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Im Kon­text des Habi­tus­kon­zepts und der Bour­dieu­schen Milieu­for­schung ist von öko­no­mi­schem, kul­tu­rel­lem sowie sozia­lem Kapi­tal die Rede. Um die­se ver­schie­de­nen For­men des Kapi­tals, die bei Bour­dieu zur Spra­che kom­men, zu betrach­ten, ist es zunächst ein­mal wich­tig, den Begriff des Kapi­tals gene­rell zu defi­nie­ren. Bour­dieu spricht von Kapi­tal als „akku­mu­lier­te Arbeit, ent­we­der in Form von Mate­ri­al oder in ver­in­ner­lich­ter, »inkor­po­rier­ter« Form“ (Bour­dieu, 1992b, S. 49).

Im Gegen­satz zu einer ver­en­gen­den Betrach­tungs­wei­se, die jeg­li­che Kapi­tal­for­men jen­seits des öko­no­mi­schen Kapi­tals als sol­ches schlicht ver­kennt, iden­ti­fi­ziert Bour­dieu neben dem öko­no­mi­schen Kapi­tal auch kul­tu­rel­les sowie sozia­les Kapital.

Die Betrach­tung der Gesell­schaft unter rein öko­no­mi­schen Gesichts­punk­ten igno­riert die sym­bo­li­sche Logik der Distink­ti­on und die Effek­te des kul­tu­rel­len Kapi­tals, die den Besit­zern eines umfang­rei­chen Kul­tur­ka­pi­tals auf Grund des­sen Sel­ten­heits­werts beson­de­re Pro­fi­te wie etwa schu­li­sche Bil­dungs­er­fol­ge ermöglichen:

„D. h., der­je­ni­ge Teil des Pro­fits, der in unse­rer Gesell­schaft aus dem Sel­ten­heits­wert bestimm­ter For­men von kul­tu­rel­lem Kapi­tal erwächst, ist letz­ten Endes dar­auf zurück­zu­füh­ren, daß nicht alle Indi­vi­du­en über die öko­no­mi­schen und kul­tu­rel­len Mit­tel ver­fü­gen, die es ihnen ermög­li­chen, die Bil­dung ihrer Kin­der über das Mini­mum hin­aus zu ver­län­gern, das zu einem gege­be­nen Zeit­punkt für die Repro­duk­ti­on der Arbeits­kraft mit dem gerings­ten Markt­wert erfor­der­lich ist“ (ebd., S. 57f).

Hier­bei wird anhand des kul­tu­rel­len Kapi­tals bereits deut­lich, dass die drei genann­ten Kapi­tal­ar­ten gesell­schaft­lich ungleich ver­teilt sind, wobei deren Ver­tei­lungs­struk­tur „der imma­nen­ten Struk­tur der gesell­schaft­li­chen Welt“ (ebd., S. 50) ent­spricht, sodass die „unglei­che Ver­tei­lung von Kapi­tal (…) somit die Grund­la­ge für die spe­zi­fi­schen Wir­kun­gen von Kapi­tal“ (ebd., S. 58) bil­det. Auf die­ser Grund­la­ge ist sozia­le Her­kunft „als Ver­ket­tung von Merk­ma­len der sozio­öko­no­mi­schen Stel­lung, des kul­tu­rel­len sowie des sozia­len Kapi­tals zu ver­ste­hen“ (Bau­mert & Maaz, 2006, S. 24), die sozia­le Ungleich­hei­ten abbil­den: „Durch die Ver­knüp­fung und Kor­re­la­ti­on der ver­schie­de­nen Kapi­tal­ar­ten erfolgt eine Kumu­la­ti­on von Vor- bzw. Nach­tei­len in den ver­schie­de­nen sozia­len Klas­sen“ (Jung­bau­er-Gans, 2004, S. 377). Ein gewich­ti­ger Vor­teil die­ser Ope­ra­tio­na­li­sie­rung sozia­ler Her­kunft ist der Umstand, dass mit Blick auf Kapi­tal­zu­sam­men­set­zung, -wir­kung und den dar­aus resul­tie­ren­den Habi­tus eine Per­spek­ti­ve ein­ge­nom­men wird, die sich nicht auf abs­trak­te Kate­go­rien und Struk­tur­merk­ma­le beschränkt, son­dern eben­so Pro­zess­merk­ma­le beleuch­tet und kon­kre­te Eigen­hei­ten wie die Zusam­men­set­zung des Freun­des­krei­ses, Frei­zeit­be­schäf­ti­gun­gen oder Erzie­hungs­sti­le beinhal­tet (vgl. Krais, 2004; Water­mann & Bau­mert, 2006; Bra­ke & Büch­ner, 2009).

Das kul­tu­rel­le Kapi­tal kann als Bil­dung und Hand­lungs­wis­sen in jed­we­der Form, über das eine Per­son ver­fügt, beschrie­ben wer­den und lässt sich in die drei Unter­for­men des inkor­po­rier­ten, objek­ti­vier­ten und insti­tu­tio­na­li­sier­ten Kul­tur­ka­pi­tals differenzieren.

