Schlagwortarchiv für: Enttäuschung

Als ich die Wor­te zum ers­ten Mal aus sei­nem Mund ver­nahm, fand ich sie furcht­bar flach: »Wir alle brau­chen manch­mal einen Lotsen«.

Die­ser nichts­sa­gen­de Satz, die­se inhalts­lee­re Belang­lo­sig­keit war einer sei­ner Lieb­lings­sprü­che, sein Man­tra, sei­ne Lösung für alles und sei­ne Lösung für jeden. Nun, für fast jeden, muss ich ergän­zen. Er selbst, der gro­ße Kapi­tän, schien kei­nen Lot­sen nötig zu haben, auf kei­ner Rei­se sei­nes Lebens, nein, im Gegen­teil, stets bot er sich ande­ren als Bei­stand an, weil er wohl glaub­te, er sei der ein­zi­ge, der ver­stan­den habe, wo im Leben die Untie­fen lie­gen und wel­che unsi­che­ren Gewäs­ser es zu mei­den gilt.

Es war ein Satz wie einer die­ser uner­träg­lich opti­mis­ti­schen Kalen­der­sprü­che, die Unzu­frie­de­nen das Leben etwas freund­li­cher gestal­ten sol­len und in ihrer Bot­schaft so belang­los, so stu­pi­de sind, dass nie­mand je etwas Ver­nünf­ti­ges dage­gen ein­zu­wen­den ver­mag. Was hät­te jemand auch gegen die­sen Satz ein­wen­den sol­len? Er war ja rich­tig. Das war es, was mich dar­an zur Weiß­glut brach­te. Aus­ge­rech­net er muss­te es sein, der mir die­sen bedeu­tungs­lo­sen Satz mit einer Ernst­haf­tig­keit vor­pre­dig­te, so als wüss­te er genau, wor­um es im Leben gehe und wie man es sich ein­zu­rich­ten habe. Er wähn­te sich nicht nur als stol­zer Kapi­tän sei­nes eige­nen, wind­schnit­ti­gen Lebens und Lot­se der Leben aller ande­ren, son­dern gleich als Kar­to­graf für Leben über­haupt. In mei­nen Augen war er ein arro­gan­ter, chau­vi­nis­ti­scher Idiot.

Mit der Zeit fing ich an, die­sen Satz zu has­sen, und dadurch letzt­lich auch des­sen Urhe­ber. Er mach­te mich rasend, zumin­dest inner­lich, und ich muss­te mich schier beherr­schen, ihm nicht offen ins Gesicht zu fau­chen. Mit einer gelas­se­nen Regel­mä­ßig­keit wag­te er es hin und wie­der, die­se Plat­ti­tü­de in Dis­kus­sio­nen ein­zu­streu­en, die er mit mir führ­te, oder den Satz zu vari­ie­ren, ihm ein Tro­ja­ni­sches Pferd als Vehi­kel zu kon­stru­ie­ren und ihn einer Meta­pher unter­zu­schie­ben, damit die Wor­te nachts her­vor­kom­men und in mei­nem Kopf ihre Wir­kung ent­fal­ten konn­ten. Wenn er sich mit ande­ren unter­hielt oder wenn wir in einer Grup­pe unter­wegs waren und er jeman­dem die­sen Tipp, die­se Nich­tig­keit zuteil­wer­den ließ, blick­te er mit einem süf­fi­san­ten Lächeln in mei­ne Rich­tung, so als woll­te er ganz sicher­stel­len, dass ich den Satz auch zwei­fel­los ver­nom­men hätte.

War­um war es ihm so wich­tig, mir die­sen Satz immer und immer wie­der unter die Nase zu rei­ben? Es kotz­te mich ehr­lich gesagt an. Ich war doch Kapi­tän mei­nes eige­nen Lebens und ich brauch­te kei­nen Lot­sen. Schon gar nicht ihn!

Was also woll­te er mir mit die­sem dümm­li­chen Satz sagen, was pass­te ihm nicht an mir? Ich ver­stand es nicht und ich wuss­te nicht, ob ich es über­haupt ver­ste­hen wollte.

In den fol­gen­den Mona­ten hat­ten wir sel­ten mit­ein­an­der zu tun, wir tra­fen uns nur dann und wann rein zufäl­lig, so auch an Sil­ves­ter. Wir plau­der­ten ganz ober­fläch­lich über die­ses und jenes, denn auch ihm muss­te auf­ge­fal­len sein, dass unser Kon­takt sich ver­rin­gert hat­te. Bei einem Bier erzähl­te ich ihm kurz von jenen Din­gen, die mich zu die­ser Zeit beweg­ten, belas­te­ten, ganz nor­ma­ler All­tags­kram, und er sprach bloß leicht ange­trun­ken von einem Schiff, das auf Grund lau­fen wür­de, wenn ihm ein Lot­se fehl­te, denn schließ­lich bräuch­te selbst der bes­te Kapi­tän manch­mal einen Lot­sen und so wei­ter. Er spul­te sein Pro­gramm ab.

Mir war klar, dass er mich mein­te. Ich wür­de mit mei­nen Pro­ble­men auf Grund lau­fen, wenn nicht er, der gro­ße, all­wis­sen­de Lot­se mich ret­ten wür­de. Arsch­loch! Er kam sich in die­sem Moment sicher unglaub­lich lus­tig und über­le­gen vor, und es war wie­der ein­mal typisch für ihn, der glaub­te, ich hät­te nur auf sei­ne, gera­de sei­ne ret­ten­de Hil­fe gewar­tet. Sah ich so aus, als hät­te ich das nötig? Nein! Er konn­te mich mal.

Als er mir von sei­ner neu­en Woh­nung vor­zu­schwär­men begann, hör­te ich ihm schon nicht mehr rich­tig zu. Völ­lig unver­bind­lich ließ ich mir das Ver­spre­chen abrin­gen, ihn irgend­wann ein­mal besu­chen zu kom­men, und ver­schwand sofort dar­auf im anony­men Tru­bel der Sil­ves­ter­fei­ern­den. Ich sah noch, wie er mir nach­wink­te. Er schien mit die­ser Ant­wort glück­lich zu sein, aber ich hat­te nicht vor, ihn tat­säch­lich zu besuchen.

Ein Jahr ver­ging, in dem ich ihn kaum sah. Jedes Mal, wenn es doch geschah, leb­te in mir die Erin­ne­rung an jenen Satz auf. Ich ver­mied es schließ­lich voll­ends, ihm zu begeg­nen, und ging ihm aus dem Weg. Es war kei­ne bewuss­te Ent­schei­dung, die mich dazu gebracht hat­te, son­dern die­ses auf eine vage Art ver­un­si­chern­de Gefühl, das mich über­kam, wenn ich durch ihn an sei­nen Satz erin­nert wur­de. Ich ertapp­te mich dabei und fand es albern, konn­te mich aller­dings nie über­win­den, ihn ein­fach anzu­ru­fen oder ein Tref­fen mit ihm zu ver­ein­ba­ren. Mir fiel wie­der ein, dass er in der Stadt eine neue Woh­nung gefun­den hat­te und ich nun weder sei­ne neue Anschrift noch sei­ne Tele­fon­num­mer besaß. Das beru­hig­te mich, denn selbst wenn ich ihn hät­te errei­chen wol­len, so hät­te ich es nicht gekonnt. Es lag nicht in mei­ner Macht.

Er wie­der­um mach­te eben­so weni­ge Anstal­ten, sich bei mir zu mel­den, und so ver­gaß ich ihn fast, bis ich eines Tages im Super­markt auf jeman­den traf, den er mir einst als einen Freund vor­ge­stellt hat­te. Unschlüs­sig, ob ich die­sen Freund ein­fach anspre­chen soll­te, blieb ich zwi­schen den Rega­len ste­hen und dach­te nach, bis mir die Ent­schei­dung abge­nom­men wur­de und er sei­ner­seits auf mich zukam. Von der Situa­ti­on über­rum­pelt, ent­fuhr mir ein »Hal­lo!«, er aber griff bloß nach einer Packung Corn­flakes. Ich stand genau davor. Das war alles. Wort­los mus­ter­te er mich, bis ich ihn schließ­lich unbe­hol­fen frag­te, ob er sich an mich erin­ne­re, wir hät­ten einen gemein­sa­men Freund, und wo die­ser gemein­sa­me Freund denn hin­ge­zo­gen sei. Sein Gesicht ver­riet mir, dass er mich erkann­te. Zunächst erstaunt, dann bedrückt sah er mich an, bejah­te, sah sich um, als sei­en sei­ne Wor­te für die­sen Ort unge­eig­net, und sprach in gedämpf­tem Ton:

„Du weißt es noch gar nicht, hm? Man fand ihn vor, ja, knapp andert­halb Mona­ten in sei­ner Woh­nung. Tablet­ten oder so. Er hat­te sogar einen Abschieds­brief geschrie­ben, na ja, mehr eine Abschieds­no­tiz: »Ohne dich lau­fe ich auf Grund«. Selt­sam, was? Nie­mand weiß, wen oder was er damit gemeint hat.“

Und da ver­stand ich sei­nen Satz.

