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Meinen Eltern war es seit Pandemiebeginn gelungen, sich von Corona fernzuhalten, denn sie waren sehr vorsichtig. Sie trugen Masken, sie testeten sich regelmäßig, sie mieden größere Veranstaltungen und schafften es auf diese Art, sich kein einziges Mal mit Covid zu infizieren.
Doch dann war meine Mutter im Laufe des Jahres 2023 wegen einer völlig anderen Erkrankung in einer Reha-Klinik und erlebte dort ein „Best of Kafka meets Loriot“.
In der Reha-Klinik trug selbstverständlich niemand mehr Maske, es gab keinerlei Covid-Tests, keine Luftfilter und die Hälfte der Patient*innen litt an einer mysteriösen Erkältung.
Nach ein paar Tagen bekam meine Mutter völlig überraschend auch Erkältungssymptome. Da sie Corona ernst nahm und nimmt, bat sie bei einer Pflegekraft um einen Schnelltest, um sich zu testen. Hustenbonbons könne sie bekommen, aber einen Schnelltest nicht, meinte die Pflegerin. Es würden ja auch gar keine Covid-Tests mehr durchgeführt, wurde meine Mutter belehrt, was sie denn mit einem Test bezwecke und dass das doch auch gar keinen Unterschied mache, ob sie nun Covid habe oder eine Erkältung.
Meine Mutter blieb stur und verlangte nach einem Test. Der Test hätte ja nicht einmal durch Klinikpersonal durchgeführt werden sollen, sondern sie wollte nur mit ihren eigenen Händen einen beschissenen Schnelltest machen. Mehr nicht. Nein, das geht nicht so einfach, da muss die Pflegerin erst den Arzt fragen. Aha.
Als der Arzt sich dann erbarmte, sie anzuhören, leierte er dasselbe Programm herunter: „Warum wollen Sie den Test machen?“, „Was bringt das?“, „Es ändert sich ja nix!“, „Es ist doch eine Erkältung!“. Meine Mutter insistierte weiter, bis der Arzt schließlich irgendwann kapitulierte und sie zum hauseigenen Covid-Test schickte.
Die Pflegerin, die den Test durchführen sollte, war ein bisschen pissig, denn es war dieselbe, die den Covid-Test zunächst verwehrt hatte. Auf Anweisung des Arztes musste sie den Test nun durchführen und zeigte dabei ihre beste passiv-aggressive Seite. Widerwillig vollzog sie Nasen- und Rachenabstrich und kurz darauf waren beide Tests meiner Mutter zu absolut niemandes Überraschung positiv.
Die erste Reaktion der Pflegerin auf die positiven Covid-Tests war nur ein hämisches: „Sehen Sie, hätten Sie den Test mal lieber nicht gemacht!“
An dieser Stelle fragen wir uns kurz, warum das besser gewesen wäre, wenn es doch angeblich nichts ändert?
Doch siehe da, obwohl Corona angeblich ja nur eine Erkältung ist und sich für keinen was ändert, musste meine Mutter nun in Isolation und durfte an den Reha-Maßnahmen nicht mehr teilnehmen. War es jetzt etwa doch keine Erkältung mehr?
Die Pflegerin erklärte, meine Mutter habe sich nun selbst ein Bein gestellt mit der Isolation – hätte sie keinen Test gemacht, dürfte sie weiter ohne Maske an allen Maßnahmen teilnehmen, so wie alle anderen, die „erkältet“ sind. Wäre das nicht viel schöner?
Seitdem trugen alle Pflegekräfte und Ärzt*innen, die mit meiner Mutter in Kontakt kamen, mysteriöserweise immer eine Maske und der behandelnde Arzt kommentierte diesen Vorgang mit „Na ja, ich will natürlich kein Covid bekommen“. Aber wieso das denn, wenn es nur eine harmlose Erkältung ist?
Selbstverständlich liefen alle anderen „erkälteten“ Patient*innen sowie das Klinikpersonal ansonsten, wenn sie nicht gerade Kontakt mit meiner Mutter hatten, weiterhin ohne Maske herum und steckten einander fröhlich an. Der behandelnde Arzt jedoch glaubte nicht daran, dass meine Mutter sich in der Klinik angesteckt habe – woher die Infektion dann gekommen sein soll, blieb sein Geheimnis. Vielleicht unbefleckte Empfängnis?
COVID-19 ist und bleibt eine meldepflichtige Infektionskrankheit und systemische Gefäßkrankheit, die unter anderem schwere und langfristige Gefäßschäden, Herzschäden, Hirnschäden, Long-Covid bzw. ME/CFS und andere Folgen nach sich ziehen kann (siehe exemplarisch hier, hier, hier oder hier), vor der es aber auch effektive Schutzmöglichkeiten wie etwa Masketragen und Lufthygiene (z.B. durch Luftfilter) gibt – oder gäbe.
Aber wenn niemand testet und alle nur „erkältet“ sind, muss kein Arzt und keine Einrichtung irgendetwas melden, niemand trägt Verantwortung, Covid gibt es nicht und alles ist gut.
(Dies ist eine Zusammenfassung meines Threads auf Bluesky.)
Fragst Du Dich auch manchmal, was mit den ganzen Wörtern passiert, die Du im Laufe des Tages nicht gesprochen oder geschrieben hast?
Ich stelle mir gerne vor, dass ich für manches ein tägliches oder wöchentliches Kontingent habe, z.B. für zwischenmenschliche Kontakte, für Lächeln, oder eben für Wörter. So wie das jährliche Budget für Straßenbau in meiner Heimatstadt. Im Herbst wurden an den unmöglichsten Stellen Verkehrsinseln und Bremsschwellen gebaut, um im nächsten Jahr nicht etwa weniger Geld aus dem großen Topf zugewiesen zu bekommen.