Das inkor­po­rier­te Kul­tur­ka­pi­tal bezeich­net die ver­in­ner­lich­te Form des Kul­tur­ka­pi­tals, es „wird in per­sön­li­cher Bil­dungs­ar­beit erwor­ben und kann am ehes­ten als kogni­ti­ve Kom­pe­tenz und ästhe­ti­scher Geschmack beschrie­ben wer­den“ (Jung­bau­er-Gans, 2004, S. 377). Die Vor­aus­set­zung für jeg­li­che Inkor­po­rie­rung ist eine per­sön­li­che Inves­ti­ti­on von Zeit, die auf­zu­brin­gen sowohl der jewei­li­ge Akteur als auch des­sen Fami­lie (öko­no­misch) in der Lage sein müs­sen, denn die Akku­mu­la­ti­on des kul­tu­rel­len Kapi­tals und damit des­sen indi­vi­du­el­le Effek­ti­vi­tät „hängt viel­mehr auch davon ab, wie­viel nutz­ba­re Zeit (…) in der Fami­lie zur Ver­fü­gung steht, um die Wei­ter­ga­be des Kul­tur­ka­pi­tals zu ermög­li­chen und einen ver­zö­ger­ten Ein­tritt in den Arbeits­markt zu gestat­ten“ (Bour­dieu, 1992b, S. 72), wes­we­gen sich hier Vor­tei­le für öko­no­misch gut­si­tu­ier­te Fami­li­en erge­ben. Als sinn­volls­tes Maß für inkor­po­rier­tes Kul­tur­ka­pi­tal bezeich­net Bour­dieu die gesam­te Dau­er des Bil­dungs­er­werbs, also die­je­ni­ge Zeit, in wel­cher auf dem Wege sozia­ler Ver­er­bung Kul­tur­ka­pi­tal wei­ter­ge­ge­ben wird, wobei hier sehr dar­auf zu ach­ten ist, die­se nicht fälsch­li­cher­wei­se auf die Schul­zeit zu redu­zie­ren, da ansons­ten erneut – wie bei der rein öko­no­mi­schen Betrach­tungs­wei­se – die Trans­mis­si­on des kul­tu­rel­len Kapi­tals in der Fami­lie kom­plett unbe­rück­sich­tigt blie­be (vgl. ebd., S. 56). Da sich die her­kunfts­spe­zi­fi­schen und schul­spe­zi­fi­schen Bil­dungs­in­hal­te aller­dings durch­aus wider­spre­chen kön­nen, ist somit die Zeit der Pri­mär­er­zie­hung, die für die Ver­mitt­lung kul­tu­rel­ler Prak­ti­ken auf­ge­wen­det wur­de, „je nach dem Abstand zu den Erfor­der­nis­sen des schu­li­schen Mark­tes ent­we­der als posi­ti­ver Wert [in Rech­nung zu stel­len], als gewon­ne­ne Zeit und Vor­sprung, oder als nega­ti­ver Fak­tor, als dop­pelt ver­lo­re­ne Zeit, weil zur Kor­rek­tur der nega­ti­ven Fol­gen noch­mals Zeit ein­ge­setzt wer­den muß“ (ebd., S. 56) – für den Schul­erfolg irr­re­le­van­te Pra­xen wer­den somit aus Per­spek­ti­ve der legi­ti­men Kul­tur als Fehl­in­ves­ti­tio­nen betrachtet.

Das ein­mal inkor­po­rier­te Kul­tur­ka­pi­tal wird unwei­ger­lich zum fes­ten Bestand­teil der Per­son und formt ihren Habi­tus, bleibt dabei aber stets von den Umstän­den der ers­ten Aneig­nung geprägt (vgl. ebd., S. 56f), wor­an ersicht­lich wird, wel­chen nach­hal­ti­gen Ein­fluss die her­kunfts­spe­zi­fi­sche Kapi­tal­zu­sam­men­set­zung und die Ver­er­bung die­ses Kapi­tals auf den indi­vi­du­el­len Habi­tus und schließ­lich die schu­li­schen Erfol­ge aufweist.

Dem­ge­gen­über stellt objek­ti­vier­tes Kul­tur­ka­pi­tal, so wie ein Buch, ein Bild, ein Com­pu­ter oder ein Instru­ment, eine auto­no­me, mate­ri­ell über­trag­ba­re Form von Kul­tur­ka­pi­tal dar (vgl. ebd., S. 59). Es kann belie­big unmit­tel­bar wei­ter­ge­ben, ver­schenkt, ver­erbt und gekauft wer­den, wofür ledig­lich eine öko­no­mi­sche Inves­ti­ti­on nötig ist. Durch die­sen Umstand ist das objek­ti­vier­te Kul­tur­ka­pi­tal sehr eng an das öko­no­mi­sche Kapi­tal gebun­den. Die Aneig­nung des objek­ti­vier­ten Kul­tur­ka­pi­tals, die es erst als Kapi­tal wirk­sam wer­den lässt, setzt aller­dings anknüp­fungs­fä­hi­ges inkor­po­rier­tes kul­tu­rel­les Kapi­tal vor­aus – ein Buch bleibt eine blo­ße Blät­ter­samm­lung, solan­ge nicht inkor­po­rier­tes Kul­tur­ka­pi­tal in Form der Lese­fä­hig­keit vorliegt.

Eine gewis­se Objek­ti­vie­rung wie­der­um erfährt das inkor­po­rier­te Kul­tur­ka­pi­tal durch die Form des insti­tu­tio­na­li­sier­ten kul­tu­rel­len Kapi­tals, das in Gestalt von zu ver­ge­be­nen schu­li­schen bzw. aka­de­mi­schen Titeln exis­tiert. Die insti­tu­tio­na­li­sier­te Form des Kul­tur­ka­pi­tals stellt damit eine offi­zi­el­le Aner­ken­nung und Legi­ti­mie­rung des inkor­po­rier­ten Kul­tur­ka­pi­tals dar und ist „ein Zeug­nis für kul­tu­rel­le Kom­pe­tenz, das sei­nem Inha­ber einen dau­er­haf­ten und recht­lich garan­tier­ten kon­ven­tio­nel­len Wert über­trägt“ (ebd., S. 61). Ein der­ar­ti­ges Zeug­nis legi­ti­miert damit nicht nur die fami­liä­re Ver­er­bung kul­tu­rel­len Kapi­tals und die dadurch erzeug­ten sozia­len Ungleich­hei­ten, son­dern beschei­nigt dem Absol­ven­ten einer aner­kann­ten Bil­dungs­ein­rich­tung zudem dau­er­haft, was der Auto­di­dakt stän­dig bewei­sen muss, wobei die ein­zi­ge Dif­fe­renz zwi­schen bei­den Akteu­ren ihre Ent­spre­chung mit und ihre Unter­wer­fung unter die als legi­tim erach­te­ten Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen ist, womit durch insti­tu­tio­nel­le Sank­tio­nen blei­ben­de und für die wei­te­ren Lebens­we­ge höchst rele­van­te Gren­zen pro­du­ziert wer­den, da sie eine wesens­mä­ßi­ge Unter­schei­dung zwi­schen offi­zi­ell aner­kann­tem und durch den Bil­dungs­ti­tel nach­ge­wie­se­nem bzw. garan­tier­tem Kul­tur­ka­pi­tal auf der einen sowie nicht offi­zi­ell aner­kann­tem Kul­tur­ka­pi­tal auf der ande­ren Sei­te voll­zie­hen (vgl. ebd., S. 62; Sol­ga, 2005). An die­ser Stel­le sei erneut auf die damit ein­her­ge­hen­de Abwer­tung all­tags­re­le­van­ter Pra­xen ver­wie­sen, wenn die­se nicht den schu­li­schen (und damit herr­schen­den) Vor­stel­lun­gen legi­ti­mer Kul­tur entsprechen.