Ich habe letz­te Nacht von dir geträumt, von uns, von den Wegen, die wir gemein­sam hät­ten gehen, den Geheim­nis­se, die wir alle hät­ten tei­len kön­nen, von dem, was wir einst waren, und von dem, was wir noch alles hät­ten sein kön­nen. Die Träu­me sind der letz­te Ort, an dem ich dir noch nah sein kann. Es ist vor­bei, habe ich gedacht, und ich käme damit klar. Nun aber ver­brin­ge ich mei­ne Tage im Bett, manch­mal acht­zehn Stun­den und mehr, weil doch mit dir der letz­te Grund zum Auf­ste­hen schwand. Schla­fen jedoch kann ich kaum, und ob ich wach bin oder nicht, mei­ne Gedan­ken dre­hen sich um dich, um das, was von dir noch immer in mir übrig ist. Du bist in mir ein­ge­zo­gen, damals, als wir uns ken­nen­lern­ten, und als du gegan­gen bist, hast du dei­ne Sachen ein­fach in mir zurück­ge­las­sen. Sie ste­hen in mei­nen Räu­men her­um und erin­nern mich an dich, sie bele­gen so viel Platz in mei­nen Kam­mern, dass mir zum Leben kei­ner bleibt. Mein Appe­tit hat mir den Rücken zuge­kehrt, genau wie du, doch ohne Nah­rung kann ich über­le­ben, bloß ohne dich fällt mir das reich­lich schwer.

Mit Trä­nen gehe ich in jede Nacht und mei­ne Augen sind am nächs­ten Tag so schwer wie rot. Mor­gens treibt mich nur die Hoff­nung an, du könn­test dich heu­te bei mir mel­den. Abends ban­ge ich dann vor dem Schla­fen­ge­hen, viel­leicht ja mel­dest du dich mor­gen. Was zwi­schen die­sen Punk­ten liegt, ist jene Zeit, in wel­cher ich ein Leben simu­lie­re, frech und selbst­be­wusst, das sorg­lo­se Mäd­chen; die­se Zeit, in der ich hoff­nungs­los ver­su­chen muss, mit Kopf und Herz nicht jeden Augen­blick bei dir zu sein. Ohne ein Zei­chen von dir sind mei­ne Tage leer.

Wann immer ich in letz­ter Zeit durch die­se Stadt schlen­der­te, in der dein Leben das mei­ne zum ers­ten Mal betrat, fühl­te ich die Aura dei­ner Anwe­sen­heit. Hier lebst du, arbei­test du, ver­bringst du dei­ne Tage. Hier lach­ten wir, spra­chen wir, teil­ten wir ein Dasein mit­ein­an­der. Es ist dei­ne Stadt, das war sie schon, als wir uns ken­nen­lern­ten, und sie liegt vor mir wie ein Mahn­mal, wie ein Tor zu einer bes­se­ren Zeit. Hin­ter jeder Ecke könn­test du her­vor­kom­men, auf jeder Stra­ße könn­test du spa­zie­ren, und tat­säch­lich war­test du auf mich an jedem Ort. Nicht du, nicht als Per­son, aber als Erin­ne­rung, als Gespenst mei­ner Ver­gan­gen­heit, unse­rer Ver­gan­gen­heit, das mich auf Schritt und Tritt ver­folgt. Du hast die Stadt für mich unbe­nutz­bar gemacht, denn über allem liegt der Schlei­er dei­nes Wesens. Kei­nen Meter kann ich gehen, ohne dass du mir erscheinst. So wie du mich im Schlaf in jeder Nacht ver­folgst, ver­folgst du mich bei jedem Schritt.

Du weißt, es beschränkt sich nicht auf eine lee­re Meta­pher, wenn ich dir sage, dass du für mich die Welt gewe­sen bist. Alles hier erin­nert mich an dich. Die Stadt, sie schmeckt nach dir, sie riecht nach dir, der Wind ver­brei­tet dei­nen Duft, die Häu­ser erzäh­len Geschich­ten über dich, die Brun­nen spei­en dein Was­ser. Stra­ßen, Gebäu­de und Men­schen erschöp­fen sich in ihrer Rela­ti­on zu dir, ich neh­me sie wahr als Kulis­sen und Kom­par­sen unse­res ver­gan­ge­nen, gemein­sa­men Lebens. Ich beweg­te mich wie auf Schie­nen mit dir, war durch dich Zug gewor­den, der sei­ne Glei­se immer mit sich führt, was links und rechts von uns geschah, war mir egal, denn Augen hat­te ich doch bloß für dich. Mit dir war alles schön, schon weil du da warst. Heu­te aber sind die Wei­chen umge­stellt, die alten Tras­sen am Verrotten.

Mit beben­dem Her­zen kreu­ze ich in die­sen Tagen dann und wann den wei­ten Platz, auf dem der klei­ne Brun­nen steht, an dem wir uns so vie­le Näch­te um die Ohren schlu­gen, bis das Mor­gen­licht uns unter­brach. Fast jeden Tag betre­te ich den men­schen­lee­ren Bahn­steig, an des­sen Ende du so oft auf mich gewar­tet hast. Wenn ich irgend­wo bloß einen Zug vor­über­rau­schen sehe, fah­re ich im Traum zu dir. Mit mat­tem Blick ver­fol­ge ich die Stra­ßen­bahn, die auch zu dei­ner Stra­ße führt. An jeder Hal­te­stel­le suche ich nach dir. Manch­mal schlen­de­re ich durch den Park, in dem wir auf der Wie­se saßen, um uns die Ster­ne anzu­se­hen, doch wenn ich heu­te in den Him­mel bli­cke, zeigt jedes Ster­nen­bild bloß dein Gesicht. Wie Split­ter der Ver­gan­gen­heit sind all die Knei­pen, Clubs und Restau­rants, in denen wir zusam­men saßen, tanz­ten und lach­ten, lose über die­se Stadt ver­streut. Wenn ich dort heu­te etwas trin­ken gehe, trin­ke ich dabei auf dich, und wenn ich hier und da ein wenig Nah­rung zu mir neh­me, hun­ge­re ich dabei nach dir.

Wie gern wir bei­de im Thea­ter waren, wie oft wir Lesun­gen besuch­ten, das hat sich ein­ge­brannt in mei­nen Kopf und geht dort nie­mals wie­der raus. Bei jeder Vor­stel­lung, bei jedem Wort, bei jedem Kunst­werk und bei jedem Expo­nat bist du im Geist noch immer neben mir und dar­um mei­de ich das alles nun fast ganz, aus Furcht, du könn­test in der Men­ge sein. Manch­mal lese ich in dei­nen Brie­fen, die du mir geschrie­ben hast, und wenn ich heu­te Post emp­fan­ge, hof­fe ich, sie ist von dir. All die Bands, die du so moch­test, sind mir kei­ne Freu­de mehr, und in den Büchern, über die ich mit dir sprach, wohnst du auf ewig zwi­schen allen Zei­len. Alles Schö­ne, das ich neu für mich ent­de­cke, jedes Buch, in dem ich mich ver­lie­ren kann, jeden Film, der mich begeis­tert, alles will ich wei­ter­hin so ger­ne mit dir tei­len – und dann den­ke ich mit tie­fem Seuf­zen: ja, das wür­de dir gefallen.

Selbst mei­ne Woh­nung ist nicht län­ger mein Zuhau­se, die Din­ge spre­chen alle nur von dir. Ich bin hier nie­mals mehr allein. Jedes Klin­geln führt mich hoff­nungs­froh an mei­ne Tür, doch hat sie mich noch alle­mal ent­täuscht. Ich war­te auf E‑Mails, die nicht kom­men, star­re auf Tele­fo­ne, die nicht klin­geln. In mei­ner Küche stand ich nicht, seit wir gemein­sam dort zugan­ge waren, und lie­ge ich in mei­nem Bett, erdrückt mich dei­ne Abwe­sen­heit. Es fühlt sich leer an, denn du fehlst, nicht nur in mei­nem Bett, vor allem in mei­nem Leben.

Ich wer­de die­se Stadt nicht län­ger ertra­gen kön­nen. An jeder Ecke tref­fe ich auf dich, ohne dich je berüh­ren zu kön­nen; aller­orts erscheinst du mir, an jeder Wand, in jeder Spie­ge­lung auf einer Schei­be, auf dem Asphalt und in der Luft, ohne wirk­lich bei mir zu sein. Über­all ver­ste­cken sich Gespens­ter. Bei jedem Men­schen, der dir ähnelt, beginnt es schnell in mir zu pochen, bis die Hoff­nung still ver­welkt. Wie Fata Mor­ga­nas schrei­ten dei­ne Erschei­nun­gen durch die­se Stadt und blen­den mich, doch kei­ne davon stillt den Durst.

Nicht bloß die Stadt ver­kommt für mich zur Kryp­ta unse­rer Ver­gan­gen­heit. Bald wird er los­ge­hen, der unge­len­ke Tanz durchs Minen­feld mei­ner Freun­de, die sich zwei­fel­los an dich erin­nern wer­den, weil ich ihnen von dir vor­lieb­te, ihnen alles über dich erzähl­te, mit einer Ver­ve, wie das nur jemand kann, der dir von Kopf bis Fuß ver­fal­len ist. Erzählt man etwas, dann ver­fes­tigt es sich mit jedem noch so klei­nen Wort als Rea­li­tät, und wenn es schief­geht, dann wird es zur Höl­le. Sie wer­den sich nach dir erkun­di­gen, sie wer­den wis­sen wol­len, was du machst und wie es dir so geht. Wie war noch gleich sein Name, wer­den sie mich bei­läu­fig fra­gen, und wäh­rend ich genau weiß, von wem die Rede ist, weil ich dich nie­mals ver­ges­sen kann, wer­de ich doch nichts ande­res her­vor­brin­gen als: Wen meinst du? Wenn aber jemand dei­nen Namen aus­spricht, kann man für einen kur­zen Moment in mei­nen Augen sicher Wel­ten auf­blit­zen sehen, gan­ze Gala­xien, bevor sie kurz dar­auf als Schat­ten unbe­merkt vergehen.

