Gedanken & Soziologie
Die Soziologie wäre nicht eine Stunde Mühe wert, wenn sie ein für Experten reserviertes Wissen von Experten wäre. (Pierre Bourdieu)
Die Soziologie wäre nicht eine Stunde Mühe wert, wenn sie ein für Experten reserviertes Wissen von Experten wäre. (Pierre Bourdieu)
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Das symbolische Kapital besteht aus einem beliebigen Merkmal, Körperkraft, Reichtum, Kampferprobtheit, das wie eine echte magische Kraft symbolische Wirkung entfaltet, sobald es von sozialen Akteuren wahrgenommen wird, die über die zum Wahrnehmen, Erkennen und Anerkennen dieser Eigenschaft nötigen Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien verfügen: Ein Merkmal, das, weil es auf sozial geschaffene »kollektive Erwartungen« trifft, auf Glauben, eine Art Fernwirkung ausübt, die keines Körperkontakts bedarf. Man gibt einen Befehl, und es wird ihm gehorcht: Dies ist ein zutiefst magischer Akt. (…) Damit der symbolische Akt eine derartige, ohne sichtbare Verausgabung von Energie erzielte magische Wirkung ausüben kann, muß ihm eine oft unsichtbare und jedenfalls vergessene, verdrängte Arbeit vorangegangen sein und bei den Adressaten dieses Erzwingungs- und Befehlsaktes diejenigen Dispositionen erzeugt haben, deren es bedarf, damit sie, ohne daß sich ihnen die Frage des Gehorsams überhaupt stellte, das Gefühl haben, gehorchen zu müssen. Die symbolische Gewalt ist jene Gewalt, die, indem sie sich auf die »kollektiven Erwartungen« stützt, auf einen sozial begründeten und verinnerlichten Glauben, Unterwerfungen erpreßt, die als solche gar nicht wahrgenommen werden.
(Pierre Bourdieu – Die Ökonomie der symbolischen Güter, in: Praktische Vernunft)
Wenn vom Klassenkampf die Rede ist, denkt man niemals an seine ganz alltäglichen Formen, an die rücksichtslose gegenseitige Verächtlichmachung, an die Arroganz, an die erdrückenden Prahlereien mit dem »Erfolg« der Kinder, mit den Ferien, mit den Autos oder anderen Prestigeobjekten, an verletzende Gleichgültigkeit, an Beleidigungen usw.: Soziale Verarmung und Vorurteile – letztere sind die traurigsten aller sozialen Leidenschaften – werden in diesen alltäglichen Kämpfen geboren, in denen stets die Würde und die Selbstachtung der beteiligten Menschen auf dem Spiel stehen. Das Leben ändern, das müßte auch heißen, die vielen kleinen Nichtigkeiten zu ändern, die das Leben der Leute ausmachen und die heute gänzlich als Privatangelegenheit angesehen und dem Geschwätz der Moralisten überlassen werden.
Pierre Bourdieu – Politik, Bildung und Sprache, in: Die verborgenen Mechanismen der Macht
Die Wahrscheinlichkeit einer Handlung oder eines Phänomens zu kennen, kann auch heißen, die Chancen jener Aktionen zu vergrößern, die darauf abzielen, die Realisierung eben dieses Phänomens zu verhindern. Aber das ist nicht alles. Viele soziale Mechanismen sind nur deshalb so wirksam, weil sie verkannt und unterschätzt werden. Das ist zum Beispiel bei den »Mechanismen« der Fall, die die Kinder aus denjenigen Familien, die ökonomisch und kulturell am stärksten benachteiligt sind, aus der Schule herausdrängen: Man beobachtet, wie gerade die Familien, die kulturell benachteiligt und Opfer der sozialen Ungleichheit sind, am stärksten daran glauben, daß Begabung und Tüchtigkeit die einzig ausschlaggebenden Faktoren für den Schulerfolg sind. Man sieht also, daß feine Wissenschaft, die enthüllt und demaskiert – »es gibt nur eine Wissenschaft, und das ist die Wissenschaft vom Verborgenen«, sagt Bachelard – aus sich heraus wichtige Veränderungen bewirken kann. Dies gilt natürlich nur unter der Bedingung, daß die Betroffenen, deren Interesse am stärksten auf diese Veränderungen drängen, auch an diesen wissenschaftlichen Einsichten teilhaben.
(Pierre Bourdieu – Politik, Bildung und Sprache, in: Die verborgenen Mechanismen der Macht)


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