Arbeits­markts; Bil­dungs­un­gleich­hei­ten an sich, wenn auch nicht zwin­gend sozia­le Ungleich­hei­ten, wer­den aus die­ser sys­tem­funk­tio­na­len Per­spek­ti­ve her­aus als not­wen­dig erach­tet und posi­tiv bewer­tet, da unter­schied­li­che beruf­li­che Posi­tio­nen auch unter­schied­li­che schu­li­sche Abschlüs­se vor­aus­set­zen und ein glei­ches Maß an Bil­dung somit Unter- bzw. Über­qua­li­fi­ka­ti­on pro­du­zie­ren wür­de. Weder die Befä­hi­gung zur all­täg­li­chen Lebens­füh­rung und die Anpas­sung an die Erfor­der­nis­se der unmit­tel­ba­ren Lebens­welt noch die gesell­schaft­li­che sowie poli­ti­sche Par­ti­zi­pa­ti­on ste­hen bei die­ser Defi­ni­ti­on von Bil­dungs­er­folg im Vor­der­grund, son­dern die Erlan­gung von Berufs­qua­li­fi­ka­ti­on und eines ent­spre­chen­den Sta­tus, was bedeu­tet, dass Bil­dungs­er­folg anhand der Ver­mitt­lung und Über­prü­fung schu­li­scher Bil­dung in Form von Noten, Zer­ti­fi­ka­ten und dem Zugang zu höhe­rer Bil­dung sowie letzt­lich dem dar­aus resul­tie­ren­den beruf­li­chen Erfolg gemes­sen wird. Hier­bei han­delt es sich um eine Mes­sung anhand objek­ti­ver Kri­te­ri­en, die sowohl die Akteurs­per­spek­ti­ve als auch milieu­spe­zi­fi­sche Dif­fe­ren­zen unbe­rück­sich­tigt lässt.

Bil­dungs­er­folg ist dem­zu­fol­ge nicht gleich Bil­dungs­er­folg, und Bil­dungs­er­folg im einen Sin­ne muss nun nicht mit Bil­dungs­er­folg in einem ande­ren Sin­ne ein­her­ge­hen, viel­mehr eröff­nen sich erheb­li­che Kon­flikt­di­men­sio­nen. Wer durch spe­zi­fi­sche Milieu­be­din­gun­gen geprägt und inner­halb die­ser all­täg­li­chen Lebens­be­din­gun­gen sozia­li­siert wur­de, in die­sem Sin­ne also Bil­dungs­er­fol­ge auf­wei­sen kann, die ihn zur Gestal­tung des täg­li­chen Lebens befä­hi­gen, ist dadurch nicht gleich­sam prä­de­sti­niert für schu­li­sche Bil­dungs­er­fol­ge, weil die jewei­li­gen Defi­ni­tio­nen von Bil­dungs­er­folg sich dia­me­tral wider­spre­chen kön­nen – ist bei­spiels­wei­se im Rah­men der all­täg­li­chen Pra­xen eine Kon­zen­tra­ti­on auf hand­werk­li­che Tätig­kei­ten oder kon­kre­te Pro­blem­lö­sungs­stra­te­gien nötig, negiert die Schu­le kur­zer­hand durch ihren Fokus auf abs­trak­te Bil­dung die­se milieu­spe­zi­fi­schen Bil­dungs­er­fol­ge und stellt ihnen eine ganz eige­ne Defi­ni­ti­on der­sel­ben gegen­über, die mit den Milieu­be­din­gun­gen nicht oder nur bedingt kom­pa­ti­bel ist. Es ste­hen sich in Fol­ge zwei Auf­fas­sun­gen von Bil­dungs­er­folg gegen­über, die nur schwer mit­ein­an­der in Ein­klang zu brin­gen sind, nicht zuletzt, weil sie im außer­schu­li­schen Leben für den jewei­li­gen Akteur ganz unter­schied­li­che Rele­vanz auf­wei­sen kön­nen, bis hin zur völ­li­gen lebens­welt­li­chen Irrele­vanz schu­li­scher Bildungsprozesse.


[1] Bei der hier voll­zo­ge­nen Tren­nung in for­ma­le, non-for­ma­le und infor­mel­le Bil­dung han­delt es sich vor­ran­gig um eine Tren­nung ana­ly­ti­scher Natur, da sich die Bil­dungs­for­men in der all­täg­li­chen Pra­xis durch­aus über­schnei­den und deren Gren­zen ver­schwim­men kön­nen (vgl. Abbil­dung), so z.B. bei Gesprä­chen, beim Spie­len oder ande­ren Hand­lun­gen im schu­li­schen Kon­text, die zwar am Ort for­ma­ler Bil­dung statt­fin­den, aller­dings nicht zu den for­ma­len Lern­in­hal­ten zählen.


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