Glau­ben kann ich es dir nicht, dass da bei dir nichts mehr war, kein Wunsch nach Zukunft, kein Gefühl, und ich den­ke nicht ein­mal, dass du dir selbst das alles glaubst. Wo wir nun ste­hen, wäre mir begreif­li­cher, wenn es nicht du gewe­sen wärst, der die­sen Stein erst ins Rol­len gebracht hat­te, der mit mir flir­te­te, ganz offen­siv, obwohl du sonst so schüch­tern bist. Dein Strah­len jedes Mal, wenn wir uns irgend­wie begeg­ne­ten, erwärm­te mei­ne gan­ze Welt. Ich fühl­te, du bist mein Zuhau­se, und ich woll­te dir das dei­ne sein. Mein Lächeln muss mich schon von Anfang an ver­ra­ten haben, die­se Mas­ke einer hoff­nungs­los Hoff­nungs­vol­len, die­ses gut­mü­ti­ge Grin­sen, weil ich gänz­lich glück­lich war, und du, du lächel­test zurück.

Immer warst du so bemüht, mich fas­zi­niert auf unse­re Gemein­sam­kei­ten hin­zu­wei­sen, auf alle noch so klei­nen Zufäl­le, auf die gewöhn­li­chen Ereig­nis­se, die nicht mehr so gewöhn­lich waren, weil du sie gleich mit mir ver­bun­den hast und ich sie wie­der­um mit dir. Zwi­schen uns gedieh eine Art geis­ti­ger Inti­mi­tät und wir ver­voll­stän­dig­ten uns, als hät­ten wir das immer schon getan. Du warst fröh­lich, wenn wir Din­ge zeit­gleich erle­dig­ten, ohne uns irgend­wie abge­spro­chen zu haben, oder wenn uns ein und das­sel­be völ­lig unab­hän­gig von­ein­an­der gefiel. Es waren sol­che Bana­li­tä­ten, die dich glück­lich mach­ten, selbst wenn die Welt dir gera­de läs­tig war, und ich war glück­lich, schon weil du es warst.

Du merk­test dir so vie­les, was ich dir erzähl­te, all die Din­ge, die ich mag. Ich stand für dich im Licht, war Sam­mel­stel­le dei­ner Auf­merk­sam­keit und das zeig­test du mir deut­lich, nur zuge­ge­ben hät­test du es nie. Noch über die dümms­ten mei­ner Wit­ze hast du gelacht, wie das nur jemand kann, der nicht mehr ganz bei Trost oder ernst­haft ver­liebt sein muss, was unterm Strich ja irgend­wie das Glei­che ist, mit einem herz­lich schö­nen Lachen, dem ich im ers­ten Augen­blick sofort verfiel.

Du hast dich ein­mal als einen Men­schen bezeich­net, der zual­ler­erst an sich denkt, und den­noch mach­test du so viel für mich, du sorg­test dich um mich, du woll­test, dass ich mich bei dir wohl­füh­le. Für jeman­den, der nur an sich denkt, hast du erstaun­lich viel an mich gedacht. Ich nahm in dei­nem Leben einen so gro­ßen Raum ein, dass es mir schon bei­na­he unan­ge­nehm wur­de. Am Ende unse­rer Tref­fen hast du mich kein ein­zi­ges Mal ein­fach so fort­ge­hen las­sen, ohne mir zwi­schen Tür und Angel nicht noch Vor­schlä­ge für ein Wie­der­se­hen ans Herz zu legen. Dei­ne Phan­ta­sie über­schlug sich bei dem höl­zer­nen Ver­such, neue Vor­wän­de für ein Tref­fen zu erdenken, mit einer bei­läu­fi­gen Art, die sicher dei­ne Schüch­tern­heit ver­ber­gen soll­te, die du immer schon für unmänn­lich gehal­ten hast. Dir lag etwas dar­an, dass wir uns wie­der­se­hen, das war es, was für mich von all­dem hän­gen­blieb. Du orga­ni­sier­test dei­ne Zeit um mich her­um, um mei­ne Mani­fes­ta­ti­on in dei­nem Leben, wäh­rend ich dich sach­te in dem mei­nen ver­an­ker­te, als bau­test du in mei­nem Vor­hof dein Quar­tier. Ich nahm mir mei­ne Zeit für dich, ich nahm mir alle Zeit der Welt. Heu­te willst du sie nicht mehr.

Es spielt kei­ne Rol­le, was ich glau­be und was tat­säch­lich dei­ne Grün­de waren, denn es bringt uns nicht wie­der zusam­men, macht aus den Trüm­mern nicht mehr eins.

Mei­ne Brie­fe, in denen ich dir schrieb, wie viel du mir bedeu­test, hast du lei­der nie beant­wor­tet, und mei­ne Vor­schlä­ge, was wir gemein­sam unter­neh­men könn­ten, schlägst du seit­dem alle aus. Du warst mit einem Mal wie aus­ge­wech­selt, kamst mir vor wie ein Magnet, des­sen Pola­ri­tät sich schlag­ar­tig ver­än­dert hat­te. Was mir gefiel, konn­test du plötz­lich nicht mehr aus­ste­hen. Bei jeder Ange­le­gen­heit, in der wir immer einer Mei­nung gewe­sen waren, behaup­te­test du nun das Gegen­teil. Wenn wir uns doch noch ein­mal tra­fen, brach­test du stets irgend­wel­che Freun­de mit, Bekann­te oder Arbeits­kol­le­gen. Mein Ein­druck war, es hät­ten Unbe­kann­te sein kön­nen, solan­ge das für dich bedeu­te­te, nicht mit mir allein zu sein, als sei ich über Nacht zu einer düs­te­ren Bedro­hung gewor­den, die nur als Grup­pe über­haupt bezwun­gen wer­den kann.

Du woll­test es mir ver­weh­ren, dich auch wei­ter­hin zu mögen, so wie jemand, der einem armen Bett­ler etwas Geld ver­wehrt, nicht weil er selbst ein böser Mensch ist, son­dern um die Brief­ta­sche nicht öff­nen zu müs­sen. Es sticht schon höl­lisch in der Brust, wenn man ernüch­tert fest­stel­len muss, dass eine Lie­be nicht erwi­dert wird, doch wenn die eige­nen Gefüh­le noch als Zumu­tung emp­fun­den wer­den, ist das wie Stark­strom mit­ten durch das Herz. Du hast kei­ne Vor­stel­lung davon, wie sehr es schmerzt, auf ein­mal so behan­delt zu wer­den. Nun muss ich mir anse­hen, wie aus­tausch­bar ich allem Anschein nach für dich gewor­den bin. Ich woll­te bei dir ankom­men, aber für dich war ich in dei­nem Leben nur zu Gast.

Du konn­test nie rich­tig begrei­fen, wie­so ich etwas an dir fand, wes­halb ich etwas an dir mag. Womög­lich war ich dir nicht über­zeu­gend genug, aber muss­te wirk­lich ich dich über­zeu­gen oder nicht viel eher du dich selbst von dei­ner Liebenswürdigkeit.

Men­schen wie du und ich machen sich mit ihrer Nach­denk­lich­keit das Leben so unnö­tig schwer. Gemein­sam hät­ten wir leich­ter sein kön­nen, leicht genug zum Flie­gen, doch abzu­he­ben trau­test du dich nie. Ich bau­te für dich Brü­cken, wo kei­ne Flüs­se, Häu­ser, wo kei­ne Städ­te, Tun­nel, wo kei­ne Ber­ge waren. Du warst mein Leucht­turm in der Nacht, der selbst noch strahlt und mir als Rei­sen­dem die Rich­tung weist, wenn alles Sons­ti­ge in Dun­kel­heit ver­sinkt. Es hat vor dir schon Ande­re in mei­nem Her­zen gege­ben, doch ich mach­te dich zum Aller­ers­ten und du wirst für mich der Letz­te blei­ben. Wel­che Zukunft es mit dir gege­ben hät­te, weiß ich nicht. Ohne dich gibt es kei­ne Zukunft. Nach dir kommt nichts. Es gibt kei­ne Zukunft mehr, nicht ein­mal Gegen­wart, bloß noch Vergangenheit.

Was ich noch an Hoff­nung hat­te, setz­te ich auf dich und ver­lor sie ein für alle Mal. Mit wach­sen­der Ver­zweif­lung habe ich ver­sucht, sie zu bewah­ren. Jedes dei­ner Wor­te, auch die unge­sag­ten, dreh­te ich in mei­nem Kopf her­um, bis ich schließ­lich einen Ansatz fand, eine Inter­pre­ta­ti­on, die mir ein wenig Zuver­sicht ver­sprach. Dei­ne Wor­te waren mei­ne Hypo­thek, auf deren Dar­le­hen ich mein Leben errich­te­te. Jeden mei­ner Schrit­te mach­te ich auf einem Steg aus Hoff­nung, den ich mir aus den Bret­tern dei­ner Wor­te gezim­mert hat­te, bis es jeden Tag etwas weni­ger wur­de, an dem ich mich noch fest­hal­ten, auf das ich mich noch stüt­zen, mit dem ich mir einen Weg nach vor­ne hät­te bau­en kön­nen. Du warst mei­ne letz­te gro­ße Hoff­nung auf Zukunft.

