Here was a man who, if he wanted, could spend every waking moment in self-pity, feeling his body for decay, counting his breaths. So many people with far smaller problems are so self-absorbed, their eyes glaze over if you speak for more than thirty seconds. They already have something else in mind – a friend to call, a fax to send, a lover they’re daydreaming about. They only snap back to full attention when you finish talking, at which point they say „Uh-huh“ or „Yeah, really“ and fake their way back to the moment. (…) We are great at small talk: „What do you do?“ „Where do you live?“ But really listening to someone – without trying to sell them something, pick them up, recruit them, or get some kind of status in return – how often do we get this anymore? I believe many visitors in the last few months of Morrie’s life were drawn not because of the attention they wanted to pay to him but because of the attention he paid to them. Despite his personal pain and decay, this little old man listened the way they always wanted someone to listen.
(Mitch Albom – Tuesdays with Morrie)
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Selten unternehme ich etwas mit mehr als drei Menschen auf einmal. Vielleicht mag das unsozial erscheinen, doch für mich ist es genau das Gegenteil. Ich meide Massenveranstaltungen und bleibe Treffen fern, wenn absehbar ist, dass am Ende mehr Menschen anwesend sein werden als ich für angenehm befinde. Das liegt vor allem daran, dass jedes Treffen von mehr als vier Personen für mich schon eine Gruppe darstellt und ich Gruppen nicht besonders leiden kann – besonders dann nicht, wenn darunter Menschen sind, die ich mag.
Je mehr von ihnen ich mag oder je mehr ich einzelne darunter mag, desto weniger möchte ich sie zeitgleich mit anderen in eine Gruppe stecken. Es ist nicht unbedingt so, dass ich mich in einer Gruppe unwohl fühle, denn oft verspricht eine Gruppe und ihre spezielle Dynamik großen Spaß, doch ist es der Mangel an Nähe und Exklusivität, der mich Gruppen in der Regel eher meiden lässt. Es geht mir hierbei nicht um Nähe und Exklusivität, die ich von anderen erwarten, einfordern oder gar verlangen würde, sondern um Nähe und Exklusivität, die ich selbst gerne denjenigen Menschen zukommen lassen möchte, die ich mag. Ich möchte meine Aufmerksamkeit gegenüber diesen Menschen nicht hin und her springen lassen müssen, will mein Interesse nicht spalten und meine Gedanken nicht hetzen, sondern will mich auf ein Gegenüber konzentrieren und für diese eine Person in diesem Augenblick voll und ganz da sein, einzig und allein, absolut und ungeteilt.
Einmal saß ich mit fünfzehn weiteren Personen zum Abendessen an einem langen Tisch und feierte den Geburtstag einer Freundin – nur eine von vielen Situationen, die aber exemplarisch ist für das, was ich zum Ausdruck bringen möchte. Links von mir konnte ich Gespräche verfolgen, rechts von mir konnte ich Gespräche verfolgen, und ich selbst unterhielt mich mit meinen Nachbarn über dieses und über jenes.
Es war, wie es immer ist, wenn eine größere Anzahl von Menschen aufeinandertrifft: Man steigt aus Gesprächen aus und in andere ein, man wechselt den Gesprächspartner, wenn es langweilig zu werden droht, man teilt die Aufmerksamkeit. Man rast hin und her, zumindest in Gedanken, man verliert Fokus und Konzentration, man fragmentiert die Anteilnahme. Alle Unterhaltungen sind gleich, indem sie unpersönlich bleiben: Man begnügt sich mit Smalltalk.
Je mehr Menschen sich zusammenfinden, umso größer die Wahrscheinlichkeit ungleicher Freundschaftsbeziehungen. Wenn wie in diesem Beispiel sechszehn Personen an einem Tisch sitzen, ist es recht unwahrscheinlich, dass alle diese Personen das gleiche Freundschafts- und Vertrauensverhältnis teilen oder allesamt untereinander beste Freunde sind. Vielleicht sind einige sich völlig fremd und noch nicht einmal sympathisch. In derlei Konstellationen unterhält man sich notgedrungen nicht über allzu Persönliches, weil Ohren anwesend sind, die es vermutlich nichts angeht. Was man dem besten Freund oder der Freundin erzählt, das teilt man hier nicht allen mit. Der Ausweg ist das oberflächliche Gespräch oder das seichte Amüsement. Beides gibt mir nichts, mit beidem kann ich nichts anfangen, beides ist für mich sozial ungenügend.