Sozia­les Kapi­tal wie­der­um defi­niert Bour­dieu als „die Gesamt­heit der aktu­el­len und poten­ti­el­len Res­sour­cen, die mit dem Besitz eines dau­er­haf­ten Net­zes von mehr oder weni­ger insti­tu­tio­na­li­sier­ten Bezie­hun­gen gegen­sei­ti­gen Ken­nens oder Aner­ken­nens ver­bun­den sind“ (Bour­dieu, 1992b, S. 63). Die­se Res­sour­cen, die über das Netz poten­ti­ell erschlos­sen wer­den kön­nen, umfas­sen sowohl öko­no­mi­sches (bei­spiels­wei­se in Form von Kre­di­ten oder ander­wei­ti­ger finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung), kul­tu­rel­les (bei­spiels­wei­se als Zugang zu objek­ti­vier­tem Kul­tur­ka­pi­tal) als auch wei­te­res sozia­les Kapi­tal (‚ein Freund eines Freun­des‘), das „nicht in der direk­ten Ver­fü­gung des Indi­vi­du­ums“, son­dern „an die Exis­tenz ande­rer Per­so­nen gebun­den“ (Holl­stein, 2007, S. 53) ist. Das Netz dient hier­bei als Mul­ti­pli­ka­tor, sodass letzt­lich das für einen Akteur tat­säch­lich ver­füg­ba­re Kapi­tal nicht bloß das direkt zugäng­li­che, son­dern zudem das über das Netz­werk akti­vier­ba­re Kapi­tal ein­schließt (Bour­dieu, 1992b, S. 64). Mit der Grö­ße des jewei­li­gen sozia­len Net­zes und der sozia­len Posi­ti­on der Gegen­über kor­re­liert somit der Umfang des eige­nen Gesamt­ka­pi­tals, wobei qua­li­ta­ti­ve Stär­ke durch­aus Vor­rang vor quan­ti­ta­ti­vem Aus­maß des Net­zes ein­nimmt (vgl. Mewes, 2010).

Die unter­schied­li­chen Kapi­tal­ar­ten sind, wie bereits ange­schnit­ten, unter­ein­an­der kon­ver­tier­bar und stets mit­ein­an­der ver­wo­ben, sodass kei­ne Kapi­tal­art als von den ande­ren Kapi­tal­ar­ten unab­hän­gi­ge ver­stan­den wer­den kann. Kul­tu­rel­le, sozia­le wie öko­no­mi­sche Res­sour­cen der Eltern bei­spiels­wei­se (oder auch der Peers) sind nur nütz­lich, wenn sie ent­spre­chend genutzt wer­den (kön­nen) und sozia­les Kapi­tal in Form von Bezie­hun­gen besteht, die eine sol­che Nut­zung erlau­ben und för­dern (vgl. All­men­din­ger, Ebner, & Niko­lai, 2007, S. 489). Inner­halb der Fami­lie wir­ken sich die Fami­li­en­struk­tur, die phy­si­sche Prä­senz und die För­der­kul­tur auf die schu­li­schen Leis­tun­gen eines Kin­des aus – besteht kein (regel­mä­ßi­ger) Kon­takt zu den Eltern oder fehlt eine sol­che För­der­kul­tur, kann das Kind kaum vom kul­tu­rel­len Kapi­tal der Eltern pro­fi­tie­ren (vgl. ebd.). Außer­halb der Fami­lie ist es die Peer­group und das unmit­tel­ba­re Milieu, das sich auf die Leis­tun­gen aus­wirkt. In- und außer­halb der Fami­lie las­sen sich das kul­tu­rel­le Kapi­tal und die kul­tu­rel­le Pra­xis nicht von den Sozi­al­be­zie­hun­gen und damit dem sozia­len Kapi­tal tren­nen. Bei nied­ri­gem for­ma­lem Bil­dungs­ni­veau kon­zen­trie­ren sich die sozia­len Bezie­hun­gen zudem vor­wie­gend auf Ver­wandt­schaft und Nach­bar­schaft (vgl. Die­wald & Lüdi­cke, 2007; Mewes, 2010), ein Zugriff auf kul­tu­rel­les Kapi­tal über gro­ße sozia­le Netz­wer­ke, wie sie für Milieus mit hoher for­ma­ler Bil­dung cha­rak­te­ris­tisch sind, wird damit erschwert bis unmöglich.