Sein gan­zes Leben ist der Mensch ein Baum im Wind. Er trotzt den Gewal­ten, die auf ihn ein­wir­ken, er stemmt sich ihnen ent­ge­gen, tag­ein und tag­aus, doch wenn der Baum erst ein­mal ange­sägt ist, genügt ein leich­ter Stoß, um ihn zu Fall zu brin­gen. Gesägt haben an mir schon vie­le, aber erst du hast mir den Stoß ver­setzt. Nun bin ich am Boden, habe kei­ne Ener­gie mehr, kei­ne Kraft, um wie­der auf­zu­ste­hen. Je näher man jeman­den an sich her­an­lässt, des­to kür­ze­re Mes­ser braucht er. Mei­ne Rüs­tung, die ich mit mir durchs Leben tra­ge, mein Pan­zer, der mich vor der Welt beschützt, er ist ver­braucht und abgenutzt.

Es gibt kei­nen unbe­grenz­ten Vor­rat an Ener­gie, den man in ein Leben ste­cken kann. Jede fri­sche Ver­let­zung zehrt an den Kräf­ten, bis irgend­wann die Kraft erlischt. Eines Tages wächst ein­fach kei­ne Haut mehr, wo eine neue Wun­de ent­steht. Der inne­re und der äuße­re Tod soll­ten in einer idea­len Welt zur glei­chen Zeit von­stat­ten­ge­hen, doch bei den meis­ten Men­schen ist das nicht der Fall, denn unse­re Welt ist alles ande­re als ide­al. Es heißt, die Hoff­nung stirbt zuletzt, doch meint das Sprich­wort wirk­lich deren Lang­le­big­keit, oder bedeu­tet es denn nicht viel mehr, dass nach dem Tod der Hoff­nung nichts mehr bleibt, das dann noch ster­ben kann. Wie sehr rühmt sich die moder­ne Medi­zin, Men­schen am Leben erhal­ten zu kön­nen, aber was hilft das, wenn man im Inne­ren schon lan­ge nicht mehr lebt. Es gibt kei­ne Maschi­nen, kei­ne lebens­ver­län­gern­den Maß­nah­men, an die man die Hoff­nung eines Men­schen anschlie­ßen könn­te. Der bio­lo­gi­sche Tod wird redu­ziert auf eine Formsache.

Mach dir nichts draus, das Leben geht wei­ter, sagen sie dir mit her­ab­las­sen­dem Mit­leid. Ja, es geht wei­ter, denn das Hin­ter­häl­ti­ge an gebro­che­nen Her­zen ist, dass der ande­re sei­ne Tat nicht voll­endet, sie nicht kon­se­quent zum Abschluss führt, weil er einen nie wirk­lich umbringt. Man ist leer, aus­ge­laugt, ver­braucht, man blickt in ein Schwar­zes Loch und über­schrei­tet den Ereig­nis­ho­ri­zont, man wird hin­ein­so­gen und kommt nicht mehr her­aus. Das Leben geht wei­ter, ja, aber man selbst lebt nicht wei­ter, man exis­tiert bloß noch vor sich hin.

Auch ich füge mich ein ins Heer der wan­deln­den Toten. Erst ver­liert man die Hoff­nung und dann sich selbst. Nichts hat für mich noch irgend­ei­ne Bedeu­tung. Ich kann nichts mehr füh­len, wenn es nicht mit der Ver­gan­gen­heit ver­bun­den ist, mit dir. Ich spü­re kei­ne Gegen­wart, nicht ein­mal Schmerz, nicht ein­mal Wut, schon gar nicht Lie­be. Wie das Archiv einer längst ver­gan­ge­nen Kul­tur ver­wal­te ich die Samm­lung mei­ner Emo­tio­nen, aber es kom­men kei­ne neu­en mehr hin­zu. Du hast den Men­schen aus mir entfernt.

Es gibt so vie­le wie mich. Ich sehe sie jeden Tag, kann sie durch­schau­en, sie sind leer, und doch simu­lie­ren sie ein Leben, genau wie ich, sie gehen ihrer Arbeit nach, sie essen und schla­fen wie jeder ande­re Mensch auch. Das Schei­tern beginnt, wenn man nicht mehr fragt, was man will, son­dern bloß noch, was man kann. Mein Schick­sal ist es, tot zu sein und wei­ter­le­ben zu müs­sen. Ich woll­te dir alles geben, du hast mir alles genom­men. Nicht aus böser Absicht, ver­mut­lich nicht ein­mal bewusst, doch unterm Strich zählt letzt­lich nur, wie alles endet. Du sag­test mir zum Abschied noch, ich sei ein unglaub­li­cher Mensch, wie du ihn nie zuvor getrof­fen hast, doch was bedeu­tet das schon, wenn du mich dar­auf­hin kalt abser­vierst. Ich bin in mei­nem Leben eine Frem­de geworden.

Ande­re wür­den sagen, ich hät­te mei­ne Zeit mit dir ver­schwen­det, aber ver­schwen­det war sie nie, denn sie hat mich, wenn auch nur vor­über­ge­hend, zu einem glück­li­chen Men­schen gemacht.

Es gäbe noch so vie­les, das ich dir ger­ne sagen wür­de, so viel Unaus­ge­spro­che­nes, das noch aus­zu­spre­chen wäre, doch ich wer­de dir nie wie­der schrei­ben, ich wer­de mit dir nie wie­der reden, ich wer­de dich nicht mehr zum Lachen brin­gen und dir kei­ne Nach­rich­ten mehr auf der Mail­box hin­ter­las­sen Ich wer­de dir kei­ne Fra­gen mehr stel­len und mich nicht län­ger für dein Leben inter­es­sie­ren, weil ich die Ant­wor­ten nicht ertra­gen wür­de. Du wirst kein Lebens­zei­chen von mir erhal­ten, weil es die­ses Leben nicht mehr gibt, das auf sich auf­merk­sam machen könn­te. Wie sagt man jeman­dem Lebe­wohl, ohne den man nicht leben kann.

In die­ser Stadt ist kein Platz mehr für mich, genau­so wenig wie in dei­nem Leben. Was mich hier noch hält, ist mir ein Rät­sel. Ziel­los strei­fe ich durch die Stra­ßen die­ser Stadt und ich wünsch­te mir dabei, ich wäre Nero. Ich möch­te dich nicht nur ver­ges­sen, dich in mei­nem Kopf nicht bloß ver­blas­sen sehen, ich möch­te sämt­li­che Andenken an dich voll­stän­dig aus­ra­die­ren, in mir wie in der Welt. Die­se Stadt soll bren­nen, sie soll ver­glü­hen und in Rauch auf­ge­hen, denn sie ist für mich unbe­geh­bar gewor­den. Ich möch­te Feu­er legen, rasend alles nie­der­rei­ßen, ich möch­te sie zer­stö­ren, noch bis hin­un­ter auf den letz­ten Stein. Die gan­ze Welt kann unter­ge­hen, es wäre mir egal. All die von dir besetz­ten Gebäu­de und mei­ne Erin­ne­rung an dich sol­len ein für alle Mal in Flam­men auf­ge­hen und zu Asche zer­fal­len, wor­aus ich als Phö­nix neu her­vor­ge­hen kann.

Viel­leicht ja wür­de es in eini­gen hun­dert Jah­ren eine Grup­pe von Archäo­lo­gen zu den Trüm­mern die­ses lieb­lo­sen Ortes füh­ren und sie wür­den sich even­tu­ell fra­gen, was hier wohl vor­ge­fal­len sein mag. Es wäre nur ein wei­te­res Puz­zle­teil in der unend­li­chen Geschich­te der Mor­de, Krie­ge und Zer­stö­run­gen aus purer Ver­zweif­lung an mensch­li­cher Lie­be. Sie ist die edels­te aller Kräf­te, die auf einen Men­schen jemals wir­ken kann, aber auch die unbarm­her­zigs­te und ver­nich­tends­te. Wie vie­le Bur­gen und Fes­tun­gen, wie vie­le Städ­te und Rei­che, wie vie­le Macht­ha­ber und Impe­ri­en gin­gen bereits zugrun­de, nur weil ein Mensch sein Herz verlor.

Auch ich habe dich bela­gert, wenn man es so aus­drü­cken möch­te, aber dei­ne Mau­ern waren zu stark, dein Boll­werk zu mas­siv, und den­noch rann­te ich voll Freu­de mit dem Herz dage­gen an. Du hast dich am Ende gegen mich ent­schie­den, hast dei­ne Zug­brü­cke hoch­ge­fah­ren, als ich noch auf ihr stand. Nur zu ger­ne wäre ich ein wüten­des Infer­no, das mich wie alles ande­re im Flam­men­meer ver­schlingt, doch statt den Glas­pa­läs­ten in der Innen­stadt, die mit Getö­se aus­ein­an­der­bre­chen, ist es bloß mein Glück. Die Welt bleibt kalt und unbe­rührt, wäh­rend mein Inners­tes heim­lich verbrennt.

Dann geht es wei­ter, das Leben, die dunk­len Wol­ken zie­hen aus dem Kopf, ich esse wie­der aus­wärts und mache mein Haar, ich trin­ke Cock­tails und gehe ins Büro, ich flir­te und lache und bin nor­mal und habe kei­ne Angst vor dem nächs­ten Tod. Der nächs­te wird wie­der der letz­te sein. Ich bin drei Mal schon gestor­ben und immer habe ich mir ein­ge­re­det, dies­mal sei es beson­ders schlimm, und ich glau­be, das ist gut. Das Lei­den gehört dazu, wenn es schief­geht, es zeugt von Bedeu­tung, es zeugt von Gefüh­len, es zeugt von mir. Schlimm ist es erst, wenn man nicht mehr stirbt.

