Was heißt das, »in der Wahr­heit leben«? Eine nega­ti­ve Defi­ni­ti­on ist ein­fach: es heißt, nicht zu lügen, sich nicht zu ver­ste­cken, nichts zu ver­heim­li­chen. Seit Franz Sabi­na kennt, lebt er in der Lüge. Er erzählt sei­ner Frau von einem Kon­greß in Ams­ter­dam, der nie statt­ge­fun­den, von Vor­le­sun­gen in Madrid, die er nie gehal­ten hat, und er hat Angst, mit Sabi­na in den Stra­ßen von Genf spa­zie­ren­zu­ge­hen. Es amü­siert ihn, zu lügen und sich zu ver­ste­cken, denn er hat es sonst nie getan. Er ist dabei ange­nehm auf­ge­regt, wie ein Klas­sen­pri­mus, der beschließt, end­lich ein­mal die Schu­le zu schwänzen.
Für Sabi­na ist »in der Wahr­heit leben«, weder sich selbst noch ande­re zu belü­gen, nur unter der Vor­aus­set­zung mög­lich, daß man ohne Publi­kum lebt. Von dem Moment an, wo jemand unse­rem Tun zuschaut, pas­sen wir uns wohl oder übel den Augen an, die uns beob­ach­ten, und alles, was wir tun, wird unwahr. Ein Publi­kum zu haben, an ein Publi­kum zu den­ken, heißt, in der Lüge zu leben. Sabi­na ver­ach­tet die Lite­ra­tur, in der ein Autor alle Inti­mi­tä­ten über sich und sei­ne Freun­de ver­rät. Wer sei­ne Inti­mi­tät ver­liert, der hat alles ver­lo­ren, denkt Sabi­na. Und wer frei­wil­lig dar­auf ver­zich­tet, der ist ein Mons­trum. Dar­um lei­det Sabi­na nicht im gerings­ten dar­un­ter, daß sie ihre Lie­be ver­heim­li­chen muß. Im Gegen­teil, nur so kann sie »in der Wahr­heit leben«.
Franz dage­gen ist über­zeugt, daß in der Tren­nung des Lebens in eine pri­va­te und eine öffent­li­che Sphä­re die Quel­le aller Lügen liegt: Man ist ein ande­rer im Pri­vat­le­ben als in der Öffent­lich­keit. »In der Wahr­heit leben« bedeu­tet für ihn, die Bar­rie­re zwi­schen Pri­vat und Öffent­lich­keit nie­der­zu­rei­ßen. Er zitiert gern den Satz von André Bre­ton, der besagt, daß er gern »in einem Glas­haus« gelebt hät­te, »wo es kei­ne Geheim­nis­se gibt und das allen Bli­cken offensteht«.
(Milan Kun­de­ra – Die uner­träg­li­che Leich­tig­keit des Seins)

I read the first chap­ter of A Brief Histo­ry of Time when Dad was still ali­ve, and I got incre­di­bly hea­vy boots about how rela­tively insi­gni­fi­cant life is, and how, com­pared to the uni­ver­se and com­pared to time, it did­n’t even mat­ter if I exis­ted at all. When Dad was tuck­ing me in that night and we were tal­king about the book, I asked if he could think of a solu­ti­on to that pro­blem. „Which pro­blem?“ „The pro­blem of how rela­tively insi­gni­fi­cant we are.“ He said, „Well, what would hap­pen if a pla­ne drop­ped you in the midd­le of the Saha­ra Desert and you picked up a sin­gle grain of sand with tweezers and moved it one mil­li­me­ter?“ I said, „I’d pro­ba­b­ly die of dehy­dra­ti­on.“ He said, „I just mean right then, when you moved that sin­gle grain of sand. What would that mean?“ I said, „I dun­no, what?“ He said, „Think about it.“ I thought about it. „I guess I would have moved a grain of sand.“ „Which would mean?“ „Which would mean I moved a grain of sand?“ „Which would mean you chan­ged the Saha­ra.“ „So?“ „So? So the Saha­ra is a vast desert. And it has exis­ted for mil­li­ons of years. And you chan­ged it!“ „That’s true!“ I said, sit­ting up. „I chan­ged the Saha­ra!“ „Which means?“ he said. „What? Tell me.“ „Well, I’m not tal­king about pain­ting the Mona Lisa or curing can­cer. I’m just tal­king about moving that one grain of sand one mil­li­me­ter.“ „Yeah?“ „If you had­n’t done it, human histo­ry would have been one way…“ „Uh-huh?“ „But you did do it, so…?“ I stood in the bed, poin­ted my fin­gers at the fake stars, and screa­med: „I chan­ged the cour­se of human histo­ry!“ „That’s right.“ „I chan­ged the uni­ver­se!“ „You did.“ „I’m God!“ „You’­re an athe­ist.“ „I don’t exist!“ I fell back onto the bed, into his arms, and we cra­cked up together.