Anhand der Akku­mu­la­ti­on kul­tu­rel­len Kapi­tals in inkor­po­rier­ter Form wur­de bereits im Ansatz deut­lich, wie essen­ti­ell die Ver­füg­bar­keit öko­no­mi­schen Kapi­tals sich auf die zur Inkor­po­rie­rung ver­füg­ba­re Zeit aus­wirkt, da „ein Indi­vi­du­um die Zeit für die Akku­mu­la­ti­on kul­tu­rel­len Kapi­tals nur so lan­ge aus­deh­nen kann, wie ihm sei­ne Fami­lie freie, von öko­no­mi­schen Zwän­gen befrei­te Zeit garan­tie­ren kann“ (Bour­dieu, 1992b, S. 59), und auch Zeit, sich mit dem Kind zu beschäf­ti­gen, bedarf öko­no­mi­scher Sicher­heit, sich die­se Zeit ‚leis­ten‘ zu kön­nen. Das öko­no­mi­sche Kapi­tal erzeugt neben den unmit­tel­ba­ren öko­no­mi­schen Vor­tei­len ein Gefühl mate­ri­el­ler Sicher­heit und erlaubt den Zugriff auf und die Akku­mu­la­ti­on kul­tu­rel­len Kapi­tals, ist folg­lich sowohl direkt als auch indi­rekt für die Habi­tus­bil­dung ver­ant­wort­lich. Es liegt daher sowohl allen ande­ren Kapi­tal­ar­ten zugrun­de, muss aber gleich­zei­tig Trans­for­ma­tio­nen erfah­ren, wo die direk­te Ver­er­bung öko­no­mi­schen Kapi­tals als ille­gi­tim erschei­nen könn­te, um die­se Ver­er­bung zu ver­schlei­ern und zu legi­ti­mie­ren (vgl. ebd., S. 70ff) – eben als Ver­er­bung kul­tu­rel­len Kapi­tals. Wäh­rend die Ver­füg­bar­keit über öko­no­mi­sches Kapi­tal ver­gleich­bar offen­sicht­lich und quan­ti­fi­zier­bar ist, die Effek­te des kul­tu­rel­len Kapi­tals und des­sen Ver­er­bung aber ver­bor­ge­ner von­stat­ten­ge­hen und es häu­fig als Kapi­tal ver­kannt wird – so wird nicht sel­ten das inkor­po­rier­te kul­tu­rel­le Kapi­tal natu­ra­li­siert und als Intel­li­genz, Bega­bung, Talent dekla­riert – , muss fest­ge­hal­ten wer­den, „daß die Über­tra­gung von Kul­tur­ka­pi­tal zwei­fel­los die am bes­ten ver­schlei­er­te Form erb­li­cher Über­tra­gung von Kapi­tal ist“ (ebd., S. 58), denn „[d]er Umstand, daß kul­tu­rel­le Erschei­nun­gen immer auch als sinn­lich faß­ba­re Äuße­run­gen von Per­so­nen in Erschei­nung tre­ten, erweckt den Ein­druck, als sei Kul­tur die natür­lichs­te und die per­sön­lichs­te und damit also auch die legi­tims­te Form des Eigen­tums“ (Bour­dieu, 1992a, S. 27). Infol­ge­des­sen müs­sen auf­grund der Ungleich­ver­tei­lung des kul­tu­rel­len Kapi­tals und der gene­rel­len Hier­ar­chi­sie­rung von Kul­tur die „spe­zi­fi­schen Stra­te­gien, mit denen die ver­schie­de­nen sozia­len Klas­sen und deren Teil­frak­tio­nen ihre sozia­le Stel­lung erhal­ten oder zu ver­bes­sern stre­ben“ (Ves­ter, 2004, S. 27), genau­so wie die schu­li­sche Defi­ni­ti­on legi­ti­mer Kul­tur und die Abwer­tung davon abwei­chen­der sozia­ler Pra­xen als sozia­le Kämp­fe ver­stan­den werden.

In der sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Bil­dungs­for­schung fris­ten auf Bour­dieu und des­sen Kapi­tal- sowie Habi­tus­kon­zept auf­bau­en­de Ansät­ze bis­lang jedoch ein Schat­ten­da­sein (vgl. Kalt­hoff, 2004) oder wer­den bis­wei­len in einer Form umge­setzt, die kul­tu­rel­les Kapi­tal defi­ni­to­risch auf Hoch­kul­tur ver­kürzt (vgl. de Graaf & de Graaf, 2006; dazu kri­tisch Jung­bau­er-Gans, 2006). Zwar fin­det das Kon­zept des kul­tu­rel­len und sozia­len Kapi­tals in den die öffent­li­chen Debat­ten über Bil­dungs­chan­cen immer wie­der her­vor­ru­fen­den PISA-Stu­di­en durch­aus Anwen­dung, aller­dings wur­de in die­sen Ansät­zen die kul­tu­rel­le Pra­xis ledig­lich im Kon­text von PISA 2000 über Fra­gen nach Besitz von Kul­tur­gü­tern, zum kul­tu­rel­len Leben in der Fami­lie und zur Teil­ha­be der Schü­ler an For­men der Kul­tur bzw. der kom­mu­ni­ka­ti­ven Pra­xis ermit­telt (vgl. Bau­mert & Maaz, 2006; Bau­mert, 2001; Water­mann & Bau­mert, 2006). In der Fol­ge­stu­die aus dem Jahr 2003 wur­den zunächst sämt­li­che Fra­gen zur Ver­hal­tens­di­men­si­on des kul­tu­rel­len Kapi­tals gestri­chen, sodass als Indi­ka­tor für kul­tu­rel­les Kapi­tal ein­zig der Besitz von Kul­tur­gü­tern erfasst wird, der eher Rück­schlüs­se auf den finan­zi­el­len als auf den kul­tu­rel­len Hin­ter­grund der Fami­li­en erlaubt (vgl. Jung­bau­er-Gans, 2004), bis schließ­lich PISA 2006 jeg­li­chen Bezug auf Bour­dieu ver­mis­sen ließ (vgl. Kra­mer & Hel­sper, 2010). Selbst zu Beginn der PISA-Stu­di­en wur­den die theo­re­ti­schen Annah­men Bour­dieus nur begrenzt metho­disch umge­setzt, „ohne aller­dings – und das mar­kiert die ent­schei­den­de Dif­fe­renz zu kri­ti­scher Bil­dungs­for­schung – des­sen radi­ka­le, also auf den Grund gehen­de, Ein­schät­zun­gen, die in der Klas­sen­struk­tu­riert­heit der bür­ger­lich-kapi­ta­lis­ti­schen Gesell­schafts­for­ma­ti­on grün­den, zu tei­len bzw. auf­zu­neh­men“ (Sün­ker, 2008, S. 224). Im Gegen­teil fin­det sich dort viel­mehr „eine Abwehr, die teil­wei­se mit einer unvoll­stän­di­gen und ein­sei­ti­gen Rezep­ti­on Bour­dieus ein­her­geht“ (Ves­ter, 2006, S. 23). Mit die­ser Abkehr von der Erfas­sung der Pro­zess­merk­ma­le kul­tu­rel­ler Pra­xis beschrän­ken sich die PISA-Stu­di­en auf rein objek­ti­vis­ti­sche Merk­ma­le zur Defi­ni­ti­on der sozia­len Her­kunft, wes­halb der Bei­trag zur Erklä­rung sozia­ler Chan­cen- und Bil­dungs­un­gleich­hei­ten unbe­frie­di­gend blei­ben muss: „Auf die­se Wei­se kön­nen zwar sta­tis­ti­sche Kor­re­la­tio­nen zwi­schen spe­zi­fi­schen Indi­ka­to­ren wie zum Bei­spiel zwi­schen der sozia­len Her­kunft und der indi­vi­du­el­len schu­li­schen Leis­tungs­fä­hig­keit her­aus­ge­ar­bei­tet wer­den; ver­stan­den sind die sozia­len Pro­zes­se und Mecha­nis­men, die zu die­sen Kor­re­la­tio­nen füh­ren, damit aber noch nicht“ (Grund­mann, Bitt­ling­may­er, Dra­ven­au, & Edel­stein, 2006, S. 15).


