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Vor etwas mehr als acht Monaten fand ich dank Twitter die tollste Frau der Welt. Alles begann mit zwei belanglosen Tweets, auf die der jeweils andere reagierte. Aus Replys wurden bald Direktnachrichten und schließlich der Gedanke an ein Treffen. Wir hatten bis dahin weder telefoniert noch anderweitig Kontakt gesucht als über Twitter.

Wir verabredeten uns für einen Nachmittag und ich blieb fast für eine Woche. Seit dem ersten Treffen sehen wir uns nun an jedem Wochenende, und das macht mich zum glücklichsten Menschen der Welt. Die auf Twitter oft verschriene Pärchenscheiße war nur eklig, bis sie kam, und sie ist der erste Mensch, bei dem ich nach längerem Rund-um-die-Uhr-Kontakt nicht das Bedürfnis habe, nun mal wieder für mich allein zu sein. Bei ihr bin ich zuhause, bei ihr bin ich ganz ich. Wir tun uns gegenseitig gut.

Seitdem benutzen wir Twitter gemeinsam, wenn man das so nennen mag. Wir zeigen uns gegenseitig Tweets aus der eigenen Timeline, wir starten gemeinsam Meme, wir hoffen auf Replys von nervigen Leuten, wir trollen unsere Follower mit ironisch gemeinten Tweets, wir lästern über andere, wir erstellen Videos und teilen sie, kurzum: wir haben Spaß. Twitter hilft, Gesprächspausen zu überbrücken, und Twitter dient auch als eine Art Rückzugsort, in den man kurz verschwinden kann, wenn hier draußen alles zu viel wird.

Aber das Medium, das uns zusammenbrachte, trennt uns auch immer wieder, wenngleich zum Glück nur temporär, für Augenblicke, Momente. Wir greifen hin und wieder zum Smartphone, wenn wir frühstücken, wenn wir einen Film schauen, wenn wir ausgehen, wenn wir im Café sitzen. Es ist ein kleines Timeout, so als würde einer von uns zur Tür rausgehen, kurz andere Leute treffen, und dann wieder reinkommen, als wäre nichts geschehen. Die Welt steht kurz still, der Raum wird gebrochen, einer fällt aus der Zeit.

Manchmal erhalten wir Nachrichten, Replys, DMs, E-Mails, dann kommt jemand zur Tür herein, setzt sich frech zwischen uns ins Wohnzimmer oder an den Frühstückstisch, plaudert nur mit einem von uns, verdrängt den anderen aus der Welt, und verschwindet wieder so plötzlich, wie er aufgetreten ist.

Wir beäugen manchmal das Smartphone des jeweils anderen, wenn es ein Geräusch macht, wie einen Eindringling. Wir sind dann nicht wirklich allein, unter uns, zumindest kommt es mir zuweilen so vor. Da sind immer die Anderen, entweder passiv, indem sie einfach greifbar, lesbar, verfügbar sind, oder aktiv, indem sie mit einem von uns kommunizieren. Das ist auf seine Art schön, hin und wieder; als Dauerzustand verändert es jedoch die kostbare Zweisamkeit. Soziale Medien werden zum Eindringling, weil wir sie eindringen lassen, selbst in unsere Köpfe. Nicht selten denkt einer von uns oder wir beide bei einer Äußerung, einem Anblick, einer Kuriosität: „Das wäre ein schöner Tweet“. Wie ein Fotograf, der keine Landschaften und keine Menschen mehr sieht, nur noch potentielle Fotos. Man kann die Momente zwar laufend teilen, ruiniert sie dadurch aber auch.

Ich komme mir blöd vor, es zu erwähnen, weil es mir lächerlich erscheint, aber ich komme mir genauso vor, wenn ich es nicht tue, weil es mich doch stört.