(Jona­than Safran Foer – Extre­me­ly Loud & Incre­di­bly Close)

Wer von Geheim­nis­sen lebt, ver­schreibt sein Dasein der stän­di­gen Angst vor Offen­ba­rung. Heu­te weiß ich, du hat­test eine selbst­zer­stö­re­ri­sche Vor­stel­lung, die jeden Zug dei­nes Han­delns bestimm­te und der du treu warst wie einem Dog­ma. Du warst so sehr von die­sem Grund­satz über­zeugt, den du dir aus Grün­den kul­ti­viert hat­test, die mir für immer ver­bor­gen blei­ben wer­den, dass für dich die Kon­se­quen­zen dei­ner Über­zeu­gung weder über­schau­bar waren noch beach­tens­wert erschienen.
Jede ernst­haf­te Ver­bin­dung zwi­schen zwei Men­schen kön­ne nur Bestand haben, so pre­dig­test du mir und jedem ande­ren, der das Unglück hat­te, die­ses The­ma ein­mal anzu­schnei­den, wenn man die Impul­se und Geheim­nis­se des Ande­ren nicht hin­ter­fra­ge. Was du mit die­sem Satz zum Aus­druck brach­test, das hieß in letz­ter Kon­se­quenz, dem Ande­ren auf ewig ein Frem­der zu blei­ben, den Abstand nie­mals zu ver­lie­ren, der zwi­schen jenen steht, die sich nicht ken­nen. Aber was waren dei­ne Geheim­nis­se? Es war vor allem Angst, muss ich rück­bli­ckend heu­te sagen. Du hat­test Angst, ich könn­te alles über dich erfah­ren, so als gäbe es ein fes­tes Kon­tin­gent an Infor­ma­tio­nen über eine leben­de Per­son. Du hat­test Angst, ich könn­te das Inter­es­se an dir schnell wie­der ver­lie­ren, wenn du mir nicht län­ger ein Mys­te­ri­um offe­rierst, als wäre eine sol­che Geheim­nis­lo­sig­keit zwi­schen zwei Men­schen jemals möglich.
Da waren kei­ne bestür­zen­den Sün­den, kei­ne gefähr­li­chen Geheim­nis­se, die du vor mir ver­bargst, die du aus Scham hin­ter einer Nebel­wand hät­test ver­ste­cken müs­sen, son­dern nur die­ses eine: Dei­ne tief ver­wur­zel­te Angst, ohne streng gehü­te­te Geheim­nis­se, ohne den Schlei­er des Mys­te­riö­sen für einen ande­ren, für mich, auf ein­mal völ­lig unin­ter­es­sant zu erschei­nen. Du hat­test Angst, du wür­dest dann bere­chen­bar, du hat­test Angst, du wärst durch­schaut, wärst für mich fer­tig, ich wür­de dann an dir nichts mehr ent­de­cken wol­len und auch gar nichts mehr ent­de­cken können.