Es ist ein ver­reg­ne­ter Sams­tag­abend und ich sit­ze mit dir in einer klei­nen Knei­pe in Frank­furt Bocken­heim. Du trägst Jeans und ein rotes Ober­teil, dein Haar ist zu Zöp­fen gebun­den, du rauchst. Zuvor sind wir essen gewe­sen, beim Per­ser, ich habe dich ein­ge­la­den, du hast einen ehe­ma­li­gen Mit­be­woh­ner getrof­fen, dann sind wir kurz durch die Nacht spa­ziert. Nun trin­ken wir Cock­tails, wir unter­hal­ten uns, wir wer­den kri­tisch, wir wer­den trau­rig, wir lachen und spin­nen her­um. Du bist jemand, bei dem ich sein kann, wer ich bin, ohne Unver­ständ­nis zu pro­vo­zie­ren, ohne mich ver­stel­len zu müs­sen, ohne Erwar­tun­gen zu begeg­nen, die mir so fremd sind wie eine außer­ir­di­sche Kul­tur. Wir tei­len eine Sicht auf die Welt, auf das, was uns stört, was wir mögen, und ich mer­ke, ich mag vor allem dich.

Wir ste­hen uns poli­tisch nahe, wenn man das so aus­drü­cken kann. Uns eint der Kampf gegen die Übel die­ser Welt, doch Hoff­nung treibt dich dabei nicht, eher sei es Rast­lo­sig­keit, man kön­ne eben etwas tun oder schwei­gend resi­gnie­ren. Eigent­lich aber möch­test du hier weg, sagst du, und mit hier meinst du Deutsch­land, nicht die­sen Moment in die­ser klei­nen, gemüt­li­chen Knei­pe. Ein Häus­chen, viel­leicht ein Bau­ern­hof, gemein­sam mit ein paar Freun­den, das wäre das Rich­ti­ge, erklärst du mir, und dei­ne Augen fun­keln ein wenig bei der Vor­stel­lung dar­an. Du nennst es andäch­tig Utopia.

Es man­gelt am Wil­len zur Umset­zung, ant­wor­te ich dir und es stimmt. Du bist nicht die ers­te, die mir von die­sem Traum vor­schwärmt, denn ich ken­ne vie­le, die vom Weg­ge­hen träu­men, vom selbst­be­stimm­ten Leben, nur kei­nen, der es macht. Auch für dich sei es eher ein Plan B, eine Rück­zugs­mög­lich­keit, gesellst du dich zu ihnen, für die Zeit, wenn dir das Leben hier in die­sem Land nicht mehr ange­nehm erscheint.

Ich fin­de es jetzt schon nicht mehr ange­nehm, geste­he ich dir, und du bist der ers­te Mensch, der bei die­sen Wor­ten nicht lacht, nicht min­des­tens schmun­zelt oder mich fra­gend ansieht. Du näm­lich schaust mich an, mit einem Blick, der mir sagt, dass du genau ver­stehst. Wir füh­ren den Gedan­ken wei­ter, bis du mir erklärst, wie du dir das Gan­ze vor­stellst, viel­leicht in Grie­chen­land, mit ein paar Tie­ren und Gemü­se und was man eben braucht, um so aut­ark zu sein, wie es die Umstän­de erlau­ben. Der Abend klingt aus und ich sto­ße mit dir dar­auf an, ihn umzu­set­zen, dei­nen Plan B, und du lachst und freust dich und sagst: Ja, das machen wir. Ich sehe Zukunft, wo ein Fra­ge­zei­chen war. Wir sind Kom­pli­zen, die den Aus­bruch wagen.

In den Tagen dar­auf rech­ne ich zusam­men, was ich gespart habe, dru­cke Immo­bi­li­en­an­ge­bo­te aus, rei­se um die hal­be Welt, um mir einen guten Ein­druck von den inter­es­san­tes­ten Objek­ten zu machen, lese Bestim­mun­gen, pla­ne vor­aus. Drei Wochen spä­ter tref­fen wir uns in dei­ner Woh­nung, ich lege dir Fotos vor, ohne dir mei­nen Favo­ri­ten zu ver­ra­ten, und dei­ne Wahl fällt auf das glei­che Haus. Wir lachen, freu­en uns, gehen Pla­nun­gen durch, über­schla­gen Finan­zen. Ganz die Rea­lis­tin, die du bist, wirfst du ein, du fän­dest das alles wun­der­bar, nur könn­test du nicht von heu­te auf mor­gen dei­ne Woh­nung auf­ge­ben und dei­nen Job kün­di­gen, da gäbe es Fris­ten, und dein Kater mache dir Sor­gen, der habe doch sein Revier, und all das Recht­li­che. Das macht nichts, beschwich­ti­ge ich, dann fah­re ich allei­ne schon mal vor, rich­te alles her, ich küm­me­re mich um unser Haus, wid­me mich dem Büro­kra­ti­schen, freue mich auf dich, und dem Kater wird es gefal­len. Du nickst und dann umarmst du mich auf eine Art, dass ich mich füh­le, als wür­de ich nach lan­ger Odys­see zu Hau­se ankommen.

Am nächs­ten Tag plün­de­re ich mei­ne Kon­ten, bestei­ge ein Flug­zeug und flie­ge einem neu­en Leben ent­ge­gen. Ich kau­fe ein Haus, das Haus, unser Haus, mit rie­si­gem Grund­stück und mod­ri­gem Holz­zaun rund­her­um, die Mau­ern in einem Rot­ton, der dir gefal­len wird, die Zim­mer groß genug, falls wir Besuch oder mal Kin­der haben wol­len. Das Dach ist nicht ganz dicht, wie ich beim ers­ten Regen fest­stel­len muss, aber wir sind es auch nicht. Ich reno­vie­re, ich strei­che, ver­le­ge Böden und ler­ne mau­ern, ich lege mich ins Zeug und füh­le mich zum ers­ten Mal als frei­er Mensch. So ver­brin­ge ich Wochen, dann Mona­te. Mit der Begeis­te­rung eines Kin­des schi­cke ich dir immer wie­der Fotos und selbst­ge­dreh­te Vide­os, und du sagst, du willst noch dei­ne Pro­mo­ti­on fer­tig­stel­len, dann kommst du. Ich freue mich wahn­sin­nig dar­auf, wenn du kommst, ant­wor­te ich dir.

Das Dach ist mitt­ler­wei­le gut, das Haus bezugs­fer­tig, was aus­zu­bes­sern war, habe ich aus­ge­bes­sert. Die Reno­vie­rung kommt vor­an, wenn auch lang­sam, und zwi­schen­drin ver­su­che ich mich als Gärt­ner, lese mich schlau, pflan­ze an, gie­ße, ver­tei­le Dün­ger, hof­fe und war­te. Eini­ges gedeiht, man­ches nicht, und ich bin stolz, weil das für einen ers­ten Ver­such gar nicht so schlecht ist. Du hast von uns bei­den den grü­ne­ren Dau­men, du wirst mich aus­la­chen, wenn du kommst.

Zwei Mona­te spä­ter bekommst du ein Ange­bot für eine Stel­le an der Uni, ein Ein­jah­res­ver­trag, und du sagst, so lan­ge sol­le ich mich noch gedul­den, danach aber kämst du. Mir macht es nichts aus, die Reno­vie­rung braucht noch etwas Zeit, und ich sage, ich freue mich dar­auf, wenn du kommst, du wirst ein wun­der­schö­nes Haus vorfinden.

Drau­ßen wird es lang­sam grün und ich fil­me auch das, schi­cke es dir, will dir zei­gen, dass selbst unter mei­ner Regie pflanz­li­ches Leben mög­lich ist. Du lachst so herz­lich über mei­ne ange­streng­ten Gärt­ner­ver­su­che, dass alle Kilo­me­ter zwi­schen uns ver­ges­sen sind. Kurz bevor du auf­legst, seufzt du, denn du wärst so ger­ne hier, und ich spie­le es her­un­ter, es ist doch nicht mal mehr ein Jahr.

Vier Mona­te ver­ge­hen, in denen wir mai­len, chat­ten, tele­fo­nie­ren, ich schi­cke dir wei­ter­hin Bil­der und Vide­os, hege Vor­freu­de, und dann schreibst du mir, du bist jetzt an einem For­schungs­pro­jekt betei­ligt, das du super inter­es­sant fin­dest, und man erwägt, dich fest ein­zu­stel­len, und wie groß­ar­tig das ist und ob ich mich freue.

Drei Tage spä­ter ant­wor­te ich dir, schi­cke dir einen Link auf ein klei­nes regio­na­les Nach­rich­ten­por­tal, schrei­be sonst nichts. Du rufst mich an, obwohl du nicht viel Zeit hast, wie du mir erklärst, du machst gera­de Pau­se, gleich musst du zurück. Du bist ver­wirrt, sagst du, und ob das ein Scherz sei, aber es ist alles echt, ver­si­che­re ich dir, das Feu­er und der Total­scha­den. Uto­pia ist abgebrannt.

