An dieser Stelle ist es nötig, etwas zur soziologischen Sicht des menschlichen Seins zu sagen. Kriminalität wird zum Beispiel als eine Folge der Armut gesehen. Doch dies erklärt nicht, warum die Mehrheit nicht kriminell wird. Daraus wiederum kann man aber nicht schlußfolgern, Armut hätte keinen Zusammenhang mit Kriminalität. Man kommt nicht umhin, einiges zu differenzieren. Wenn ein Hungriger stiehlt, handelt er nicht aus Habgier; und wenn er dabei, ohne es zu wollen, jemanden umbringt, ist es kein vorsätzlicher Mord. Andererseits gehören die Reichen und Mächtigen zu jenen in unserer Gesellschaft, die Kriege anzetteln, die Lebensgrundlage anderer Menschen zerstören, Natur und Menschen vergiften. Sie aber sitzen nicht in den Gefängnissen. Kriminalstatistiken verzeichnen nur deshalb mehr Arme als Reiche, weil solche Statistiken der Ideologie der Reichen und Mächtigen unterliegen und weil sie nicht alle Formen von Destruktivität aufführen.
(Arno Gruen – Der Wahnsinn der Normalität)
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