Lite­ra­tur:

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Zen­tral für das Kon­zept des sozia­len Raums und der sozia­len Fel­der ist das Begrei­fen der sozia­len Wirk­lich­keit als einer rela­tio­na­len. Jeder Akteur inner­halb der sozia­len Wirk­lich­keit fin­det sich an einem Punkt die­ses sozia­len Rau­mes wie­der, wobei sei­ne Posi­ti­on dabei stets im Ver­hält­nis zur Posi­ti­on der ande­ren Akteu­re steht bezie­hungs­wei­se in Hin­sicht auf die Distanz zu ande­ren Akteu­ren defi­niert wird, was durch die Unter­schie­de im Lebens­stil oder – all­ge­mei­ner – im Habi­tus zur Gel­tung kommt. Der sozia­le Raum ist somit auch ein Raum der sozia­len Unter­schie­de und beinhal­tet durch sein rela­tio­na­les Kon­zept die Bezie­hun­gen der ein­zel­nen Akteu­re zuein­an­der. Die Gesell­schaft kon­sti­tu­iert sich unter stän­di­ger Ver­än­de­rung aus den sym­bo­li­schen Kämp­fen um Macht inner­halb des sozia­len Rau­mes. Ein Akteur sieht dabei die Welt oder bes­ser gesagt den sozia­len Raum stets aus Sicht sei­ner Posi­ti­on, so wie eine Per­son im phy­si­schen Raum ihre geo­gra­phi­sche Umge­bung stets nur gemäß ihrer Posi­ti­on wahrnimmt.

Bour­dieu kon­stru­iert den sozia­len Raum als Drei­ebe­nen­kon­zept, umfas­send die Ebe­ne der sozia­len Posi­tio­nen oder Lagen, die Ebe­ne der Lebens­sti­le sowie die Ebe­ne des Habitus.

Die ers­te Ebe­ne der sozia­len Posi­tio­nen lässt sich als drei­di­men­sio­na­les Gebil­de erklä­ren. Zunächst ent­schei­det das per­sön­li­che Kapi­tal­vo­lu­men, also sowohl kul­tu­rel­les als auch öko­no­mi­sches Kapi­tal, über die ver­ti­ka­le Posi­ti­on im sozia­len Raum; das Kapi­tal­vo­lu­men stellt folg­lich die Y-Ach­se eines Ach­sen­kreu­zes dar. Wer über ein hohes Kapi­tal­vo­lu­men ver­fügt, fin­det sich in den obe­ren Berei­chen des sozia­len Rau­mes wie­der. Die zwei­te Ach­se stellt die Kapi­tal­struk­tur des Kapi­tals dar, über das ein Akteur ver­fügt. Ihre Pole sind das kul­tu­rel­le sowie das öko­no­mi­sche Kapi­tal. Ein Akteur, der über viel öko­no­mi­sches Kapi­tal ver­fügt, befin­det sich somit an einer ande­ren Posi­ti­on in den obe­ren Berei­chen des sozia­len Rau­mes als eine Per­son, die über viel kul­tu­rel­les Kapi­tal ver­fügt. Kapi­tal­vo­lu­men und Kapi­tal­zu­sam­men­set­zung sind glei­cher­ma­ßen bedeu­tend. Als drit­te Dimen­si­on spielt schließ­lich neben der aktu­el­len Posi­ti­on auch die Ent­wick­lung im sozia­len Raum eine Rol­le. Ver­gan­gen­heit und Zukunft sind hier als Zeit­fak­to­ren von Bedeu­tung, da die Ent­wick­lung Auf­schluss dar­über gibt, ob es sich bei einem Akteur um einen sozia­len Auf- oder Abstei­ger handelt.

Die zwei­te Ebe­ne der Lebens­sti­le kann als über­la­ger­te Ebe­ne auf dem Raum der sozia­len Posi­tio­nen begrif­fen wer­den. Hier zei­gen sich die Unter­schie­de im Kon­sum­ver­hal­ten, in der Nut­zung von Unter­hal­tungs­an­ge­bo­ten, im Sport oder all­ge­mein in der Frei­zeit­ak­ti­vi­tät der sozia­len Akteu­re, die zwar Posi­tio­nen auf der ers­ten Ebe­ne ent­spre­chen, aber nicht zwangs­wei­se dar­aus abge­lei­tet wer­den kön­nen und daher auch sepa­rat unter­sucht werden.

Wie schon auf der zwei­ten Ebe­ne der Lebens­sti­le zei­gen sich auch auf der drit­ten Ebe­ne der Habi­tus die in der ers­ten Ebe­ne ver­deut­lich­ten Unter­schie­de in der Ver­füg­bar­keit über Kapi­tal und die zuge­hö­ri­gen Posi­tio­nen, die für die Akteu­re nicht unmit­tel­bar erkenn­bar sind, in wirk­li­chen, für die Akteu­re sicht­ba­ren Unter­schie­den. Es sind unter­schied­li­che Lebens­sti­le und Ver­hal­tens­wei­sen, die in die­sen bei­den Ebe­nen die unter­schied­li­chen mate­ri­el­len Bedin­gun­gen als unmit­tel­bar erleb­ba­re sozia­le Unter­schie­de zum Aus­druck brin­gen. Der Habi­tus die­ser drit­ten Ebe­ne, ent­stan­den durch die sozia­len Umstän­de, durch die er geprägt wur­de, zeich­net sich für die Umwand­lung ver­ant­wort­lich, die aus ähn­li­chen mate­ri­el­len Bedin­gun­gen ähn­li­che Ver­hal­tens­mus­ter, Geschmä­cker und Lebens­sti­le formt, die schluss­end­lich die sozia­len Dif­fe­ren­zen repro­du­zie­ren. Jene Ver­hal­tens­mus­ter, Lebens­sti­le und Geschmä­cker, gebil­det danach, in wel­cher öko­no­mi­schen und kul­tu­rel­len Situa­ti­on ein Akteur auf­ge­wach­sen ist, wer­den zu Kenn­zei­chen der sozia­len Posi­ti­on und die­nen damit einer­seits als Zuord­nungs- und gleich­zei­tig als Abgren­zungs­merk­mal. Wer auf­stei­gen will, muss gewis­se Hür­den über­win­den und wird auf Grund sei­nes inkor­po­rier­ten Habi­tus nie voll­kom­men ‚dazu­ge­hö­ren’, fühlt sich also mit­un­ter am fal­schen Ort, genau­so wie legi­ti­me oder distin­gu­ier­te Kul­tur als Kul­tur der obe­ren Posi­tio­nen im Sozi­al­raum als Abgren­zungs­merk­mal benutzt wird, die als unin­ter­es­sant und undis­tin­gu­iert gilt, sobald sie popu­lär gewor­den ist und damit auch brei­te­re Mas­sen aus ande­ren, nied­ri­ge­ren sozia­len Posi­tio­nen über sie verfügen.