Heu­te Mor­gen schloss ich eine Tür, obwohl ich wuss­te, sie wird sich nie wie­der für mich öff­nen. Man­che Türen ver­schlie­ßen ein Zim­mer, man­che Türen ver­schlie­ßen ein Haus. Die­se hier ver­schließt eine gan­ze Welt. Die Die­len knarz­ten, als ich in den Flur trat, ich schlich fast sanft dar­auf her­um, sie soll­ten dich nicht wecken, auch wenn ein Teil von mir ganz heim­lich hoff­te, sie wür­den es doch, du stün­dest auf und alles wäre gut. Ich zog mei­ne Jacke an und schau­te in dei­ne Rich­tung, ich ließ mir Zeit, blick­te auf mein Han­dy, prüf­te alle Taschen, leg­te mei­nen Schal um. Es war ein Abschied auf Raten, aber erst die Hand an der Tür ließ ihn wirk­lich offi­zi­ell wer­den, jener Moment, in dem sie hin­ter mir ins Schloss fiel, ein für alle Mal, quiet­schend und zäh, als wür­de sie es sich noch ein­mal über­le­gen. Wo bis­lang stets ein Durch­gang gewe­sen ist, ein Tun­nel zwi­schen den Wel­ten, war nun bloß eine Fort­set­zung der Wand. Als ich im Trep­pen­haus nach unten ging, war es der Abstieg vom Glück. Ich hät­te dich zum Abschied ger­ne noch geküsst.

Letz­te Nacht war ich dir so nah, und doch hät­test du nicht uner­reich­ba­rer sein kön­nen. Das Mond­licht fiel fra­gend durch ein Fens­ter oder viel­leicht waren es bloß die schim­mern­den Stra­ßen­la­ter­nen vor dei­nem Haus, aber was immer es auch war, Erleuch­tung brach­te es nicht. Hin und wie­der fuhr ein Auto vor­bei, zu schnell und mit grö­len­der Musik, und dann war es für einen Augen­blick dort drau­ßen so laut wie in mei­nem Kopf. Wenn ich die Augen schloss, erschienst du mir, du tanz­test quer durch mei­ne Phan­ta­sie, nahmst jede Kam­mer mei­ner Welt, dei­ne Stim­me besetz­te mein Ohr. Ich sprach mit dir zum aller­letz­ten Mal, als du müde aus dem Bade­zim­mer kamst, dein Kater saß schnur­rend neben mir, da husch­test du laut­los an uns vor­bei, du schau­test mich nicht an, ich weiß nicht, war­um. Geschla­fen habe ich in die­ser Nacht kaum, und wenn doch, dann träum­te ich von dir.

Ich schloss die Tür und ging, nun ste­he ich ver­lo­ren in der U‑Bahnstation. Eine Fast­nachts­ka­pel­le stapft fröh­lich die Trep­pen her­un­ter und spielt das trau­rigs­te Lied der Welt, nicht weil es selbst trau­rig ist, son­dern ich. Von rechts braust end­lich der Zug ins Unge­wis­se her­an, kommt mit Getö­se zum Ste­hen, dann stei­ge ich ein, wir rol­len ins Nichts. Hin­ter mir im Wagen sitzt ein Mäd­chen und weint. Ich fah­re mit der U‑Bahn durch die Stadt, bestimmt ein paar Stun­den; Men­schen kom­men und gehen, wie Land­schaf­ten zie­hen sie vor­bei, ver­wischt und unscharf, mein Fokus ruht immer­fort auf dir. Irgend­wann bin ich es leid, ver­las­se irgend­wo den Zug und trot­te in den Groß­stadt­schluch­ten her­um, apa­thisch und ziel­los, hun­gernd nach Leben. Gigan­ten aus Glas säu­men mei­nen Weg und bli­cken unbe­rührt auf mich her­ab. Eine Kiosk­ver­käu­fe­rin sagt, es sei ein wun­der­schö­ner Tag, dabei lächelt sie mich an, sie meint es ernst. Auf dem Heim­weg gera­te ich in Schnee­re­gen, der die Welt mit unschul­di­gem Weiß bedeckt, so als wäre alles gut, doch in mir ist es dun­kel. Um die Sehn­sucht zu über­tö­nen, höre ich Musik, und der Zufall wählt ein Lied von Ele­ment of Crime – natür­lich trägt es dei­nen Namen. Alles wirkt zuneh­mend sur­re­al und ich ver­ste­he, genau des­we­gen ist es Wirklichkeit.

Wenn ich auch trau­rig bin, gibst du mir doch Kraft, da ich nun weiß, dass du dort drau­ßen bist und lebst und lachst und dafür ein­stehst, wor­an du glaubst, mit gro­ßem Her­zen und so unbe­irrt wie Sisy­phos am Hang. Mein gan­zes Leben habe ich nach dir gesucht, dich ver­misst, das wur­de mir mit vol­ler Wucht bewusst, als ich lang­sam aus der Woh­nung trat. Jeman­den wie dich fin­det man nur ein Mal oder nie. Die gro­ßen Träu­me blie­ben hin­ter dei­ner Tür zurück, sie drin­gen bloß noch als Gespens­ter durch die Wand. Mein Kopf lebt immer noch bei dir, wenn du ihn fin­dest, stell ihn bit­te vor die Tür, der Rest ging irgend­wo ver­lo­ren. Die Zukunft wird Ver­gan­gen­heit, die Gegen­wart ver­fliegt. Nichts ist so ver­gäng­lich wie das Wun­der­ba­re, leben­dig wäre alles nur mit dir.

Du weißt das nicht, weil ich am Mor­gen durch die Tür gegan­gen bin, als du noch tief und fest geschla­fen hast.

Sie war eine Weit­sich­ti­ge: Was noch fern war oder schon wie­der ver­ab­schie­det, das sah sie scharf. Was aber nah war, was sie unmit­tel­bar umgab, das konn­te sie nicht genau erken­nen und hüll­te es des­halb in Ste­reo­ty­pe. Ihre Rhe­to­rik war lei­den­schaft­lich in der Erwar­tung und im Abschied, also bei den Din­gen, die noch nicht sind, und bei jenen, die nicht mehr waren. Was tun mit uns? Zunächst reis­ten wir auf­ein­an­der zu, um die Nähe, die wir in der Fer­ne emp­fun­den hat­ten, mit kör­per­li­cher Gegen­wart zu bele­ben, aber all­mäh­lich wuchs der Ver­dacht, dass wir am Ende einen Platz leer fin­den wür­den. Ja, wir reis­ten vol­ler Ver­lan­gen, doch ver­le­gen, weil jetzt ein Kör­per saß, wo ein Phan­tom gewe­sen war. (…) Von außen waren wir ein Paar, von innen ein Arrangement.
(Roger Wil­lem­sen – Die Enden der Welt)

Jedes Mal, wenn sich ein Jahr sei­nem Ende ent­ge­gen­neigt, machen sich unzäh­li­ge Men­schen gut gemein­te Gedan­ken zum Ablauf des bald dar­auf anbre­chen­den Jah­res und nen­nen ihre Plä­ne, die dar­aus her­vor­ge­hen, gute Vor­sät­ze. Rau­cher wol­len Nicht­rau­cher wer­den, Sport­muf­fel zu Frei­zeit­ath­le­ten, Fau­len­zer zu Arbeits­tie­ren. Die­se guten Vor­sät­ze sind in der Regel noch vor Febru­ar wie­der vergessen.

Wenn es etwas gab, das sie in die­ser Zeit des Jah­res am meis­ten hass­te, dann waren es die guten Vor­sät­ze ande­rer Men­schen und deren auf­dring­li­che Art, die­se Vor­sät­ze jedem Inter­es­sier­ten und Des­in­ter­es­sier­ten glei­cher­ma­ßen unter die Nase zu rei­ben. Auch sie hat­te sich Gedan­ken zum Ablauf des kom­men­den Jah­res gemacht, war dabei aller­dings auf eine ande­re Idee gekom­men, die ihr wesent­lich sym­pa­thi­scher erschien. Sie hat­te sich vor­ge­nom­men, ab Neu­jahr täg­lich in einem klei­nen schwar­zen Büch­lein zu notie­ren, was ihr an jedem ein­zel­nen Tag Schö­nes wider­fah­ren wür­de. Es muss­te nichts Gro­ßes sein, nichts Über­wäl­ti­gen­des, ein­fach etwas Schö­nes, etwas Gutes, etwas Posi­ti­ves, das ihr den Tag und damit auch das Leben ein wenig auf­ge­hei­tert oder erhellt, das ihr viel­leicht sogar einen Blick auf die­ses so genann­te Glück ermög­licht hatte.

Das alles begann vor einem Jahr. Nun, drei­hun­dert­zwei­und­sech­zig Tage spä­ter, saß sie bei Nacht in ihrem Zim­mer und blät­ter­te durch das Notiz­buch, das sie mit ihren Erleb­nis­sen gefüt­tert hat­te, um sich so kurz vor Sil­ves­ter die ver­gan­ge­nen zwölf Mona­te noch ein­mal Tag für Tag durch den Kopf gehen zu las­sen, die ange­neh­men wie die bedrü­cken­den Zei­ten. Sie hat­te ein gutes Gefühl dabei, denn das letz­te Jahr war schnell ver­gan­gen, fast schon zu schnell, und wenn etwas schnell ver­geht, ja zu schnell gar, dann ist das in der Regel doch ein Zei­chen dafür, dass man eine gute Zeit ver­bracht hat­te. Die guten Zei­ten ver­ge­hen immer wie im Flug, das ist das Trau­ri­ge an ihnen und der Grund, wes­halb sie so sel­ten das Gewicht der schwe­ren Zei­ten auf­wie­gen kön­nen, die sich ihrer­seits wie Fuß­ket­ten an das Leben bin­den, sodass man sich fühlt, als wür­de man durch ein Moor waten und nicht vor­an­kom­men. Zwar waren in die­sem Jahr nicht alle ihre Wün­sche in Erfül­lung gegan­gen, aber wer konn­te das schon von sich behaupten.