Das seichte Amüsement in der Gruppe, der oberflächliche Spaß, das unbeschwerte Lachen für Zwischendurch, wenn tiefe Gespräche nicht zur Debatte stehen und große Nähe nicht in Frage kommt, ist in jenen Momenten, in denen es stattfindet, für mich so schön wie für jeden anderen Beteiligten auch, doch nehme ich daraus nichts mit. Ich habe mit Leuten eine schöne Zeit, ja, mit Freunden gar, doch wenn ich dann nach Hause komme, bleibt in mir ein unbefriedigendes Gefühl zurück, der Wunsch nach mehr – nicht an Quantität, sondern an Qualität.
Es kommt mir wie Verschwendung vor, wenn da jemand ist, mit dem ich gerne in die Tiefe abtauchen würde, aber es nicht kann, weil wir in einer Gruppe gefangen sind, die auf der Oberfläche des größten gemeinsamen Teilers treibt. Es erscheint mir wie Vergeudung von Freundschaft, bloß Spaß mit ihnen zu haben. Entscheidend ist das »bloß«. Nicht: Spaß mit ihnen zu haben, sondern: bloß Spaß mit ihnen zu haben. Die Reduktion auf eine Dimension, wo doch so viele sind, wo doch so viele sein sollten. Auf die Spitze getrieben: Für Spaß allein, da reichen schon Bekannte, ja sicherlich schon Unbekannte, denn es steckt Unverbindlichkeit und Austauschbarkeit darin. Die oberflächliche „gute Zeit“, der spaßige Abend, die kurzweilige Unterhaltung verhält sich zur wirklichen guten Zeit wie die Prostituierte zur großen Liebe, da diese „gute Zeit“ so einfach, so beliebig, so aufwandslos zu haben ist, während die echte gute Zeit, die nicht in Anführungszeichen steht, für mich ganz andere Qualitäten hat, die Nähe, Offenheit und Exklusivität vereint.
Auf der anderen Seite bleibt als Möglichkeit nur das oberflächliche Gespräch, das sich am Level des Freundschaftsverhältnisses orientiert, den die gesamte Gruppe gemein hat und der folglich meist recht klein ist. Es mündet letztlich in Smalltalk. Was jemand macht, was er am Tag gegessen hat, welche Möbel er erwarb, wie viel Geld er verdient oder welches Auto er fährt, das alles interessiert mich nicht. Ich stelle diese Fragen nicht, weil mich die Antworten nicht kümmern. Gespräche dieser Art belästigen mich nicht, doch halte ich mich dann zurück und gebe den Beobachter, nehme alles in mich auf und ziehe meine Schlüsse, möchte aber nicht mitreden.
Was mich wirklich interessiert, das ist die Person, wer jemand ist, und wie es demjenigen gerade geht. Überhaupt: Die Frage, wie es jemandem geht – wer beantwortet sie denn schon ehrlich? Die meisten erzählen daraufhin, wie sie mit ihrer Arbeit zurechtkommen, was das Finanzamt von ihnen verlangt oder dass sie sich schon wieder einen neuen Fernseher gekauft haben. Antworten auf Fragen, die gar nicht gestellt wurden, während die gestellten völlig unbeantwortet bleiben. Auf diese Fragen bekommt man selten eine wahre Antwort, noch seltener so unter Vielen, und wenn, dann nur unter vier Augen.
Das ist die Art von Gespräch, die ich führen möchte, denn nichts ist so befriedigend, erkenntnisreich, offen, einfühlsam und verbindend wie diese. Jedes Mal ist es für mich daher sehr enttäuschend, wenn jemand, mit dem ich mich verabredet habe, plötzlich ungefragt noch irgendwelche Dritte hinzuholt. Nicht bloß ist es unhöflich, es war auch nicht abgemacht, und hätte ich es im Voraus gewusst, ich hätte vermutlich abgesagt, nicht weil ich die Freunde meiner Freunde nicht mag, sondern weil es die Grundlagen des Treffens maßgeblich verändert, denn es gewinnt dadurch an Beliebigkeit und verliert an potentieller Tiefe, büßt Nähe ein zugunsten einer größeren Teilnehmerzahl und zerstört die Zweisamkeit, die vor allem, aber eben nicht allein nur fürs Romantische so wichtig ist.
