Meine schlimmste Tat
Man kann einem Menschen nichts Schlimmeres antun, als ihm zu sagen, man habe sich in ihn verliebt. Das gilt natürlich nur, wenn die Gefühle nicht auf Gegenseitigkeit beruhen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man mit allem anderen davonkommt, bloß nicht mit dem schlimmsten aller möglichen Geständnisse, dem Geständnis der Liebe.
Ich habe Freunde beleidigt und einigen Menschen die hässlichsten Wörter an den Kopf geworfen, die man sich nur vorstellen kann, ich habe sie verletzt, vernachlässigt, verraten, enttäuscht und angeschwärzt, aber es brauchte nur ein wenig Zeit, eine Entschuldigung, ein gutes Wort, das andere für mich einlegten, oder eine Art der Wiedergutmachung, damit sie mir meine Taten schließlich doch wieder verziehen.
Alles wurde mir vergeben, keine Beleidigung war zu groß, keine Enttäuschung zu hart, um letzten Endes nicht darüber hinwegsehen zu können. Ich war ein Lügner, ein Betrüger, ein Schläger. Einmal wäre ich sogar fast zum Mörder geworden. Ich ging fremd, ich war ein lausiger Freund und ich habe Menschen um ihr Geld gebracht, doch alle meine bösen Taten, so schlimm sie auch waren, konnte ich irgendwie wieder geradebiegen. Es blieb kein ernsthafter Schaden zwischen mir und diesen Leuten zurück. Im schlimmsten Fall ging man auf separaten Pfaden seiner Wege, ohne sich aber im Bösen voneinander zu trennen, ohne den Anderen von nun an nicht länger im eigenen Leben wissen zu wollen.
Mit allem kam ich durch, nur nicht mit dem einen. Gestehe jemandem deine Liebe und er wird dich fortan meiden, er wird mit dir nicht mehr reden wollen, er wird sich weiter und weiter von dir distanzieren und deine Anwesenheit wird ihm Unwohlsein bereiten. Eine Liebeserklärung besitzt mehr destruktives Potential als alle bösartigen Verhaltensweisen, denn keine von ihnen verfügt über die geballte Zerstörungskraft einer emotionalen Zuwendung.
Was soll man davon halten, wenn das eigentlich Gute so viel Schlechtes mit sich bringt, während das Böse keine nennenswerten Folgen nach sich zieht, weil es von denjenigen, auf die es zielt, offenbar leichter zu verkraften ist. Es heißt, im Krieg und in der Liebe sei alles erlaubt. Ist eine Liebes- somit eine Kriegserklärung? Vielleicht also sollte ich einfach aufhören, andere Menschen zu lieben, und sie stattdessen bloß noch wie Dreck behandeln. Damit kommen sie zurecht. Nur nicht mit der Liebe.
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