Als sie anfing, die ers­ten Sei­ten durch­zu­blät­tern und dabei die täg­li­chen Ein­trä­ge zu stu­die­ren, muss­te sie schmun­zeln. Sie ging in die Küche, öff­ne­te sich eine Fla­sche Wein und wid­me­te sich der wei­te­ren Lek­tü­re. Was sie las, stimm­te sie zufrie­den. Es waren Klei­nig­kei­ten, aber es waren teils süße, teils herz­er­wär­men­de, teils völ­lig in Ver­ges­sen­heit gera­te­ne Gescheh­nis­se, die sie dort sah, und es waren Din­ge, die sie auch heu­te noch fröh­lich gemacht hät­ten, wür­den sie ihr erneut pas­sie­ren. Sie las die Ein­trä­ge des gesam­ten Janu­ars und dann die Noti­zen des fol­gen­den Febru­ars. Ihr fiel auf, dass sich eini­ge Erleb­nis­se bereits wie­der­hol­ten, doch das stör­te sie nicht wei­ter. Ganz im Gegen­teil, ent­wi­ckel­te sich beim Lesen eine gewis­se Span­nung, denn da Janu­ar und Febru­ar recht ruhig ver­lau­fen waren, fie­ber­te sie inner­lich dem ers­ten außer­ge­wöhn­li­chen, dem ers­ten auf­fäl­li­gen, dem ers­ten bedeu­ten­den Ein­trag ent­ge­gen, was nun wie­der­um nicht hieß, dass die bis­he­ri­gen Ein­trä­ge für sie unbe­deu­tend gewe­sen wären, nur waren es Bana­li­tä­ten, all­täg­li­che Gescheh­nis­se, die sicher­lich jedem zuteil­wur­den und sich jeder­zeit wie­der ereig­nen könn­ten, wenn sie ein­fach nur einen völ­lig nor­ma­len Tag ver­brin­gen oder durch die Fuß­gän­ger­zo­ne schlen­dern würde.

Sie setz­te ihre Hoff­nun­gen in den März, denn end­lich, ja end­lich muss­te doch etwas Auf­re­gen­des gesche­hen sein. Beim Lesen offen­bar­te sich ihr dann aller­dings das gewohn­te Bild, das Janu­ar und Febru­ar ihr bereits zur Genü­ge prä­sen­tiert hat­ten. Lang­sam wur­de sie unge­dul­dig. Viel­leicht ist es doch eine blö­de Idee gewe­sen, die­ses Büch­lein zu füh­ren, dach­te sie sich und blät­ter­te nun ganz zufäl­lig durch die Sei­ten, bis sie einen Tag im Juni auf­schlug, immer noch auf der Suche nach span­nen­den, irgend­wie berüh­ren­den Ereig­nis­sen. „Fünf Euro auf dem Weg zur Arbeit gefun­den“ las sie da und lach­te. Nein, das war nun wirk­lich weder span­nend noch berüh­rend. Der fol­gen­de Tag war dem­ge­gen­über schon etwas bes­ser, denn dort hat­te sie notiert: „Im Regen spa­zie­ren gegan­gen“. Sie lieb­te es, im Regen durch die Stra­ßen der Stadt spa­zie­ren zu gehen, inso­fern war dies nun für sie zwar ein irgend­wie berüh­ren­der, aber kein son­der­lich her­vor­ste­chen­der, kein außer­ge­wöhn­li­cher, kein befrie­di­gen­der Ein­trag. Sie blät­ter­te wei­ter­hin wahl­los im Juni her­um, las „Von einem Kol­le­gen ein Stück Kuchen bekom­men“ oder „Jeman­dem den Weg erklärt“, fand „Eine Frau hat mir lächelnd die Tür der Stra­ßen­bahn auf­ge­hal­ten“ und „Himm­lisch geschla­fen“, aber rein gar nichts, von dem sie sagen konn­te, es sei etwas Beson­de­res gewe­sen, das ihr ein Stück vom Glück dar­ge­bo­ten hät­te. Das müs­sen ziem­lich schlech­te Tage gewe­sen sein, dach­te sie und blät­ter­te wei­ter, doch was sie auf den Sei­ten der dar­auf­fol­gen­den Wochen lesen konn­te, kam ihr noch bana­ler, noch unwich­ti­ger, jeden­falls kei­nes­wegs erfül­lend oder ein­fach bloß gut vor, son­dern irgend­wie leer. Sie fühl­te sich wie jemand, der in der Lot­te­rie gewinnt und dann aber fest­stel­len muss, dass alle ande­ren eben­falls gewon­nen haben. Nun, dann sind es eben kei­ne schlech­ten Tage gewe­sen, schlech­te Wochen müs­sen es gewe­sen sein. Sie such­te wei­ter. Es waren kei­ne schlech­ten Tage gewe­sen, muss­te sie fest­stel­len, auch kei­ne schlech­ten Wochen, es waren die bes­ten Tage im gan­zen Monat gewe­sen, sogar in zwei Mona­ten, und der Rest des Jah­res war, von ein­zel­nen Aus­nah­men abge­se­hen, nicht viel besser. 

Konn­te das wirk­lich die Wahr­heit sein? Sie hat­te für jeden Tag des Jah­res jeweils nur das eine, das aller­bes­te Erleb­nis notiert, das ihr wider­fah­ren war, die bes­te Hand­lung, die sie voll­bracht, oder das schöns­te Gefühl, das sie an die­sem Tag emp­fun­den hat­te – und die­se Din­ge, die sie da lesen muss­te, die­se Bana­li­tä­ten, die­se Nich­tig­kei­ten, die­se lieb­lo­sen lee­ren Wor­te, die sie kaum zu lesen wag­te, die waren genau das, alles erschöpf­te sich in die­sen Belang­lo­sig­kei­ten? Die­se Ein­trä­ge vol­ler unbe­deu­ten­der All­täg­lich­kei­ten waren alles, was ihr Leben in die­sem einen Jahr aus­ge­macht hat­te? Das war das Bes­te, was die Welt ihr in die­sen Wochen und Mona­ten gebo­ten hat­te? Mehr war da nicht?

Was sie außer­dem beun­ru­hig­te, waren Ein­trä­ge wie der fol­gen­de: „Net­ter Kas­sie­rer hat mir zuge­zwin­kert“. Das gan­ze letz­te Jahr hat­te sie allein ver­bracht, genau wie auch das Jahr zuvor. Sie fand vie­le wei­te­re Ein­trä­ge, die Ähn­li­ches fest­ge­hal­ten hat­ten, ob es sich dabei nun um Kas­sie­rer, Jog­ger, U‑Bahn-Fahr­gäs­te oder irgend­wel­che Call­cen­ter-Mit­ar­bei­ter gehan­delt hat­te. Sie las die­se Ein­trä­ge und sah dar­in den Unter­ton, mit dem sie sie wahr­schein­lich auch geschrie­ben hat­te: Jemand fin­det mich gut, jemand mag mich, ich bin etwas wert. War sie so ver­zwei­felt nach mensch­li­cher Nähe, nach dem Gefühl, jeman­dem – irgend­je­man­dem – zu gefal­len? Ihre Zufrie­den­heit begann zu bröckeln.

Sie nann­te es ein Leben, was sie da geführt hat­te, nun aber frag­te sie sich, ob es denn wirk­lich mehr war als eine unbe­deu­ten­de Exis­tenz. Ver­zwei­felt such­te sie nach einem Ein­trag, der her­aus­stach, der beson­ders war, der es wert war, das Bes­te eines Tages, eines Monats, eines Jah­res zu sein. Sie fand abso­lut nichts, was sie über­zeugt, was sie beein­druckt oder was ihr das Gefühl gege­ben hät­te, ein gutes Jahr hin­ter sich zu haben. Sie ver­miss­te das gro­ße Glück.

Eines Tages blickt man in den Spie­gel und begreift, dass man nie­mals mehr sein wird als das, was man dort sieht. Mit die­ser Erkennt­nis kann man wei­ter­le­ben und sie akzep­tie­ren, man kann sich umbrin­gen, um allem zu ent­ge­hen, oder man blickt nie wie­der in einen Spiegel.

Es war weni­ge Tage vor Sil­ves­ter, als sie zum letz­ten Mal eine lee­re Sei­te in ihrem schwar­zen Büch­lein auf­schlug und mit zitt­ri­gen Fin­gern ledig­lich das Wort „Ende“ hineinschrieb.

Man stirbt nicht
irgend­wann einmal,
man lebt so vie­le Tode
und über­steht all deren Qual,
der Akt des Ster­bens wird banal,
man geht halt mit der Mode.
Mein Herz zu Füßen
trug ich dir,
der Grund zu leben
warst du mir,
doch dir war’s recht
und recht egal -
heut‘ ster­be ich
ein wei­t­res Mal;
die Agonie
lässt grüßen.

(2010)

Vier­ter Ankla­ge­punkt [im Pro­zess gegen das Leben]: Wo war die Liebe?