Bour­dieu kri­ti­siert mit sei­nem Drei­ebe­nen­kon­zept Marx bzw. Tei­le der dar­auf beru­hen­den Mar­xis­ten, die theo­re­ti­sche sozia­le Klas­sen, die sich durch unter­schied­li­ches Kapi­tal­ver­mö­gen aus­zeich­nen, als wirk­li­che Klas­sen begrif­fen haben. Eine wirk­li­che Klas­sen­la­ge bezie­hungs­wei­se viel­mehr sozia­le Nähe oder sozia­le Distanz ent­steht dem­ge­mäß laut Bour­dieu nur in der sozia­len Pra­xis durch die Akteu­re selbst, die sich durch Unter­schie­de in Habi­tus und Lebens­sti­len abgren­zen und somit selbst gewis­se Gren­zen defi­nie­ren, wel­che aller­dings nicht so klar ver­lau­fen müs­sen wie in der Vor­stel­lung Marx­scher Klas­sen, bei der die kon­stru­ier­ten Klas­sen strikt von­ein­an­der getrennt existieren.

Mit der Vor­stel­lung des Rau­mes geht Bour­dieu den Weg, sozia­le Nähe oder Distanz zu beschrei­ben, wie es vom geo­gra­phi­schen Raum ableit­bar ist. Tat­säch­lich las­sen sich Wech­sel­be­zie­hun­gen zwi­schen sozia­lem Raum und dem geo­gra­phi­schen oder phy­si­schen Raum beob­ach­ten, des­sen Struk­tur Bour­dieu auch als ver­ding­lich­ten Sozi­al­raum bezeich­net. Wie im phy­si­schen Raum hat im sozia­len Raum jeder Akteur eine bestimm­te Posi­ti­on, die er ein­nimmt. Wo Nähen oder Distan­zen im Sozi­al­raum bestehen, bestehen sie meist auch im phy­si­schen Raum, was sich durch phy­sisch vor­han­de­ne Abgren­zung in letz­te­rem äußert: Uner­wünsch­te Per­so­nen wer­den durch Archi­tek­tur, recht­li­che Beschrän­kun­gen, Kon­trol­len etc. auf Distanz gehal­ten. Ein Obdach­lo­ser bei­spiels­wei­se, der im sozia­len Raum über nahe­zu kei­ne Exis­tenz ver­fügt, besitzt auch im phy­si­schen Raum kei­ne wirk­li­che Posi­ti­on oder Aus­brei­tung. Die­se phy­si­sche Ver­wirk­li­chung sozia­ler Abgren­zung ist laut Bour­dieu zudem „ein Teil der Behar­rungs­kraft der Struk­tu­ren des Sozi­al­raums“ (Bour­dieu, 1997, S. 161), weil eine phy­si­sche Rea­li­sie­rung oder schein­ba­re Natu­ra­li­sie­rung sozia­ler Unter­schie­de nur sehr schwie­rig wie­der auf­zu­he­ben ist. Räum­li­che Distan­zen tra­gen somit ihren – sicher­lich gro­ßen – Teil zur Ein­ver­lei­bung der sozia­len Distan­zen bei, die sich damit in den Denk­struk­tu­ren mani­fes­tie­ren: „Genau­er gesagt voll­zieht sich die unmerk­li­che Ein­ver­lei­bung der Struk­tu­ren der Gesell­schafts­ord­nung zwei­fel­los zu einem guten Teil ver­mit­telt durch andau­ern­de und unzäh­li­ge Male wie­der­hol­te Erfah­run­gen räum­li­cher Distanz“ (Bour­dieu, 1997, S. 162).

Sozia­le Felder

Das Kon­zept der sozia­len Fel­der trägt der Tat­sa­che Rech­nung, dass sich inner­halb des sozia­len Raums ihrer­seits wei­te­re sozia­le Räu­me vor­fin­den las­sen. Die­se Räu­me oder Uni­ver­sen inner­halb des sozia­len Raums, bezeich­net als Fel­der, ver­fü­gen jeweils über eine feld­spe­zi­fi­sche Form von Kapi­tal, die inner­halb die­ser Fel­der im sym­bo­li­schen Kampf um Macht und sozia­le Posi­ti­on als cha­rak­te­ris­ti­sche sym­bo­li­sche Waf­fe ein­ge­setzt wird. Um sie geht es inner­halb des Fel­des. Im Feld der Lite­ra­tur bei­spiels­wei­se stellt eine Form des kul­tu­rel­len Kapi­tals die feld­spe­zi­fi­sche Kapi­tal­art dar, mit der sym­bo­lisch dar­um gekämpft wird, was als legi­ti­me Kul­tur Aner­ken­nung fin­det und was als popu­lä­re Kul­tur undis­tin­gu­iert ist und damit an Bedeu­tung ver­liert. Im Feld der Wis­sen­schaft hin­ge­gen wird mit der Kapi­tal­art ‚For­schung’ dar­um gekämpft, wes­sen Theo­rie, For­schung oder Erfin­dung am inno­va­tivs­ten oder am exklu­sivs­ten ist und damit die Vor­rang­stel­lung über­nimmt, um sich inner­halb des Fel­des gut zu posi­tio­nie­ren, wäh­rend im Feld der Öko­no­mie das öko­no­mi­sche Kapi­tal dar­über ent­schei­det, wer inner­halb des Fel­des Macht­po­si­tio­nen ein­neh­men kann, wohin­ge­gen im Feld der Reli­gi­on wie­der­um eine ganz ande­re Kapi­tal­art von zen­tra­ler Bedeu­tung ist, usw.

