Mensch-Maschi­ne

Aber ist es roman­tisch zu wer­ten, wenn Goeb­bels von einer Fahrt in bom­ben­zer­stör­te West­städ­te pathe­tisch lügt, er sel­ber, der doch den Betrof­fe­nen Mut ein­flö­ßen woll­te, fühl­te sich durch ihr uner­schüt­ter­li­ches Hel­den­tum »neu auf­ge­la­den«? Nein, hier wirkt bestimmt und allein die Gewöh­nung, den Men­schen zu einem tech­ni­schen Appa­rat zu erniedrigen.
Ich sage es des­halb mit Bestimmt­heit, weil in den andern tech­ni­schen Meta­phern des Pro­pa­gan­da­mi­nis­ters und des Goeb­bel­s­krei­ses der unmit­tel­ba­re Bezug auf das Maschi­nel­le ohne jede Erin­ne­rung an irgend­wel­che Kraft­strö­me herrscht. Wie­der und wie­der wer­den täti­ge Men­schen mit Moto­ren ver­gli­chen. So heißt es etwa im »Reich« von dem Ham­bur­ger Statt­hal­ter, er sei in sei­ner Arbeit wie »ein immer auf Hoch­tou­ren lau­fen­der Motor«. Viel stär­ker aber als solch ein Ver­gleich, der immer­hin einen Grenz­strich zieht zwi­schen dem Bild und dem damit ver­gli­che­nen Objekt, viel gra­vie­ren­der zeugt für die mecha­ni­sie­ren­de Grund­an­schau­ung ein Goeb­bels­satz wie die­ser: »Wir wer­den in abseh­ba­rer Zeit auf einer Rei­he von Gebie­ten wie­der zu vol­len Tou­ren auf­lau­fen.« Wir wer­den also nicht mehr mit Maschi­nen ver­gli­chen, son­dern wir sind Maschi­nen. Wir: das ist Goeb­bels, das ist die nazis­ti­sche Regie­rung, das ist die Gesamt­heit Hit­ler­deutsch­lands, die in schwe­rer Not, bei schreck­li­chem Kräf­te­ver­lust ermu­tigt wer­den soll; und sich sel­ber und all sei­ne Getreu­en ver­gleicht der sprach­ge­wal­ti­ge Pre­di­ger nicht etwa, nein, iden­ti­fi­ziert er mit Maschi­nen. Eine ent­geis­tig­te­re Denk­art als die sich hier ver­ra­ten­de ist unmöglich.
(Vic­tor Klem­pe­rer – LTI)

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