Wenn ich mich mit jemandem treffen oder generell unterhalten möchte, dann tue ich das in der Regel, um den Menschen, die ich mag, im doppelten Wortsinn nah zu sein. Das geht nicht, wenn man unter Vielen ist.
Im Bewusstsein der Zeitlichkeit setzt sich der Knacks durch. Auch wo er nicht identifiziert wird, bricht er sich Bahn in den zuwiderlaufenden Kräften, etwa im Versuch, seiner Arbeit mit einer Beschleunigung des Lebensgefühls zu begegnen. Mach schnell, und du wirst ihn mit bloßem Auge, mit bloßem inneren Auge, nicht mehr wahrnehmen. Die Geschwindigkeit wird den Knacks dahinraffen.
Hat die Sprache diese Beschleunigung mit vollzogen? Und ob: In den Siebzigern beantwortete man die Frage »How are you« mit »good«, in den Achtzigern antwortete man auf die gleiche Frage mit »busy«.
Was war geschehen? Die Beschleunigung verriet sich in Komparativen. Der Schnellzug verschwand, er war nicht schnell genug; der Eilbrief verschwand, denn schon das Eilen selbst klingt gemächlich: Altmodische Vokabeln, sie erinnern an die langsame Art, schnell zu sein.
Stattdessen wurden die Indizien der Beschleunigung moralisch: was schnell war, war gut. Es war gut, »auf der Überholspur« zu leben, es war »in«, Fast Food zu mögen, aber Fast Food ist eigentlich Fast Eat, und es erreichte rasch das eigene Heim. Mit der 5-Minuten-Terrine erreicht die Küche ohne Koch und ohne Ritual die Haushalte. Alles beschleunigt: Schnellrasur, Schnellimbiss, Schnelllifting, Schnelltankstelle, Schnellrestaurant, Schnellreinigung wie juristische Schnellverfahren. Es geht schneller: Die einzige Musiksendung auf der Höhe der Zeit hieß »Fast Forward«, die Droge der urbanen Jugend »Speed«. Dies alles arbeitet an der Fiktion des gewonnenen Lebens, es sagt, wenn du schneller bist, schneller reist, Zeit sparst, wirst du am Ende mehr davon haben.
(…)
Wir haben keine Zeit. Wir haben alle keine Zeit. Wir haben sie schon deshalb nicht, damit wir uns nicht zu gut fühlen. Bruch, Knacks, Ermüdung, Scheitern, Kollaps: Unsere ruinösen Ich-Reste sollen nicht erscheinen, nicht aufbrechen, nicht mitsprechen.
(Roger Willemsen – Der Knacks)
Ein Liebespaar geht über die Straße. Sie verliert einen Knopf. Ein Dritter hebt ihn auf, trägt ihn ihr nach. Das Elend hat ihn wie eine Flechte überzogen, sein Anzug, seine Haut sogar, alles ist Elend.
»O danke«, sagt die Frau und greift nach dem Knopf, den er aber festhält. »Das haben wir gar nicht gemerkt.«
»Natürlich nicht«, bellt der Dritte. »Immer ist es unsere Aufgabe, uns um die Glücklichen zu kümmern. Wir sollen die Augen offen halten. Wir sollen sorgen, dass nichts fehlt. Glauben Sie vielleicht, die Glücklichen haben ein Auge auf uns? Träumen Sie weiter! Ich bin nicht glücklich, sehen Sie, ich lebe allein, mit mir in Frieden, aber glücklich? Kümmert sich jemand um mich? Wird jemand an meinem Grab singen …«
So geht es immer weiter. Er redet mit dem Knopf in der Hand, den er nicht hergibt. Sein Monolog schlägt sich ins Gebüsch.
»Unerwiderte Liebe?«, fragt die Frau.
Er nickt.
»Deine Zeit wird kommen«, sagt sie.
Das ist ihm neu und gibt ihm zu denken. Drei Tage später nimmt er sein Glück in beide Hände und bucht einen Flug nach Madeira, wo ihn eine Woche Hotel ein stattliches Sümmchen kosten soll. Egal, findet er, fühlt sich snobistisch. Allerdings stürzte die Maschine ins Meer, und er soll Madeira nie kennenlernen. Das Hotel berechnet den Hinterbliebenen drei Tage Storno-Gebühr, und die Liebenden werden nicht einmal erfahren, dass ihn der Fund eines Knopfes das Leben kosten sollte. So groß ist ihr Glück.