Inner­halb jedes die­ser Fel­der im sozia­len Raum fin­den somit sym­bo­li­sche Kämp­fe um die Posi­tio­nie­rung und die sozia­le Exis­tenz mit dem Ziel der Vor­macht­stel­lung im jewei­li­gen Feld statt, die den Kämp­fen auf gesamt­ge­sell­schaft­li­cher Ebe­ne ähneln und mit­un­ter auch fälsch­li­cher­wei­se als sol­che wahr­ge­nom­men wer­den, aber feld­spe­zi­fi­sche sym­bo­li­sche Kämp­fe beschrei­ben. Die Fel­der ihrer­seits befin­den sich an Posi­tio­nen des sozia­len Rau­mes und stel­len dadurch folg­lich auch die Posi­tio­nen der im Feld befind­li­chen Akteu­re dar.

Wich­tig für das Kon­zept der sozia­len Fel­der ist die Dyna­mik eben die­ser. Sozia­le Fel­der sind kei­ne star­ren Gebil­de, in die ein Akteur wie in ein Getrie­be ein­ge­bun­den wird, son­dern stel­len hoch­dy­na­mi­sche sozia­le Ver­bin­dun­gen dar, die sich ver­än­dern, wenn sich die ‚Beset­zung’ ändert, also ein Akteur hin­zu­kommt oder das Feld ver­lässt. Bour­dieu ver­wen­det hier wie schon beim Habi­tus, der von zen­tra­ler Bedeu­tung für das Kon­zept der sozia­len Fel­der und des sozia­len Rau­mes ist, die Meta­pher des Spiels: Jedes sozia­le Feld ist wie ein Spiel, das mit einer eige­nen, feld­spe­zi­fi­schen Dyna­mik und eige­nen Logik aus­ge­stat­tet ist, und sobald ein neu­er Spie­ler in das Spiel auf­ge­nom­men wird, ver­än­dert sich die­ses Spiel und wird von den Akteu­ren nun auf eine abge­wan­del­te Art gespielt. Erneut fällt auf, dass ent­ge­gen den sys­tem­theo­re­ti­schen Vor­stel­lun­gen die Akteu­re nicht in ihre Rol­len oder Posi­tio­nen gedrängt wer­den, son­dern dass das Sub­jekt als sol­ches selbst das Spiel, also den sym­bo­li­schen Kampf, inner­halb der Fel­der bestimmt. Der Habi­tus als struk­tu­rier­te und struk­tu­rie­ren­de Struk­tur wird unter den gege­be­nen ‚Spiel­re­geln’ des Fel­des, die hier kei­nes­wegs als star­re Regeln miss­ver­stan­den wer­den soll­ten, und durch die Geschich­te des Fel­des beein­flusst bezie­hungs­wei­se geprägt, aber gleich­zei­tig bestimmt der Akteur, der eine Posi­ti­on inner­halb eines Fel­des ein­nimmt, wel­che wie­der­um rela­tiv zu den Posi­tio­nen der ande­ren Akteu­re im Feld ist, des­sen ‚Spiel­re­geln’. Die sozia­len Posi­tio­nen sowie die sym­bo­li­schen Kämp­fe inner­halb der sozia­len Fel­der sind folg­lich sozia­le Kon­struk­te ihrer Akteu­re, die die jewei­li­gen Fel­der mit ihren cha­rak­te­ris­ti­schen ‚Spiel­re­geln’ und sym­bo­li­schen Kämp­fen reproduzieren.

Das Aner­ken­nen der ‚Spiel­re­geln’ eines Fel­des ist somit eine der Bedin­gung oder der ‚Ein­tritts­preis’, um eine Posi­ti­on in die­sem ein­neh­men zu kön­nen; eine wei­te­re Bedin­gung ist ein spe­zi­fi­scher Habi­tus, aus dem und auf den ein Feld besteht, und ohne den der Zugang zu einem Feld meist sehr schwer fällt oder gar ver­wehrt wird. Wei­ter­hin muss der Akteur selbst­ver­ständ­lich über das cha­rak­te­ris­ti­sche Kapi­tal ver­fü­gen, das inner­halb des Fel­des als spe­zi­fi­sches Kapi­tal von Bedeu­tung ist, da er ansons­ten in eben die­sem Feld sozi­al nicht exis­tent ist.

Die sozia­len Fel­der sind infol­ge­des­sen sozu­sa­gen die ‚Orte des Lebens’, wo tat­säch­lich agiert wird und der Habi­tus der Akteu­re nicht bloß zur Gel­tung kommt, son­dern von immenser Wich­tig­keit für die Zuge­hö­rig­keit zu und die Posi­tio­nie­rung in Fel­dern ist, wohin­ge­gen der sozia­le Raum eher ein abs­trak­tes Gebil­de dar­stellt und sämt­li­che sozia­len Fel­der umfasst.

Bour­dieu lie­fert zur Ana­ly­se von sozia­len Fel­dern, deren Gren­zen nur empi­risch bestimmt wer­den kön­nen, drei Unter­su­chungs­kri­te­ri­en: Zum ers­ten die Posi­ti­on des Fel­des im Ver­hält­nis zur Macht, also wo sich das Feld inner­halb des sozia­len Rau­mes befin­det, zwei­tens die Posi­tio­nen der Akteu­re inner­halb des Fel­des sowie des­sen Insti­tu­tio­nen, und drit­tens die Habi­tus der Akteure.

Wenn sozia­le Fel­der Räu­me im Raum sind, las­sen sich auch für sozia­le Fel­der gut die Zusam­men­hän­ge mit dem phy­si­schen Raum dar­stel­len oder ver­deut­li­chen. Das Muse­um bei­spiels­wei­se als Ort des phy­sisch objek­ti­vier­ten sozia­len Fel­des der Kunst setzt beim Besu­cher einen bestimm­ten Habi­tus und einen dadurch gebil­de­ten Geschmack als auch ein bestimm­tes Ver­hal­ten und einen bestimm­ten Lebens­stil vor­aus. Der Besu­cher oder Akteur muss also, wenn er in die­sen Raum ‚ein­dringt’, die „still­schwei­gend vor­aus­ge­setz­ten Bedin­gun­gen erfül­len“ (Bour­dieu, 1997, S. 165). Uner­wünsch­te Per­so­nen sind nicht ger­ne gese­hen, was ihnen beim Auf­ent­halt auch aktiv (Kon­trol­len oder Aus­schluss) oder pas­siv (sym­bo­lisch) ent­geg­net wird oder wes­we­gen sie von Anfang an gar kei­nen Zugang bekom­men oder sich den Zugang selbst ver­weh­ren, weil sie nicht über das nöti­ge öko­no­mi­sche, kul­tu­rel­le und/oder sozia­le Kapi­tal ver­fü­gen. Wie im sozia­len Raum kön­nen sich auch im phy­si­schen Raum ver­schie­de­ne Fel­der über­la­gern, wenn sich zum Bei­spiel in Stra­ßen, Vier­teln, Orten etc. die posi­ti­ven oder nega­ti­ven Pole ver­schie­dens­ter Fel­der kon­zen­trie­ren und exklu­si­ve Orte hohen Kapi­tal­vo­lu­mens wie Nobel­ein­kaufs­mei­len oder Clubs sowie Orte nied­ri­gen Kapi­tal­vo­lu­mens wie Ghet­tos entstehen.