Bei jeder Gele­gen­heit, bei jeder noch so bana­len Mei­nungs­ver­schie­den­heit hast du mich immer wie­der dar­auf hin­ge­wie­sen, wie wich­tig dir dei­ne ver­bor­ge­nen Geheim­nis­se sind, und du mach­test mir wil­des­te Sze­nen, wenn ich es jemals wag­te, eine dei­ner Hand­lun­gen auch nur im Ansatz zu hin­ter­fra­gen. Es war für dich bequem. Du führ­test dich auf wie eine Regie­rung unter Para­noia, die jede Anfra­ge mit einem schnip­pi­schen Ver­weis auf natio­na­le Sicher­heit ver­wehrt, weil ihre läs­ti­ge Bevöl­ke­rung das alles gar nicht wis­sen muss. Woll­test du etwas nicht erklä­ren – viel­leicht konn­test du es dir selbst gar nicht erklä­ren -, dann dekla­rier­test du es als Geheim­nis, dein Geheim­nis, und ich durf­te es nicht hin­ter­fra­gen, weil das in dei­ner Logik doch bedeu­tet hät­te, ich wür­de dich nicht lie­ben. Das war dein Vor­wurf, noch jedes Mal, wenn du dei­ne Geheim­nis­se in Gefahr gera­ten sahst. „Du musst das nicht ver­ste­hen“, sag­test du anläss­lich jeder Irri­ta­ti­on, wenn mir dei­ne Hand­lun­gen ein Rät­sel auf­ga­ben, und genau das freu­te dich dar­an, denn es war ein wei­te­res Geheim­nis, das ich nicht ergrün­den konn­te, das ich nicht ergrün­den durfte.
Du öff­ne­test dich nur in klei­nen, peni­bel abge­grenz­ten Stü­cken, du teil­test mir nur mit, was du mir mit­tei­len woll­test, all die guten Din­ge, die schö­nen Sei­ten, all das, von dem du dach­test, es wür­de dich am bes­ten prä­sen­tie­ren. Das war dei­ne Vor­stel­lung von Kom­mu­ni­ka­ti­on. Stets hieltst du etwas vor mir zurück, umgingst die offe­ne Dis­kus­si­on, ja jede Kon­fron­ta­ti­on, weil dies für dich zugleich bedeu­te­te, sich einer mög­li­chen Ver­let­zung zu offen­ba­ren, die dir so unver­meid­lich schien, wenn du aus dei­nem Geheim­nis­bun­ker gekro­chen wärst. Du hat­test so viel Angst vor die­sen Chi­mä­ren, so viel Furcht vor Frak­tur, dass du die wirk­li­chen Ver­let­zun­gen gar nicht wahr­ge­nom­men hast, die dei­ne Geheim­nis­krä­me­rei uns mehr und mehr zuge­fügt hat.
Aber wer von uns war es nun, der nicht lieb­te? Im Krieg und in der Lie­be ist alles erlaubt, so sagt man, und was du für dich aus die­sem Sprich­wort mit­nahmst, das war die Vor­stel­lung, bei Lie­be han­de­le es sich um eine Art von Krieg. Jedes Geheim­nis, das du mir offen­bar­test, stell­te für dich ein kapi­tu­lie­ren­des Ein­ge­ständ­nis dar, eine ver­lo­re­ne Schlacht, eine schlei­chen­de Ver­schie­bung der Front hin zu dir, was am Ende zu dei­ner Nie­der­la­ge in die­sem Krieg füh­ren wür­de und füh­ren müss­te, denn es war ja Lie­be, und Lie­be war Krieg, und Krieg bedeu­te­te, dass einer am Ende der Ver­lie­rer sein muss. Du warst nicht gewillt, dich wirk­lich auf einen ande­ren Men­schen ein­zu­las­sen, sonst hät­test du gewusst, dass du dein Spiel mit den Geheim­nis­sen gar nicht brauchst; du mach­test dich durch sie bloß künst­lich inter­es­sant. Alles an dir ver­steck­test du in einem Pan­zer­schrank, den du mit Ker­be­ros‘ Ver­bis­sen­heit bewach­test, weil in dir die Befürch­tung wuchs, ich wür­de dich ganz unbarm­her­zig aus­plün­dern und zurück­las­sen, wenn ich denn erst den Code zu dei­nem Leben wüss­te, wenn ich Zugang zu dei­nem Inne­ren bekäme.