(Roger Willemsen – Der Knacks)
I read the first chapter of A Brief History of Time when Dad was still alive, and I got incredibly heavy boots about how relatively insignificant life is, and how, compared to the universe and compared to time, it didn’t even matter if I existed at all. When Dad was tucking me in that night and we were talking about the book, I asked if he could think of a solution to that problem. „Which problem?“ „The problem of how relatively insignificant we are.“ He said, „Well, what would happen if a plane dropped you in the middle of the Sahara Desert and you picked up a single grain of sand with tweezers and moved it one millimeter?“ I said, „I’d probably die of dehydration.“ He said, „I just mean right then, when you moved that single grain of sand. What would that mean?“ I said, „I dunno, what?“ He said, „Think about it.“ I thought about it. „I guess I would have moved a grain of sand.“ „Which would mean?“ „Which would mean I moved a grain of sand?“ „Which would mean you changed the Sahara.“ „So?“ „So? So the Sahara is a vast desert. And it has existed for millions of years. And you changed it!“ „That’s true!“ I said, sitting up. „I changed the Sahara!“ „Which means?“ he said. „What? Tell me.“ „Well, I’m not talking about painting the Mona Lisa or curing cancer. I’m just talking about moving that one grain of sand one millimeter.“ „Yeah?“ „If you hadn’t done it, human history would have been one way…“ „Uh-huh?“ „But you did do it, so…?“ I stood in the bed, pointed my fingers at the fake stars, and screamed: „I changed the course of human history!“ „That’s right.“ „I changed the universe!“ „You did.“ „I’m God!“ „You’re an atheist.“ „I don’t exist!“ I fell back onto the bed, into his arms, and we cracked up together.
(Jonathan Safran Foer – Extremely Loud & Incredibly Close)
Wo immer nämlich diese Gesellschaft nicht funktioniert, wo immer sie versagt, wird ihr Versagen an den Ärmsten offenbar.
Jede Veränderung im sozialen Raum, jede Verschärfung des Wettbewerbs, jede Zunahme an Gewalt im öffentlichen Leben, jede Kontaminierung billigen Essens hinterlässt in der Lebenserfahrung von Armen ihre Spuren. Auch wie Gesellschaft sich verändert, in ihren Klassen- und Geschlechtsverhältnissen ebenso wie in ihrer Mitmenschlichkeit, das erfahren die Armen zuerst. Sie werden deshalb eben nicht nur materiell und gesundheitlich, sie werden auch psychologisch und moralisch am empfindlichsten von den Einbußen der Gesellschaft getroffen.
In der Armut wird das Selbstbild der Gesellschaft gekränkt und bestätigt: gekränkt, weil sie ihre idealen Bilder ohne Rückstände produzieren möchte, bestätigt, weil sie diese Armut ja selbst herstellt, die Produktion von Armut also genau so forciert wie ihr Pendant, den Wohlstand.
In dieser Kultur, und das heißt auch in den Beziehungen der Menschen untereinander, hat sich der Wert der Verkäuflichkeit und Käuflichkeit derart verselbständigt, dass Menschen schon degradiert werden, weil sie nicht am Warenverkehr teilnehmen können oder wollen. Jede Gesinnung, jedes Phänomen, jede Erscheinung, jede menschliche Hervorbringung, jede Leistung wird auf optimale Verkäuflichkeit untersucht und abgerichtet. Unvorstellbar, welche Kultur sich entwickeln könnte, wenn nicht jede Lebensregung an ihrer Markttauglichkeit gemessen, wenn Zugang zur Öffentlichkeit nicht nur Dingen verschafft würde, die sich verkaufen lassen, wenn, mit einem Wort, jeder täte, was er gesellschaftlich für wichtig, und nicht, was er für profitabel hielte. Eine Utopie mehr.