Wenn das persönliche Budget ausgeschöpft ist, dann hat man vielleicht schon um 15 Uhr kein Lächeln mehr übrig und ist schon vom Atmen eines anderen Menschen genervt, oder aber man hat noch was über, lächelt völlig unmotiviert Bremsschwellen und Verkehrsinseln in die Luft und wird in der Bahn weiträumig umgangen, hat als einziger noch einen Sitzplatz neben sich frei, weil Leute, die ohne erkennbaren Grund lächeln, unheimlich sind.
Übriggebliebene Wörter kann man vielleicht durch Selbstgespräche loswerden, oder durch sinnlose Blogbeiträge wie diesen, aber das ist ja doch beides nicht jedermanns Sache. Ich empfinde es schon als merkwürdig, mit den Katzen zu reden. Selbstgespräche kommen also für mich nicht in Frage. Zumindest jetzt noch nicht. In 30 bis 40 Jahren, wenn ich eine bösartige alte Frau geworden bin, so eine, vor der alle Kinder in der Straße Angst haben und bei der sie beim Martinisingen nicht klingeln, gehe ich vor mich hin brummelnd umher und habe niemals mehr Wörter übrig, wenn ich einschlafen will.
Es ist nämlich so, dessen bin ich mir sicher, dass man von diesen Übriggebliebenen am Ende des Tages heimgesucht wird. Drohend ballen sie sich in den Ecken des Kopfes zusammen und tuscheln. Dieses Tuscheln knapp über der Grenze, an der es gehört werden kann. Ein Crescendo von Zischlauten, harten Ts und Ps (mit Spucketröpfchen) und bedeutungsschwangeren drei Punkten. Und dann kann man nicht oder nur schlecht schlafen. Im Kopf setzt sich Staub ab. Du siehst, es ist alles sehr dramatisch.
Wochenenden und Urlaube können besonders gefährlich sein!
Mit drei Punkten wird es noch ernster:
Wochenenden und Urlaube können besonders gefährlich sein…
Vor etwas mehr als acht Monaten fand ich dank Twitter die tollste Frau der Welt. Alles begann mit zwei belanglosen Tweets, auf die der jeweils andere reagierte. Aus Replys wurden bald Direktnachrichten und schließlich der Gedanke an ein Treffen. Wir hatten bis dahin weder telefoniert noch anderweitig Kontakt gesucht als über Twitter.
Wir verabredeten uns für einen Nachmittag und ich blieb fast für eine Woche. Seit dem ersten Treffen sehen wir uns nun an jedem Wochenende, und das macht mich zum glücklichsten Menschen der Welt. Die auf Twitter oft verschriene Pärchenscheiße war nur eklig, bis sie kam, und sie ist der erste Mensch, bei dem ich nach längerem Rund-um-die-Uhr-Kontakt nicht das Bedürfnis habe, nun mal wieder für mich allein zu sein. Bei ihr bin ich zuhause, bei ihr bin ich ganz ich. Wir tun uns gegenseitig gut.
Seitdem benutzen wir Twitter gemeinsam, wenn man das so nennen mag. Wir zeigen uns gegenseitig Tweets aus der eigenen Timeline, wir starten gemeinsam Meme, wir hoffen auf Replys von nervigen Leuten, wir trollen unsere Follower mit ironisch gemeinten Tweets, wir lästern über andere, wir erstellen Videos und teilen sie, kurzum: wir haben Spaß. Twitter hilft, Gesprächspausen zu überbrücken, und Twitter dient auch als eine Art Rückzugsort, in den man kurz verschwinden kann, wenn hier draußen alles zu viel wird.
Aber das Medium, das uns zusammenbrachte, trennt uns auch immer wieder, wenngleich zum Glück nur temporär, für Augenblicke, Momente. Wir greifen hin und wieder zum Smartphone, wenn wir frühstücken, wenn wir einen Film schauen, wenn wir ausgehen, wenn wir im Café sitzen. Es ist ein kleines Timeout, so als würde einer von uns zur Tür rausgehen, kurz andere Leute treffen, und dann wieder reinkommen, als wäre nichts geschehen. Die Welt steht kurz still, der Raum wird gebrochen, einer fällt aus der Zeit.
Manchmal erhalten wir Nachrichten, Replys, DMs, E‑Mails, dann kommt jemand zur Tür herein, setzt sich frech zwischen uns ins Wohnzimmer oder an den Frühstückstisch, plaudert nur mit einem von uns, verdrängt den anderen aus der Welt, und verschwindet wieder so plötzlich, wie er aufgetreten ist.
Wir beäugen manchmal das Smartphone des jeweils anderen, wenn es ein Geräusch macht, wie einen Eindringling. Wir sind dann nicht wirklich allein, unter uns, zumindest kommt es mir zuweilen so vor. Da sind immer die Anderen, entweder passiv, indem sie einfach greifbar, lesbar, verfügbar sind, oder aktiv, indem sie mit einem von uns kommunizieren. Das ist auf seine Art schön, hin und wieder; als Dauerzustand verändert es jedoch die kostbare Zweisamkeit. Soziale Medien werden zum Eindringling, weil wir sie eindringen lassen, selbst in unsere Köpfe. Nicht selten denkt einer von uns oder wir beide bei einer Äußerung, einem Anblick, einer Kuriosität: „Das wäre ein schöner Tweet“. Wie ein Fotograf, der keine Landschaften und keine Menschen mehr sieht, nur noch potentielle Fotos. Man kann die Momente zwar laufend teilen, ruiniert sie dadurch aber auch.
Ich komme mir blöd vor, es zu erwähnen, weil es mir lächerlich erscheint, aber ich komme mir genauso vor, wenn ich es nicht tue, weil es mich doch stört.
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