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  4. Bour­dieu, Pierre. 2001b. „Habi­tus und Ein­ver­lei­bung“. In: Medi­ta­tio­nen. Zur Kri­tik der scho­las­ti­schen Ver­nunft. Frankfurt/M.: Suhr­kamp, S. 177-188
  5. Krais, Bea­te. 2004. „Habi­tus und sozia­le Pra­xis“. In: Stein­rü­cke, Mar­ga­re­ta (Hrsg.) (2004): Pierre Bour­dieu. Poli­ti­sches For­schen, Den­ken und Ein­grei­fen. Ham­burg: VSA-Ver­lag, S. 91-106

In den Gesell­schaf­ten, die kei­nen »self-regu­la­ting mar­ket« (Karl Pol­anyi), kein Unter­richts­sys­tem und kei­nen juris­ti­schen oder staat­li­chen Appa­rat auf­wei­sen, kön­nen sich die Herr­schafts­be­zie­hun­gen, da sie nicht den objek­ti­ven Struk­tu­ren selbst ein­ge­schrie­ben sind, nur kraft stän­dig erneu­er­ter und fort­wäh­rend ange­wand­ter Stra­te­gien auf Dau­er durch­set­zen. Solan­ge sol­che rela­tiv auto­no­men objek­ti­ven Bezie­hungs­fel­der der Kon­kur­renz um das Mono­pol einer bestimm­ten Kapi­tal­form sich noch nicht kon­sti­tu­iert haben, feh­len die Bedin­gun­gen für die mit­tel­ba­re und dau­er­haf­te Aneig­nung der Arbeit, der Diens­te und Ehren­be­zeu­gun­gen ande­rer Indi­vi­du­en. (…) Sehr sche­ma­tisch vor­ge­hend könn­te man sagen, daß in dem einen Fall sich die Herr­schafts­be­zie­hun­gen inner­halb und durch die Inter­ak­ti­on der Hand­lungs­sub­jek­te bil­den, auf­lö­sen und wie­der­her­stel­len, wohin­ge­gen sie in dem ande­ren Fall durch objek­ti­ve und insti­tu­tio­na­li­sier­te Mecha­nis­men ver­mit­telt wer­den, die, nach Art jener, die den Wert der schu­li­schen, mone­tä­ren und Stan­des­ti­tel her­vor­brin­gen und absi­chern, den undurch­dring­li­chen und bestän­di­gen Cha­rak­ter von Din­gen auf­wei­sen und die sich glei­cher­ma­ßen den Zugrif­fen des indi­vi­du­el­len Bewußt­seins wie der indi­vi­du­el­len Macht ent­zie­hen. (…) Unter sol­chen Bedin­gun­gen bil­den und voll­zie­hen sich die Macht- und Abhän­gig­keits­ver­hält­nis­se nicht mehr unmit­tel­bar zwi­schen Ein­zel­per­so­nen, son­dern, im Raum der Objek­ti­vi­tät selbst, zwi­schen Insti­tu­tio­nen, d.h. zwi­schen sozi­al garan­tier­ten Titeln und sozi­al defi­nier­ten Stel­lun­gen, sowie, ver­mit­tels die­ser, zwi­schen sozia­len Mecha­nis­men, die den gesell­schaft­li­chen Wert der Titel und Stel­lun­gen erzeu­gen und absi­chern, und der Ver­tei­lung die­ser sozia­len Attri­bu­te auf die bio­lo­gi­schen Ein­zel­we­sen. (…) Wie zu sehen ist, kommt die Legi­ti­ma­ti­on der herr­schen­den Ord­nung nicht allein den Mecha­nis­men zu, die, wie das Recht, tra­di­tio­nel­ler­wei­se dem ideo­lo­gi­schen Sys­tem zuge­rech­net wer­den. Auch sol­che Appa­ra­tu­ren wie das Pro­duk­ti­ons­sys­tem oder das Sys­tem der Pro­duk­ti­on von Pro­du­zen­ten [also das Bil­dungs­sys­tem] erfül­len dar­über hin­aus, d.h. gera­de kraft der Logik ihres Funk­ti­ons­ab­laufs, ideo­lo­gi­sche Funk­tio­nen. (…) Je mehr die Repro­duk­ti­on der Herr­schafts­ver­hält­nis­se objek­ti­ven Mecha­nis­men über­las­sen wird, die den Herr­schen­den die­nen, ohne daß die­se sich ihrer zu bedie­nen brau­chen, des­to indi­rek­ter und, wenn man so sagen darf, unper­sön­li­cher wer­den die auf die Repro­duk­ti­on aus­ge­rich­te­ten Stra­te­gien: Indem der Inha­ber öko­no­mi­schen oder kul­tu­rel­len Kapi­tals für sein Geld die güns­tigs­te Anla­ge und für sei­nen Sohn die vor­teil­haf­tes­te, die bes­te, Aus­bil­dungs­stät­te wählt – und nicht, indem er gegen­über sei­ner Auf­war­te­frau (oder einem ande­ren, inner­halb der Sozi­al­struk­tur eine unter­ge­ord­ne­te Stel­lung ein­neh­men­den Indi­vi­du­um) höf­lich oder freund­lich ist und groß­zü­gi­ge Geschen­ke macht –, sichert er den Fort­be­stand der Herr­schafts­be­zie­hung, die ihn objek­tiv mit sei­ner Auf­war­te­frau und selbst noch deren Nach­kom­men verbindet.
(Pierre Bour­dieu – Sym­bo­li­sches Kapi­tal und Herr­schafts­for­men, in: Ent­wurf einer Theo­rie der Pra­xis auf der Grund­la­ge der kaby­li­schen Gesellschaft)