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Seit Jahren schon möchte ich ein Buch über etwas schreiben, das mir sehr am Herzen liegt. Oder wenigstens ein PDF mit vielen Seiten. Der Ursprung dieses Wunsches liegt in mittlerweile schon nicht mehr fassbarer Vergangenheit, doch einen ernsthaften Anfang machte dieser Gedanke dann erst zum Ende meiner Schulzeiten, aber bis heute habe ich mit diesem Vorhaben keine großen Fortschritte erzielt. Ideen kommen und gehen und das Konzept wächst unaufhörlich, trotzdem schaffen es nur die seltensten dieser Ideen als ausformulierte Sätze, Abschnitte oder gar Seiten aufs elektronische Papier. Warum?

Viele Dinge spielen eine Rolle. Die üblichen Verdächtigen natürlich: mangelnde Zeit, Faulheit, nagender Perfektionismus und die Angst vor dem ersten Entwurf, der nie überzeugt. Einige davon – wahrscheinlich die meisten – mögen Ausreden sein, das ist sicher, doch sind all das generell Gründe, mit denen umgegangen, denen begegnet werden kann. Es sind Steine auf dem Weg, die wegzuräumen nicht das Problem ist, wenn man weiß, dass man den Weg unbedingt gehen möchte.

Der Hauptgrund allerdings, der mich daran hindert, irgendwie sinnvoll mit meinem Text voranzukommen, liegt in der Zukunft. Es sind all die Dinge, die in meinem Kopf als großes Muss auf mich zukommen: Ich muss Hausarbeiten machen, ich muss Referate vorbereiten, ich muss für Prüfungen lernen (obwohl ich noch nie für Prüfungen gelernt habe). Es ist dabei nicht der Zeitaufwand an sich, der für diese Dinge jeweils aufgebracht werden muss, denn er lässt mir genug Spielraum für Freizeit, sondern es sind die Dinge als solche, in denen ich keinen persönlichen Sinn sehe, die das Problem darstellen.

Freizeit bedeutet nicht gleichzeitig freie Zeit. Wenn in den Semesterferien alle Hausarbeiten hinter mir liegen, keine Klausuren anstehen und auch das kommende Semester im Idealfall noch einige Wochen entfernt liegt, ist das nur Freizeit, aber keine freie Zeit. Im Hinterkopf ist mir stets das störende Wissen allgegenwärtig, dass ich bald, wenn diese kurze Phase der Freizeit vergangen sein wird, wieder neue Referate werde vorbereiten müssen. Wenn die Referate vorbereitet und gehalten wurden, folgen die dazugehörigen Hausarbeiten, nach den Hausarbeiten folgen neue Referate. Wenn irgendwann Referate und Hausarbeiten einmal vorbei sind, stehen Diplomarbeit und Diplomprüfung bereits vor der Tür. Danach Bewerbungen, Vorstellungsgespräche, Einarbeitung, Arbeitsalltag. Jede dieser neuen Stufen ist von lächerlichen Bestätigungen irgendwelcher Instanzen bezeichnet: eine bestandene Klausur oder Prüfung, eine Note, eine gutgeheißene Arbeit, der Abschluss eines Projekts, die Versetzung in ein anderes Be(s)tätigungsfeld.

All dieses Müssen hängt in meinem Kopf ständig unbewusst über allem anderen, wie ein Rauschen im Radio, das einem die Musik verdirbt. Wenn ich Freizeit habe, vergeude ich sie mit irgendwelchen Serien oder Spielen, räume auf oder um, widme mich ganz generell dem so genannten Amüsement und Entertainment, um mich von einem Muss zum nächsten zu hangeln und die Zeit dazwischen totzuschlagen, in der Hoffnung auf ein Ende dieses Muss-Kreislaufs. Doch immer wieder erscheint irgendwo eine neue Stufe. Paralyse. Nie bekomme ich es hin, mich endlich mit dem zu beschäftigen, womit ich mich schon so lange beschäftigen möchte und was mir zudem so sehr am Herzen liegt. Hinzu kommt die Eigenschaft all dieser Nebenschauplätze – Hausarbeiten, Referate, Bewerbungen und so weiter -, eine derart große Menge an Aufmerksamkeit für sich zu beanspruchen, dass ein effektives und ungestörtes Konzentrieren auf das, was mir eigentlich wirklich wichtig ist, gar nicht möglich ist.

Meine letzte freie Zeit, die nicht nur als Freizeit bezeichnet werden kann, genoss ich direkt nach dem Abitur, als noch völlig offen war, ob ich Zivildienst würde leisten müssen oder nicht und wie es danach weitergehen würde. Diese Zeit, in der nicht klar war, welches Muss als nächstes und wann auftreten würde, in der es keinen fest geregelten Ablauf für die Zukunft gab, keine strukturierten Pläne, keine starren Schienen, auf denen alles zielgerichtet dahinrollt, war gleichzeitig die produktivste.

Was wir brauchen, ist freie Zeit, die nicht bloß Freizeit ist.