Du heg­test nie den Wunsch, von mir ver­stan­den zu wer­den, du woll­test dich nie öff­nen, nie unse­re Wel­ten mit­ein­an­der tei­len. Immer hat­test du die Furcht, ich wür­de dich ver­las­sen, wären da nicht die Geheim­nis­se an dir, die mich für alle Ewig­keit wie einen Schatz­su­cher an dich bin­den soll­ten. Hät­test du dich wirk­lich auf mich ein­ge­las­sen, dann hät­test du den Köder nicht gebraucht. Lie­be bedarf kei­ner Geheim­nis­se. Lie­be akzep­tiert Geheim­nis­se, aber sie hat sie nicht nötig, weil es für Lie­ben­de ohne­hin auf ewig Neu­es zu ent­de­cken gibt. Lie­be sucht, ent­deckt, erforscht, ohne dass du etwas weg­schlie­ßen musst, weil der gelieb­te Mensch an sich doch das Geheim­nis ist, das Lie­ben­de so gern ergrün­den, solan­ge ihre Lie­be währt. Noch heu­te hof­fe ich für dich, du wirst das irgend­wann verstehen.

Wo immer näm­lich die­se Gesell­schaft nicht funk­tio­niert, wo immer sie ver­sagt, wird ihr Ver­sa­gen an den Ärms­ten offenbar.
Jede Ver­än­de­rung im sozia­len Raum, jede Ver­schär­fung des Wett­be­werbs, jede Zunah­me an Gewalt im öffent­li­chen Leben, jede Kon­ta­mi­nie­rung bil­li­gen Essens hin­ter­lässt in der Lebens­er­fah­rung von Armen ihre Spu­ren. Auch wie Gesell­schaft sich ver­än­dert, in ihren Klas­sen- und Geschlechts­ver­hält­nis­sen eben­so wie in ihrer Mit­mensch­lich­keit, das erfah­ren die Armen zuerst. Sie wer­den des­halb eben nicht nur mate­ri­ell und gesund­heit­lich, sie wer­den auch psy­cho­lo­gisch und mora­lisch am emp­find­lichs­ten von den Ein­bu­ßen der Gesell­schaft getroffen.
In der Armut wird das Selbst­bild der Gesell­schaft gekränkt und bestä­tigt: gekränkt, weil sie ihre idea­len Bil­der ohne Rück­stän­de pro­du­zie­ren möch­te, bestä­tigt, weil sie die­se Armut ja selbst her­stellt, die Pro­duk­ti­on von Armut also genau so for­ciert wie ihr Pen­dant, den Wohlstand.
In die­ser Kul­tur, und das heißt auch in den Bezie­hun­gen der Men­schen unter­ein­an­der, hat sich der Wert der Ver­käuf­lich­keit und Käuf­lich­keit der­art ver­selb­stän­digt, dass Men­schen schon degra­diert wer­den, weil sie nicht am Waren­ver­kehr teil­neh­men kön­nen oder wol­len. Jede Gesin­nung, jedes Phä­no­men, jede Erschei­nung, jede mensch­li­che Her­vor­brin­gung, jede Leis­tung wird auf opti­ma­le Ver­käuf­lich­keit unter­sucht und abge­rich­tet. Unvor­stell­bar, wel­che Kul­tur sich ent­wi­ckeln könn­te, wenn nicht jede Lebens­re­gung an ihrer Markt­taug­lich­keit gemes­sen, wenn Zugang zur Öffent­lich­keit nicht nur Din­gen ver­schafft wür­de, die sich ver­kau­fen las­sen, wenn, mit einem Wort, jeder täte, was er gesell­schaft­lich für wich­tig, und nicht, was er für pro­fi­ta­bel hiel­te. Eine Uto­pie mehr.
(Roger Wil­lem­sen – Der Knacks)

Und nie­mand ver­steht bes­ser anzu­trei­ben, nie­mand ver­steht höh­ni­scher zu sagen: »Schlap­per Hund! Soll­test mich mal sehen!« als der Mit-Tote, als der Mit-Pro­let, als der Mit-Hun­gern­de, als der Mit-Gepeitsch­te. Selbst die Galee­ren­skla­ven haben ihren Stolz und ihr Ehr­ge­fühl, sie haben den Stolz, gute Galee­ren­skla­ven zu sein und ›nun ein­mal zu zei­gen‹, was sie kön­nen. Wenn das Auge des Kom­man­do­ru­fers, der mit der Peit­sche die Rei­hen ent­lang­geht, wohl­ge­fäl­lig auf ihm ruht, so ist er beglückt, als hät­te ihm ein Kai­ser per­sön­lich einen Orden an die Brust geheftet.