(…) Die­se Ant­wort inter­es­sier­te mich sehr. Lie­be, ja, was hat­te das Leben mit der Lie­be getan? Ver­scheucht, ver­gru­selt, ent­fernt, mich nicht gelas­sen, mir neh­mend, nie gebend. Das Leben woll­te nicht, dass ich geliebt wer­de, leg­te mir Mut­lo­sig­keit und Angst in den Weg, nahm mir mein Selbst­wert­ge­fühl, schubs­te mich zu Boden. Sau­k­erl! Das hat­te ich nicht ver­dient. Ich hat­te dar­um gebe­ten, glück­lich zu sein, lie­ben zu dür­fen, doch stän­dig misch­te es sich ein, mein größ­ter Geg­ner, mein Feind, die­ses Leben, von dem ande­re sagen, es sei schön, lie­bens­wert und mache Spaß. Welch eine Lüge, damit wäre nach die­sem Pro­zess Schluss. Für immer. Die Wahr­heit muss­te auf den Tisch, die Men­schen muss­ten erken­nen, dass sie es nicht ver­dient hat­ten, dass das Leben ihnen einen Strich durch die Rech­nung macht. War­um hat­te ich so wenig gelacht, hat­te so wenig Freu­de, wur­de nicht geliebt, und immer, wenn ich lie­ben woll­te, wur­de mir wie­der ein Stein hin­ge­schmis­sen? Los, sprich, schnell, ich hol dich sonst hin­ter dem Vor­hang vor, du elen­der Gau­ner, du Dieb mei­ner Lie­be. Schämst du dich end­lich, du Leben, das ich nicht woll­te? Los, komm end­lich raus!

Was hast du erwartet?

Lie­be!

War­um hast du es nicht zugelassen?

Weil du mich nicht gelas­sen hast!

War­um warst du so feige?

Weil du mir den Mut nicht gabst!

Wie­so hast du ihn dir nicht ein­fach genommen?
(Mia Bern­stein – Erdbeerflecken)

Ihr seid die lieb­lo­ses­ten Men­schen, die ich ken­ne. Ihr schaut euch Sen­dun­gen an, in denen Ande­re, die in ihrem Leben noch nie eine ernst­haf­te Part­ner­schaft erlebt haben, ein­mal von der Lie­be spre­chen, von dem, was das nun für sie ist, und ihr, ihr macht euch lus­tig über sie, weil sie in euren Augen so unglaub­lich pein­lich sind. Sie mögen pein­lich sein, doch noch viel pein­li­cher seid letzt­lich ihr, die ihr euch hämisch über das klei­ne und gro­ße Glück ande­rer Men­schen amü­siert, auf sie her­ab­blickt, um ihre Vor­stel­lung von Lie­be und Gebor­gen­heit mit zyni­scher Auf­ge­bla­sen­heit in den Dreck zu zie­hen und das biss­chen Glück, das ein Mensch für sich fin­det, erst auf den Boden zu wer­fen und dann mit Füßen zu tre­ten, bis jeder Ansatz von Zufrie­den­heit verstirbt.

Ihr wen­det euch ange­ekelt ab, wenn sich zwei Men­schen lie­be­voll küs­sen und ihr das unmit­tel­bar beob­ach­ten müsst. Ihr ver­ab­scheut jeg­li­ches Ver­hal­ten, das ande­ren zeigt, dass man ein Pär­chen ist. Ihr wür­det sie am liebs­ten alle­samt tren­nen, wollt ihrem Glück so schnell es geht ein Ende berei­ten, denn für euch ist das kein Glück, was ihr da seht, also kann es das für ande­re doch auch nicht sein. Ihr seid Gefühls­spie­ßer – wenn ihr nicht könnt, sol­len alle ande­ren auch nicht dürfen.

Ihr wollt sie nicht, die Lie­be, sagt ihr dann und wie­der­holt das wie ein Man­tra. Wen wollt ihr damit über­zeu­gen, den Rest der Welt oder am Ende bloß euch selbst? Anstatt sie als Geschenk anzu­neh­men, wollt ihr die Quit­tung sehen oder blockt sie ab, zer­re­det sie und macht sie klein. Wer immer euch mal liebt, den stoßt ihr eis­kalt weg. Das Übel, sagt ihr, wollt ihr an der Wur­zel aus­ra­die­ren. Hört ihr euch eigent­lich manch­mal selbst beim Reden zu?

Ihr ver­schanzt euch hin­ter bei­ßen­dem Zynis­mus, der bequem ist, hin­ter Traum­ge­bil­den, die naiv sind, oder hin­ter dem, was ihr Ver­nunft nennt, was doch in Wahr­heit dann bloß Angst in lis­ti­ger Ver­klei­dung ist. Ihr fin­det so vie­le gute Grün­de, euch nicht auf jeman­den ein­zu­las­sen, so vie­le schlaue Ratio­na­li­sie­run­gen, die ihr euch zurecht­biegt, aber nicht einen ein­zi­gen Grund dafür. Ihr begreift nicht, dass ihr umsonst sucht, denn es gibt gar kei­nen Grund dafür, weil das Dafür doch eines Grun­des nicht bedarf: „Ich lie­be dich, weil…“, das sagt kein Mensch, der wahr­haft liebt. Auf der ande­ren Sei­te ver­ste­cken sich Mil­lio­nen Grün­de dage­gen und ihr, ihr fin­det sie alle. Ihr wollt sie unbe­dingt fin­den, ihr wollt Vor­wän­de, Aus­flüch­te, Not­aus­gän­ge. Dann wägt ihr ab: Kein Grund dafür, so vie­le dage­gen, ihr zieht Bilanz und rech­net aus, als ob es um den Ein­kauf geht. Und ihr, die ihr so lieb­los sprecht, ihr wagt es dann, ganz laut­hals über jene her­zu­zie­hen, die glück­lich in Gefüh­len baden?

Wenn es nicht Lie­be auf den ers­ten Blick ist, die euch umhaut, die von euch Besitz ergreift, dann wollt ihr sie nicht haben. Seid ehr­lich zu euch selbst: Wie oft habt ihr das schon erlebt? Für euch ver­hält sich Lie­be wie die magi­sche Boh­ne, aus der ganz plötz­lich eine Ran­ke bis zum Him­mel wächst. Dass es auch anders geht, dass Lie­be auch als zar­tes Pflänz­chen rei­fen kann, das reich­lich Zeit zum Wach­sen braucht, das kommt euch gar nicht in den Sinn, denn wenn dann doch mal etwas keimt, stürmt ihr gleich mit der Sichel an.

Ihr seid so abge­brüht. Ihr wollt Pär­chen im Park ver­gif­ten und amü­siert euch übers Glück der ande­ren. Wie kann man da Respekt vor euch haben? Ihr seid umge­ben von Lie­be, sie klopft sogar von Zeit zu Zeit an eure Tür, und alles, was ihr dafür übrig habt, ist Hohn aus eurer Burg. Wenn uner­war­tet Lie­be zu euch kommt, dann schlagt und tre­tet ihr sie, bis sie stirbt, weil ihr doch lie­ber wei­ter­hin in eurer kal­ten Fes­tung wohnt. Ist es da ein Wun­der, wenn die Lie­be euch nichts gibt?

Ihr infor­miert euch über bio-che­mi­sche Pro­zes­se, ihr theo­re­ti­siert und ana­ly­siert das Gefühl, doch Theo­rie wird euch nicht küs­sen, nie umar­men oder Wär­me spen­den kön­nen. Ihr phan­ta­siert so gern von rie­si­gen Gefüh­len, jagt Schi­mä­ren hin­ter­her, die ihr aus Lie­bes­fil­men kennt, ihr lest in Büchern über sie, von denen ihr in Wahr­heit kei­ne Ahnung habt, weil ihr noch nicht ein­mal die klei­nen schätzt. Ihr lehnt sie ab, ihr macht sie schlecht, stets wollt ihr sie zer­stö­ren, ihr unter­grabt und ihr ver­schan­delt sie, wo immer ihr sie seht, ihr gönnt den ande­ren kein Glück.

Sind eure Abge­brüht­heit, euer Hass, die zyni­sche Ver­bit­te­rung, die ihr mit eis­ge­kühl­ter Brust dem Rest der Welt ent­ge­gen­stellt, die gan­ze Miss­gunst und das kal­te Herz denn nicht bloß Aus­druck eige­ner Ent­täu­schung? Wie wollt ihr jemals glück­lich sein, wenn ihr den Schmerz so konserviert?

Unse­re Mei­nung, dass wir das ande­re ken­nen, ist das Ende der Lie­be, jedes­mal, aber Ursa­che und Wir­kung lie­gen viel­leicht anders, als wir anzu­neh­men ver­sucht sind – nicht weil wir das ande­re ken­nen, geht unse­re Lie­be zu Ende, son­dern umge­kehrt: weil unse­re Lie­be zu Ende geht, weil ihre Kraft sich erschöpft hat, dar­um ist der Mensch fer­tig für uns. Er muß es sein. Wir kön­nen nicht mehr! Wir kün­di­gen ihm die Bereit­schaft, auf wei­te­re Ver­wand­lun­gen ein­zu­ge­hen. Wir ver­wei­gern ihm den Anspruch alles Leben­di­gen, das unfaß­bar bleibt, und zugleich sind wir ver­wun­dert und ent­täuscht, dass unser Ver­hält­nis nicht mehr leben­dig sei. „Du bist nicht“, sagt der Ent­täusch­te oder die Ent­täusch­te, „wofür ich dich gehal­ten habe“. Und wofür hat man sich denn gehal­ten? Für ein Geheim­nis, das der Mensch ja immer­hin ist, ein erre­gen­des Rät­sel, das aus­zu­hal­ten wir müde gewor­den sind. Man macht sich ein Bild­nis. Das ist das Lieb­lo­se, der Verrat.
(Max Frisch – Tage­buch 1946–1949)