(Roger Willemsen – Der Knacks)
Und niemand versteht besser anzutreiben, niemand versteht höhnischer zu sagen: »Schlapper Hund! Solltest mich mal sehen!« als der Mit-Tote, als der Mit-Prolet, als der Mit-Hungernde, als der Mit-Gepeitschte. Selbst die Galeerensklaven haben ihren Stolz und ihr Ehrgefühl, sie haben den Stolz, gute Galeerensklaven zu sein und ›nun einmal zu zeigen‹, was sie können. Wenn das Auge des Kommandorufers, der mit der Peitsche die Reihen entlanggeht, wohlgefällig auf ihm ruht, so ist er beglückt, als hätte ihm ein Kaiser persönlich einen Orden an die Brust geheftet.
(B. Traven – Das Totenschiff)
Unsere Meinung, dass wir das andere kennen, ist das Ende der Liebe, jedesmal, aber Ursache und Wirkung liegen vielleicht anders, als wir anzunehmen versucht sind – nicht weil wir das andere kennen, geht unsere Liebe zu Ende, sondern umgekehrt: weil unsere Liebe zu Ende geht, weil ihre Kraft sich erschöpft hat, darum ist der Mensch fertig für uns. Er muß es sein. Wir können nicht mehr! Wir kündigen ihm die Bereitschaft, auf weitere Verwandlungen einzugehen. Wir verweigern ihm den Anspruch alles Lebendigen, das unfaßbar bleibt, und zugleich sind wir verwundert und enttäuscht, dass unser Verhältnis nicht mehr lebendig sei. „Du bist nicht“, sagt der Enttäuschte oder die Enttäuschte, „wofür ich dich gehalten habe“. Und wofür hat man sich denn gehalten? Für ein Geheimnis, das der Mensch ja immerhin ist, ein erregendes Rätsel, das auszuhalten wir müde geworden sind. Man macht sich ein Bildnis. Das ist das Lieblose, der Verrat.
(Max Frisch – Tagebuch 1946-1949)
Wünschst du dir nicht auch manchmal, du fändest eine Insel? Wenn du dich schlafen legst und das nicht kannst, wenn du durch Straßen einer Großstadt gehst, wenn du in fremde Augen blickst, dann tust du es vielleicht. Ein Ort, der nirgendwo verzeichnet ist, ein Platz fernab vom traurigen Gewühl, ein Unterschlupf, der dich mit Kraft versorgt, mit Glück und Mut und Euphorie, ja ein Idyll, das nur für dich dein Eden ist. Suchst du das auch?
In all dem Chaos dieser Welt, da fand ich eine Insel. Wenngleich sie keinen Goldschatz birgt, so übertrifft sie doch an Reichtum alles andere auf dieser Welt. Ein Eiland fand ich und erkor es mir zum Paradies. Nichts hat je so großen Wert gehabt wie dieses kleine Stückchen Land; weder Königreiche, Staaten noch die größten Dynastien besaßen jemals so viel Einfluss wie dieser unscheinbare Fleck. Als eine Art Schiffbrüchiger bin ich durch puren Zufall hier gestrandet, doch für nichts auf dieser Erde ginge ich hier jemals wieder fort.
Es wird nach mir gesucht werden, denn man wird mich retten wollen, fürchte ich, doch meine Rettung habe ich bereits gefunden, sie liegt hier und nirgends sonst. Man wird mich für verloren erklären und nie erfahren, wie falsch man doch in Wahrheit liegt, denn alles, was es sich zu finden lohnte, finde ich alleine hier. Kraft einer glücklichen Strömung setzte ich einen Fuß auf diesen Strand. Was ich hier fand, das ist ein Eiland weit, allein im Meer, das ich zu meiner Heimat nahm, weil eine bessere die Welt mir niemals bieten kann. Was ich hier fand, bedeutet für mich alles, wofür es sich zu leben lohnt.
Ist es Isolation, mich nun an diesen Ort zurückzuziehen? Vielleicht verschließe ich die Augen vor dem Rest der Welt, doch hier erst wuchsen mir die Augen, dank derer mir die Welt beachtenswert erscheint. Hier erst nehme ich die Farben wahr, in denen schillernd alles strahlt, während sich doch meine Umwelt vormals oft genug in Grau ertrank. Es ist keine Flucht, kein Eskapismus, wie manch Zyniker vielleicht behaupten mag, wenn ich mich auf dieser Insel nun häuslich einrichte. Sie gibt mir jene Kraft, der Welt mit offenen Augen entgegentreten zu können, sie auszuhalten, so wie sie ist. Sie kann einen nicht länger erschüttern, nicht mehr bedrängen, sie kann einen nie wieder aus der Bahn werfen, jene Welt, wenn man dieses Eiland erst einmal für sich gefunden hat, das allen Gewalten so standhaft trotzt.