(B. Tra­ven – Das Totenschiff)

Der irrepa­ra­ble Mensch ist der Mensch, der das Cha­os hin­ter sich hat, und die Ord­nung in der Marot­te, in der Kon­ven­ti­on, in den Trös­tun­gen der Gewohn­heit, im Tic, in der Rou­ti­ne, im Stil fin­det. Er wird nichts mehr. Kul­ti­vier­te er frü­her viel­leicht noch das auf­klä­re­ri­sche Ide­al, das Ich-Gebil­de müs­se ste­tig, plau­si­bel, aus sich her­aus ent­wi­ckelt auf­stei­gen, so bla­miert das Selbst­bild im Knacks jede Vor­stel­lung einer sich ziel­ge­rich­tet ent­wi­ckeln­den Per­sön­lich­keit. Am Ende erweist er sich als allen­falls amüsierbar.
(Roger Wil­lem­sen – Der Knacks)

Unse­re Mei­nung, dass wir das ande­re ken­nen, ist das Ende der Lie­be, jedes­mal, aber Ursa­che und Wir­kung lie­gen viel­leicht anders, als wir anzu­neh­men ver­sucht sind – nicht weil wir das ande­re ken­nen, geht unse­re Lie­be zu Ende, son­dern umge­kehrt: weil unse­re Lie­be zu Ende geht, weil ihre Kraft sich erschöpft hat, dar­um ist der Mensch fer­tig für uns. Er muß es sein. Wir kön­nen nicht mehr! Wir kün­di­gen ihm die Bereit­schaft, auf wei­te­re Ver­wand­lun­gen ein­zu­ge­hen. Wir ver­wei­gern ihm den Anspruch alles Leben­di­gen, das unfaß­bar bleibt, und zugleich sind wir ver­wun­dert und ent­täuscht, dass unser Ver­hält­nis nicht mehr leben­dig sei. „Du bist nicht“, sagt der Ent­täusch­te oder die Ent­täusch­te, „wofür ich dich gehal­ten habe“. Und wofür hat man sich denn gehal­ten? Für ein Geheim­nis, das der Mensch ja immer­hin ist, ein erre­gen­des Rät­sel, das aus­zu­hal­ten wir müde gewor­den sind. Man macht sich ein Bild­nis. Das ist das Lieb­lo­se, der Verrat.
(Max Frisch – Tage­buch 1946–1949)

What if the water that came out of the show­er was trea­ted with a che­mi­cal that respon­ded to a com­bi­na­ti­on of things, like your heart­beat, and your body tem­pe­ra­tu­re, and your brain waves, so that your skin chan­ged color accor­ding to your mood? If you were extre­me­ly exci­ted your skin would turn green, and if you were angry you’d turn red, obvious­ly, and if you felt like shii­ta­ke you’d turn brown, and if you were blue you’d turn blue.
Ever­yo­ne could know what ever­yo­ne else felt, and we could be more careful with each other, becau­se you’d never want to tell a per­son who­se skin was pur­ple that you’­re angry at her for being late, just like you would want to pat a pink per­son on the back and tell him, „Con­gra­tu­la­ti­ons!“
Ano­ther reason it would be a good inven­ti­on is that the­re are so many times when you know you’­re fee­ling a lot of some­thing, but you don’t know what the some­thing is. Am I frus­tra­ted? Am I actual­ly just pani­cky? And that con­fu­si­on chan­ges your mood, it beco­mes your mood, and you beco­me a con­fu­sed, gray per­son. But with the spe­cial water, you could look at your oran­ge hand and think, I’m hap­py! That who­le time I was actual­ly hap­py! What a relief!