Keine Legenden und keine Erzählungen vermögen die Einzigartigkeit dieses wunderbaren Ortes angemessen zu beschreiben, er ist undenk- und nicht mal vorstellbar, solange man nicht selbst sein Leben hier verbringt. All jene Belanglosigkeiten, nach denen ein Mensch im Laufe seines Lebens strebt, verlieren vollends an Bedeutung, wenn man die Wunder dieser Insel kennt, all ihre Schönheit, wenn man Fuß auf sie gesetzt, sie bloß einmal betreten hat. Es gibt hier alles, was ein Mensch zum Überleben braucht, zum Leben gar, nicht bloß zum Existieren.
Was ich hier fand, ist eine Insel jenseits aller Schifffahrtsrouten. Ein Stück der Welt, das keine Karte offenbart, weil sich das Land hier nicht vermessen lässt. Ein Platz, der keine Grenzen kennt, der keine Mauern hat und keine Gräben zieht, der blinde Ortskenntnis verlangt und an zwei Tagen nie der gleiche ist. Ein Land so weit von aller Zivilisation. Keine Armeen, keine Legionen, keine Heerscharen dieser Welt, wie groß und mächtig sie auch sein mögen, werden im Stande sein, auf dieser Insel jemals einzufallen und damit alles zu zerstören. Sie haben es versucht und sie sind jedes Mal gescheitert. Während die größten Reiche untergehen, hat dieses Eiland hier bestand. Auf dieser Insel lebt, was allseits sonst bereits im Sterben liegt. Hier wächst, was auf dem Rest der Welt verdorrt.
Entgegen einer kalten Welt, die mehr und mehr in Argwohn zu versinken droht, ist dieses Eiland hier ein Ort der Wärme und des völligen Vertrauens. Immer und immer wieder gelingt es den Eigenarten dieser Insel, mir ein herzliches Lächeln ins Gesicht zu zeichnen, und noch in den dunkelsten Stunden der Trauer finde ich hier etwas, das mich die ganze Welt umarmen, das sie liebenswert erscheinen lässt. Alles, was es wert ist, gewusst zu werden, habe ich hier gelernt und lerne ich hier noch heute. Es gibt Dinge, die so wundervoll beschaffen sind, dass man gar nicht mehr bemerkt, wie man laufend älter wird und eines Tages sterben muss, die sogar so unerhört bezaubernd sind, dass man entgegen aller landläufigen Furcht das Älterwerden und sogar das Sterben als etwas Gutes betrachtet, als Vollendung seines Lebens, weil man rundum glücklich ist.
Nichts auf dieser Welt ist es wert, hier jemals wieder fortzugehen, weil keiner, der sie je betrat, vergessen kann, was diese Insel einem offeriert. Was ich bisher mein Leben genannt habe, dieses Dasein, diese bloße Existenz, wurde erst zu einem Leben, als ich diesen Ort hier fand. Mein Eiland, das bist du.
Man braucht nur eine Insel
allein im weiten Meer.
Man braucht nur einen Menschen,
den aber braucht man sehr.
(Mascha Kaléko)
Mr. Black said, „I once went to report on a village in Russia, a community of artists who were forced to flee the cities! I’d heard that paintings hung everywhere! I heard you couldn’t see the walls through all of the paintings! They’d painted the ceilings, the plates, the windows, the lampshades! Was it an act of rebellion! An act of expression! Were the paintings good, or was that beside the point! I needed to see it for myself, and I needed to tell the world about it! I used to live for reporting like that! Stalin found out about the community and sent his thugs in, just a few days before I got there, to break all of their arms! That was worse than killing them! It was a horrible sight, Oskar: their arms in crude splints, straight in front of them like zombies! They couldn’t feed themselves, because they couldn’t get their hands to their mouths! So you know what they did!“ „They starved?“ „They fed each other! That’s the difference between heaven and hell! In hell we starve! In heaven we feed each other!“ „I don’t believe in the afterlife.“ „Neither do I, but I believe in the story!“
(Jonathan Safran Foer – Extremely Loud & Incredibly Close)
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