(Jona­than Safran Foer – Extre­me­ly Loud & Incre­di­bly Close)

Die ursprüng­li­che Bezie­hung zu der sozia­len Welt, durch die und für die man geschaf­fen ist, ist ein Besitzver­hält­nis, das den Besitz des Besit­zers durch sei­ne Besitz­tü­mer impli­ziert. Wenn das Erbe sich den Erben ange­eig­net hat, wie Marx sagt, kann der Erbe sich das Erbe aneig­nen. Und die­se Aneig­nung des Erben durch das Erbe, die Anpas­sung des Erben an das Erbe, die die Bedin­gung für die Aneig­nung des Erbes durch den Erben ist (und die weder etwas Mecha­ni­sches noch etwas Schick­sal­haf­tes hat), voll­zieht sich durch den kom­bi­nier­ten Effekt der in die Lebens­be­din­gun­gen des Erben ein­ge­schrie­be­nen Kon­di­tio­nie­run­gen und der päd­ago­gi­schen Akti­on sei­ner Vor­fah­ren, der ange­eig­ne­ten Eigen­tü­mer. Der geerb­te, dem Erbe ange­pass­te Erbe braucht nicht zu wol­len, d.h. zu über­le­gen, zu wäh­len und bewusst zu ent­schei­den, um das zu tun, was mit den Inter­es­sen des Erbes über­ein­stimmt, sei­ner Wah­rung und Meh­rung dien­lich ist. Er mag genau genom­men nicht ein­mal wis­sen, was er tut und was er sagt, und ver­mag gleich­wohl nichts zu tun oder zu sagen, was nicht den Erfor­der­nis­sen des Erbes ent­spricht. (…) Dies kann in dem Gefühl zum Aus­druck kom­men, genau »am rich­ti­gen Platz« zu sein, genau das zu tun, was man zu tun hat, und es auf glück­li­che Wei­se – im objek­ti­ven wie im sub­jek­ti­ven Sin­ne – zu tun oder in der resi­gnier­ten Über­zeu­gung, nichts ande­res tun zu kön­nen, auch eine frei­lich weni­ger glück­li­che Wei­se, sich für das, was man tut, geschaf­fen zu fühlen.
(Pierre Bour­dieu – Der Tote packt den Leben­den, in: Der Tote packt den Lebenden)

In jeder Hin­sicht ist Kul­tur Ergeb­nis eines Kamp­fes. Das ver­steht sich von selbst, weil mit der Idee der Kul­tur auch immer die mensch­li­che Wür­de auf dem Spiel steht. Das bedeu­tet, daß in einer Klas­sen­ge­sell­schaft die­je­ni­gen, die von der Kul­tur aus­ge­schlos­sen sind, auch in ihrer Wür­de und in ihrer mensch­li­chen Exis­tenz getrof­fen sind und sich getrof­fen füh­len. Die­je­ni­gen wie­der­um, die die Kul­tur besit­zen oder sich zumin­dest in ihrem Besitz wäh­nen (der Glau­be ist hier wesent­lich) ver­ges­sen stän­dig all die Lei­den und Ernied­ri­gun­gen, die im Namen die­ser Kul­tur gesche­hen. Die Kul­tur ist hier­ar­chisch orga­ni­siert und sie trägt zur Unter- und Über­ord­nung von Men­schen bei, wie etwa ein Möbel- oder ein Klei­dungs­stück, an denen man sofort erken­nen kann, auf wel­cher Spros­se der sozia­len und kul­tu­rel­len Hier­ar­chie sein Besit­zer steht. Im Bereich der Poli­tik, aber nicht allein dort, ver­ur­tei­len die offi­ziö­se Kul­tur und der von ihr bean­spruch­te Respekt die­je­ni­gen zum Schwei­gen, die nicht als Trä­ger die­ser Kul­tur aner­kannt sind. Um aber die sozia­len Kämp­fe und Aus­ein­an­der­set­zun­gen um die jewei­li­ge Kul­tur voll­stän­dig erkenn­bar zu machen, muß man immer wie­der hin­wei­sen auf jene Illu­si­on, die aus der immer auch sinn­lich-mate­ri­el­len Erschei­nungs­wei­se von Kul­tur resul­tiert. Der Umstand, daß kul­tu­rel­le Erschei­nun­gen immer auch als sinn­lich faß­ba­re Äuße­run­gen von Per­so­nen in Erschei­nung tre­ten, erweckt den Ein­druck, als sei Kul­tur die natür­lichs­te und die per­sön­lichs­te und damit also auch die legi­tims­te Form des Eigentums.
(Pierre Bour­dieu – Poli­tik, Bil­dung und Spra­che, in: Die ver­bor­ge­nen Mecha­nis­men der Macht)